Ziel des BMBF-geförderten Verbundprojektes »@myTabu« ist es, eine therapeutengestützte Online-Intervention für Personen, die ein Kind sexuell missbraucht oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben, zu entwickeln und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Die Wirksamkeitsprüfung folgt einem randomisierten, placebo-kontrollierten Versuchsdesign. Juristische und ethische Richtlinien werden für die Routine-Anwendung entwickelt, ebenso wie ein online-basiertes Risikoerfassungssystem.
13:30 Uhr
Die Bedeutung von onlinebasierten Testverfahren für die forensisch-therapeutische Forschung und Praxis
M. Rettenberger (Wiesbaden, DE)
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Autor:innen:
M. Rettenberger (Wiesbaden, DE)
K. Nitsche (Wiesbaden, DE)
A. Tröger (DE)
S. Etzler (Wiesbaden, DE)
Das Verbundprojekt @myTabu beinhaltet die Entwicklung und Evaluation einer therapeutengestützten Online-Intervention für Personen, die wegen sexuellen Kindesmissbrauchs und/oder der Verbreitung, des Erwerbs oder Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt wurden. Zu diesem Zweck werden Messverfahren benötigt, die Rückfallrisikofaktoren und Therapieeffekte online erfassen können. Selbstbeschreibungsverfahren haben für diesen Anwendungsbereich entscheidende Vorteile, u. a. aufgrund einer vergleichsweise ökonomischen Anwendungspraxis. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Teilstudie des Verbundprojekst @myTabu drei Onlinefragebögen zur Erfassung des Rückfallrisikos entwickelt und validiert. Das erste Verfahren, der ACUTE-2007-SR erfasst akut-dynamische Rückfallrisikofaktoren (z. B. emotionale Krisensituation), das zweite Verfahren erfasst stabil-dynamische Konstrukte (z. B. Problembewältigungsstrategien), die durch Interventionsmethoden üblicherweise verändert werden sollen und das dritte Verfahren erfasst allgemein kriminelle und sexuell deviante Verhaltensweisen (z. B. Bedrohung). Die Entwicklung und Validierung der drei Verfahren erfolgt anhand einer Stichprobe von N = 175 männlichen Probanden, die wegen sexuellen Kindesmissbrauchs und/oder der Verbreitung, des Erwerbs oder Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt wurden und zum Zeitpunkt der Datenerhebung unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht standen. Im Rahmen einer Längsschnittstudie fanden zu drei Messzeitpunkten Online-Selbstbeurteilungen statt. Darüber hinaus wurden auch die jeweils zuständigen Bewährungshelfer/-innen bzw. Therapeuten/-innen der teilnehmenden Probanden zu zwei Zeitpunkten um eine korrespondierende Fremdbeurteilung gebeten. Als zusätzliche Informationsquelle wurde eine umfangreiche Aktenanalyse durchgeführt. Im vorliegenden Vortrag werden die drei Verfahren vorgestellt sowie die Ergebnisse der Entwicklungs- und Validierungsstudie diskutiert.
14:00 Uhr
Psychological distress in individuals who sexually abused children or consummated child sexual exploitation material: influencing factors and the association with treatment readiness
L. Bauer (Göttingen, DE)
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Autor:in:
L. Bauer (Göttingen, DE)
Die Behandlungsbereitschaft spielt eine wichtige Rolle für die Behandlungsbeteiligung und den Behandlungserfolg bei Personen, die straffällig geworden sind. Theoretische Ansätze wie das Multifactor Offender Readiness Model (MORM) versuchen Faktoren, die die Behandlungsbereitschaft straffälliger Personen beeinflussen, in ein Modell zu integrieren. So sollen auf personaler Ebene affektive Faktoren auf die Behandlungsbereitschaft einwirken. Empirische Befunde unterstützen die Annahme, dass affektive Faktoren, wie Leidensdruck, im Zusammenhang mit Behandlungsbereitschaft stehen (Dahle, 2003). Personen mit sexuellem Interesse an Kindern berichten häufig Leidensdruck zu erleben, welcher seine Ursachen in Stigmatisierung, unerfüllbaren sexuellen Bedürfnissen und Einsamkeit findet (Konrad, 2021). Unserer Kenntnis nach gibt es bisher noch keine Studien, die den Zusammenhang von sexuellem Interesse an Kindern mit Behandlungsbereitschaft untersucht haben. In diesem Vortrag wird deshalb der Zusammenhang von pädophilem Interesse, Leidensdruck und Behandlungsbereitschaft bei Personen vorgestellt, die an @myTabu teilnehmen, einer webbasierten Intervention für Personen, die ein Kind missbraucht oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben. Die Auswertung basiert auf Baseline-Daten, die im Rahmen des DSMB-Berichts der laufenden klinischen Studie zur Wirksamkeitsprüfung von @myTabu abgerufen wurden.
Das Forschungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (FKZ: 01KR1807A) gefördert.
Korrespondenzadresse: Louisa Bauer, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie – forensische Psychiatrie, Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Rosdorfer Weg 70, 37081 Göttingen. Email: louisa.bauer@med.uni-goettingen.de
14:30 Uhr
Treatment adherence in web-based interventions for individuals who sexually abused children
S. Schröder (Göttingen, DE)
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Autor:innen:
S. Schröder (Göttingen, DE)
L. Bauer (Göttingen, DE)
J. Müller (Göttingen, DE)
P. Fromberger (Göttingen, DE)
Zur Verringerung des Risikos eine Straftat zu begehen, werden seit einigen Jahren webbasierte Interventionen für Personen entwickelt, die gefährdet sind einen Kindesmissbrauch zu begehen. Im allgemeinpsychiatrischen Bereich zeigt sich, dass webbasierte Interventionen klinische Symptome reduzieren können. Jedoch zeigt sich auch, dass viele Personen, die sich für eine webbasierte Intervention anmelden, diese nicht beginnen oder frühzeitig beenden. Im forensischen Bereich wurde dieses unterschiedliche Nutzungsverhalten von webbasierten Interventionsangeboten bislang nicht betrachtet. In diesem Vortrag wird vorgestellt, welche Faktoren die Absicht beeinflussen, eine webbasierten Intervention für Personen, die ein Kind missbraucht oder Missbrauchsabbildungen konsumiert haben, zu nutzen. Hierfür werden Baselinedaten von Teilnehmern aus der laufenden klinischen Studie zur Wirksamkeitsprüfung von @myTabu vorgestellt. Als theoretische Grundlage der Betrachtung dient die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT). Die UTAUT wurde ursprünglich entwickelt, um Nutzungsverhalten von Informationstechnologien in Organisationen vorherzusagen, und wurde mit dem Aufkommen von webbasierten Interventionen im klinischen Bereich zur deren Untersuchung adaptiert.