Psychotherapie wird heute bei den meisten psychischen Erkrankungen in den S3-Leitlinien empfohlen und ist in zahlreichen RCTs und Meta-Analysen belegt. Dennoch gibt es vielfältige Herausforderungen und Forschungsfragestellungen für die Zukunft wie beispielsweise notwendige Veränderungen der Aus- und Weiterbildung, ein Mangel an rascher Verfügbarkeit, die Qualität der Anwendung und viele andere Fragen.
In dem Symposium sollen einige relevante und aktuelle Themen der Weiterentwicklung von Psychotherapie und ihrer Bedeutung in der Therapie und Versorgung psychiatrischer Erkrankungen aufgegriffen werden.
Prof. Rief wird über die Veränderungen von einer verfahrensorientierten hin zu einer mehr modularen bzw. kompetenzorientierten Weiterbildung berichten. Mit dem neuen Psychotherapeutengesetz, dem Studium der Psychotherapiewissenschaften und der künftigen Psychotherapie-Weiterbildung ergibt sich auch die Chance, längst überfällige Veränderungen hin zu einer mehr modularen und kompetenzorientierten Psychotherapie umzusetzen.
Prof. Strauß wird über einen neuen Ansatz zur Erfassung der therapeutischen Beziehung berichten.
Ein weiterer Aspekt der Psychotherapieforschung sind Wirkfaktoren, deren besseres Verständnis zu einer Optimierung von Psychotherapie beitragen kann. Einer der ganz zentralen Wirkfaktoren ist dabei die therapeutische Beziehung.
Prof. Voderholzer berichtet über kurz- und langfristige Effekte von Psychotherapie in Relation zu anderen Therapieverfahren anhand einer eigenen Meta-Analyse zu Studien bei Depression sowie eines kritischen Updates der bisherigen Studienlage. Insbesondere soll darauf eingegangen werden, was Psychotherapeuten aus den Erkenntnissen zu langfristigen Effekten von Psychotherapie für die Praxis lernen können.
15:30 Uhr
Von der verfahrensorientierten zur kompetenzorientierten Psychotherapie
W. Rief (Marburg, DE)
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Autor:in:
W. Rief (Marburg, DE)
In Deutschland sind sowohl die legalen Regelungen als auch das Denken vieler Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten stark an den traditionellen Therapieverfahren orientiert. Damit einher gehen eigene Sprachen der Therapieschulen, hohe Identifikation mit einem Verfahren und Abgrenzung von anderen Verfahren. Dies resultiert in zahlreichen Problemen und Denkfehlern, und steht einer wissenschaftlich-orientierten Weiterentwicklung von Psychotherapie im Wege.
Es wird eine narrative Übersicht vorgestellt, wie tief das "Schulendenken" an verschiedenen Stellen der berufsrechtlichen und sozialrechtlichen Regelungen eingebettet ist und welche Auswirkungen dies auf eine wissenschaftliche Weiterentwicklung und das Ideal einer evidenzbasierten Versorgung hat. Eine verfahrensorientierte Regulation der Psychotherapie behindert und blockiert zum Teil eine wissenschaftlich fundierte, leitlinienorientierte Versorgung. Dieses Problem wird durch die zahlreichen Neuentwicklungen potenziert, die zwischenzeitlich zum Teil besser wissenschaftlich fundiert sind als traditionelle Verfahren, so dass sie nicht zuletzt auf Grund ihrer wissenschaftlichen Fundierung berücksichtigt und ggf. integriert werden müssen.
Um aus diesem Dilemma zu entkommen, sind neue Klassifikationen therapeutischer Ansätze notwendig, die Interventionen nicht nach Schulen oder Ideologien sortieren, sondern nach den wesentlichen Wirkmechanismen und Interventionsfoci. Damit redefiniert sich das Aus-und Weiterbildungziel in der Psychotherapie neu in dem Sinne, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die Kompetenzen erwerben sollen, verschiedene wissenschaftlich fundierte Wirkmechanismen systematisch einzusetzen, und dabei wissenschaftlich fundierte Leitlinien und Indikationsregeln zu beachten. Dies ebnet auch den Weg, dass sich Psychotherapie von einer Ansammlung einzelner Schulen zu einer echten Wissenschaft weiter entwickelt und Neuentwicklung gut integrieren kann.