Zum aktuellen Zeitpunkt im Jahr 2022 können Patient:innen in Deutschland an fast 50 psychiatrischen Kliniken verteilt auf 11 Bundesländer stationsäquivalent behandelt werden. StäB wird somit nahezu flächendeckend für Patient:innen mit akuten psychischen Erkrankungen zu einer Alternative bei vollstationärer Behandlungsindikation. Vielerorts ist StäB sowohl organisatorisch als auch konzeptionell nicht mehr wegzudenken, in wenigen Ländern auch bereits in der Krankenhausplanung dezidiert berücksichtigt.
In der intensiven Diskussion der gesetzlich vorgeschriebenen Bewertung der neuen Behandlungsform durch die Selbstverwaltungspartner DKG und GKV zum Jahresende 2021 wurde deutlich, dass die dort untersuchten Daten nach §21 KH Entgeltgesetz keinen ausreichenden Einblick in die Behandlungsrealität ermöglichen und die Bewertung entsprechend oberflächlich ausfallen muss. In vielen StäB-durchführenden Kliniken liegt mittlerweile eine weitaus größere Fülle an Behandlungsdaten vor, welche über diese Datenbasis weit hinausgehen. So besteht die Möglichkeit, die Abrechnungsdaten mit strukturellen Gegebenheiten, organisatorischen Merkmalen und vielerorts auch mit relevanten soziodemographischen Variablen aus der ergänzenden Basisdokumentation zu verknüpfen. Weitere Potentiale stecken insbesondere auch in der Betrachtung des individuellen Behandlungsverlaufs an der jeweiligen Klinik sowie in unmittelbaren Vergleichen mit der vollstationären Regelbehandlung vor Ort.
Im Symposium wird der Fokus auf Ergebnisse unterschiedlicher Routinedatenauswertungen aus vier Kliniken bzw. Klinikverbünden in vier verschiedenen Bundesländern gelegt. Hierbei werden jeweils individuelle Fragestellungen zum Thema fokussiert.
08:30 Uhr
Wer behandelt wie? Ein Überblick über die Verteilung der Behandler und das Outcome in der StäB
F. Metzger (Haina (Kloster), DE)
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Autor:innen:
F. Metzger (Haina (Kloster), DE)
J. Wolff (DE)
A. Klimke (DE)
M. Bender (DE)
Mit der intensiven aufsuchenden Therapieform der stationsäquivalenten Behandlung (StäB) wurde 2018 ein neuer Behandlungssektor in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Akutbehandlung geschaffen, dessen differenzierte therapeutische Ausgestaltung, die über die gesetzliche Definition (mind. ein persönlicher therapeutischer Kontakt pro Tag) hinausgeht, jetzt evaluiert werden kann. Grundlage der vorgestellten Datenanalyse sind die Routine- und Behandlungsdaten der hessischen Vitos-Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie. Für das Jahr 2021 konnten 231 StäB-Fälle analysiert werden, denen nach einem Matching für Alter, Diagnose, Geschlecht, Komorbiditäten und Fallschwere 1.155 vollstationäre Fälle gegenübergestellt wurden. Dabei konnte eine um 8 Tage (p < .001) längere Verweildauer in der StäB gezeigt werden. Die Wiederaufnahmerate (vollstationär, teilstationär, StäB) war aber demgegenüber deutlich geringer (StäB 17,6%, vollstationär 45,5%, p < 0.001), die mittlere von den therapeutischen Berufsgruppen aufgewandte Therapieintensität (ohne Pflege) war in der StäB deutlich höher (StäB 24 Minuten je Tag, vollstationär 10 Minuten je Tag, p < .001). Die auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben mit unterschiedlicher Methodik ermittelten Therapieaufwände schränken die Auswertbarkeit der Daten ein. Bezüglich der outcome-Kriterien, die in den Vitos-Kliniken routinemäßig als Qualitätsindikatoren (CGI, GAF, BDI, PANSS 8) erhoben werden, wurde die Ergebnisqualität beider Behandlungsformen verglichen. Insgesamt ist bei der StäB von einer intensiveren und aufwändigeren Therapie auszugehen, die aber nachhaltigere Effekte bewirken kann.
08:52 Uhr
StäB vs. Station – erste Einblicke in den Vergleich von Routine- und Verlaufsdaten gematchter Kohorten der südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie
S. Raschmann (DE)
G. Längle (Zwiefalten, DE)
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Autor:innen:
S. Raschmann (DE)
G. Längle (Zwiefalten, DE)
E. Flammer (DE)
F. Eisele (DE)
Seit es 2018 durch die Gesetzgebung ermöglicht wurde, wird an den Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie sowie der PP.rt Reutlingen StäB als Alternative zur vollstationären Versorgung an mehreren Standorten angeboten. Erste Untersuchungen zeigen eine hohe Behandlungszufriedenheit und gute Behandlungseffekte. Wirklich belastbare Ergebnisse aus kontrollierten Studien wie der AKtiV-Studie stehen derzeit in Deutschland allerdings noch aus. Die durch die Selbstverwaltungspartner DKG und GKV 2021 veröffentlichte Untersuchung des INeK, basierend auf den bundesweit zusammengefassten Abrechnungsdaten (§21 KH Entgeltgesetz) ermöglicht nur einen sehr oberflächlichen Einblick in die Behandlungsrealität, ein Vergleich zu vollstationär behandelten Patient:innen ist nicht möglich.
Im Rahmen einer breit angelegten Routinedatenauswertung wurden alle bis Mai 2021 behandelten StäB-Patient:innen der o.g. Kliniken durch ein Matching-Verfahren vergleichbaren vollstationären Patient:innen zugeordnet. Zur Zuordnung vergleichbarer Patient:innen über die Behandlungsformen hinweg wurden Matching-Kriterien wie etablierte soziodemografische und klinisch relevante Merkmale (Hauptdiagnose) herangezogen, ergänzt um den Schweregrad der Erkrankung bei Aufnahme (Clinical Global Impression (CGI)). Ziel ist ein Vergleich zwischen den beiden Behandlungsformen hinsichtlich der Veränderung des aktuellen Schweregrads im Behandlungsverlauf sowie die weiteren vollstationär und stationsäquivalent verbrachten Behandlungstage über den Zeitraum von 12 Monaten nach Entlassung. In diesem Beitrag werden die methodische Vorgehensweisen hierbei erläutert, die Stichproben beschrieben und erste deskriptive Ergebnisse berichtet und diskutiert.
09:14 Uhr
Direktaufnahmen in die StäB – welche Patient:innen sind das?
P. Brieger (Haar, DE)
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Autor:innen:
P. Brieger (Haar, DE)
E. Ketisch (DE)
L. Klocke (DE)
Der Vortrag stellt dar, welche Patienten direkt in die StäB aufgenommen werden. Im kbo-Isar-Amper-Klinikum sind dies ca. 50% aller StäB-Aufnahmen. Patienten mit Direktaufnahme waren häufiger affektiv erkrankt, waren weniger schwer krank, zeigten selten eine Sprachbarriere und gingen öfter einer Erwerbstätigkeit nach. Bei Patienten, die direkt auf Station aufgenommen wurden zeigten sich mehr Ausschlusskriterien. Die Dauer der StäB-Behandlung unterschied sich in den beiden Gruppen nicht. Direktaufnahmen sind praktikable Maßnahmen um vollstationäre Behandlung zu verhindern.
09:36 Uhr
Städtische und ländliche Zuhause-Behandlung ist hilfreich
H. Assion (Dortmund, DE)
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Autor:in:
H. Assion (Dortmund, DE)
Die Stationsäquivalente Behandlung (StäB) ermöglicht die Akutbehandlung psychisch kranker Menschen im häuslichen Umfeld durch ein multiprofessionelles Team. Mit der Gesetzesänderung 2018, durch die StäB als Alternative zur konventionellen stationären Krankenhausbehandlung angeboten werden konnte, begann die Implementierung von StäB in der LWL-Klinik Dortmund. Es stehen für die StäB aktuell 19 Behandlungsplätze zur Verfügung. Die Behandlung erfolgt durch ein ärztlich geleitetes multiprofessionelles Team an 7 Tagen die Woche. Im Zeitraum 04/2019 bis 09/2020 wurden 156 Patientinnen und Patienten (60% weiblich; Alter 18 bis 86 Jahre) in der StäB der LWL-Klinik Dortmund behandelt. Die häufigste Hauptdiagnose war mit 65% eine depressive Störung (F3), gefolgt von 15% psychotische Störungen (F2) und jeweils " < 10%" Abhängigkeits- und/oder Störungen aus der ICD-10 Kategorie der neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen. Bei über 60% der Betroffenen lagen psychiatrische Komorbiditäten vor, wobei das gesamte Spektrum der psychischen Störungen abgedeckt wurde. Mit 40% lag mehrheitlich eine komorbide Abhängigkeitserkrankung vor. Für die hohe Qualität der StäB spricht der geringe Anteil von ca. 8% der Behandlungen, die zu einer stationären Behandlung führten. Gründe dafür lagen in der mangelnden Absprachefähigkeit der Betroffenen, in akuter Suizidalität bzw. einem Suizidversuch oder einer erforderlichen stationär-somatischen Behandlung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass StäB eine Behandlungsoption für ein breites Patientenspektrum darstellt.