Die Wirksamkeit von Psychotherapieverfahren zur Behandlung depressiver Erkrankungen stagniert seit vielen Jahren. Trotz zahlreicher Neuentwicklungen wie den Methoden der 3. Welle der KVT bleiben die Effektstärken auf moderatem Wirksamkeitsniveau. Wege aus diesem Plateau werden u.a. wie folgt gesucht:
a) Etablierte Standardverfahren werden mit mechanismen-basierten modularen Interventionen integriert. Dabei wird in personalisierter Weise und transdiagnostisch auf individuell dysfunktionale Mechanismen fokussiert. Dieses Vorgehen bietet angesichts der überwiegenden Anzahl komorbid erkrankter Patienten eine höhere Behandlungsflexibilität, individuell auf damit verbundene spezifische Merkmale einzugehen.
b) In sequentielle Therapien, etwa bei akut depressiv Erkrankten mit einer frühen Traumatisierung werden entsprechend dem “stepped-care-Modell“ nach der akuten Depressionsbehandlung weitere, insbesondere die Rückfallgefahr intensivierende Problemfelder in den Fokus genommen. Hier sind beispielsweise Folgen einer Typ II Traumatisierung, interfamiliäre Konfliktkonstellationen oder eine ADHS zu nennen.
c) Durch die Pandemie-bedingten Kontaktbeschränkungen haben Kombinationen von “face-to-face“ Behandlungen mit Online-Komponenten die Erwartung auf verbesserte Therapieeffekte geweckt. Dabei können die inhaltlichen und methodischen Therapiemodule auf verschiedenen Konzepten basieren und miteinander kombiniert werden. So kann die Depressionsbehandlung mit digitalen Behandlungsansätzen für transdiagnostische Targets oder mit dem Einbezug von Angehörigen zur Unterstützung des Behandlungserfolgs kombiniert werden.
08:30 Uhr
Integration mechanismenbasierter modularer Interventionen mit etablierten Psychotherapieverfahren: ein RCT
M. Elsaeßer (Freiburg im Breisgau, DE)
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Autor:innen:
M. Elsaeßer (Freiburg im Breisgau, DE)
S. Herpertz (DE)
E. Schramm (DE)
Obwohl sich störungsspezifische psychotherapeutische Interventionen bei Depression als wirksam erwiesen haben, erreicht die Mehrheit der Patient*innen keine Response/Remission. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass störungsspezifische Manuale wichtige Faktoren wie komorbide Störungen oder transdiagnostische Mechanismen wie frühe Traumatisierungen nicht berücksichtigen, obwohl sie für die Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen zentral sind. Die fortgeführte Entwicklung zusätzlicher störungsspezifischer Manuale verspricht keine Verbesserung der Behandlungswirksamkeit. Stattdessen stellt sich die Frage, wie bereits bestehende evidenzbasierte Ansätze miteinander kombiniert und integriert werden können. In diesem Sinne bietet die modular-basierte Psychotherapie ein Modell unabhängiger und flexibler Therapieelemente innerhalb eines systematischen Behandlungsalgorithmus, um bestehende evidenzbasierte Ansätze zu kombinieren und zu integrieren.
In einer randomisierten kontrollierten Machbarkeitsstudie (feasibility RCT) wurden N=70 ambulante Patient*innen mit episodischer oder persistierender Depression, komorbiden Störungen und frühen Traumatisierungen im Kindesalter in 20 ambulanten Einzelsitzungen mit modularer Psychotherapie oder herkömmlicher Kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) gegen Depression behandelt. Die drei Module der modularen Psychotherapie fokussieren auf transdiagnostische Defizite nach RDoC, die im Zusammenhang mit Kindesmisshandlungen stehen: das System der negativen Valenz, das System der sozialen Prozesse und das Arousal-System. Anhand eines spezifischen fragebogenbasierten Behandlungsalgorithmus werden Elemente aus dem Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP), der Mentalisierungsbasierten Psychotherapie (MBT) und/oder Achtsamkeit (MBCT) für ein personalisiertes modulares Vorgehen integriert.
Als Proof-of-Concept liefert diese Studie erste Evidenz für die Machbarkeit und Wirksamkeit eines modularen Add-on-Ansatzes.
08:52 Uhr
Digitale Interventionen: Welche Komponenten wirken und wann man personalisieren sollte
J. Klein (Lübeck, DE)
09:14 Uhr
Einfluss verschiedener Kontextfaktoren bei internetbasierten Depressionsinterventionen
T. Krieger (Bern, CH)
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Autor:innen:
T. Krieger (Bern, CH)
O. Bur (CH)
S. Moritz (DE)
J. Klein (DE)
T. Berger (CH)
Internetbasierte Selbsthilfeinterventionen für Menschen mit depressiven Symptomen sind wirksam. Allerdings sind die Abbrecherquoten bei Internet-Interventionen in der Regel hoch und die Effektstärken variieren erheblich zwischen den verschiedenen Studien. Diese Unterschiede könnten zum Teil auf verschiedene Kontextfaktoren zwischen den verschiedenen Studien zurückzuführen sein. In der aktuellen Studie wurde untersucht, ob der Kontext der Unterstützung, in den eine Selbsthilfe-Internetintervention eingebettet ist, einen Einfluss auf die Ergebnisse hat. Zu diesem Zweck wurden die Effekte von vier potenziell unterstützenden Kontextfaktoren auf die Ergebnisse und die Nutzung einer internet-basierten Selbsthilfeintervention in einer randomisierten faktoriellen Studie manipuliert und getestet. Zwei Faktoren wurden durch menschlichen Kontakt (Guidance und diagnostisches Interview) und zwei Faktoren ohne menschlichen Kontakt (vorgeschaltetes Modul «motivational interviewing» und automatisierte Erinnerungs-E-Mails) realisiert. Insgesamt wurden 316 erwachsene Personen mit leichten bis mittelschweren depressiven Symptomen (Patient Health Questionnaire-9-Score: 5-14) rekrutiert. Alle Teilnehmer erhielten Zugang zu einer Selbsthilfeintervention, welche sich an einem Problemlösetrainingsansatz orientierte. Die Studienteilnehmer:innen wurden per Zufallsprinzip in die vier experimentellen Faktoren (vorhanden oder nicht vorhanden) eingeteilt, so dass sich ein Design mit 16 Bedingungen ergab. Der primäre Endpunkt waren depressiven Symptome 10 Wochen nach Studienbeginn. Das sekundäre Outcome war die Programmnutzung. Es werden primäre Ergebnisse und sekundäre Mediationsanalysen der Studie vorgestellt und diskutiert und Bezug auf eine aktuelle Meta-Analyse zum Thema genommen.
09:36 Uhr
Internetbasierte Interventionen für Angehörige depressiv Erkrankter zur Unterstützung der Behandlung
N. Zehender (Freiburg im Breisgau, DE)
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Autor:in:
N. Zehender (Freiburg im Breisgau, DE)
Nahestehende Angehörige sind oft eine wichtige Unterstützung für depressiv erkrankte Menschen, dennoch finden sie in der Depressionsbehandlung bisher wenig Berücksichtigung. Die gezielte Einbindung von Angehörigen in die Depressionsbehandlung kann sowohl die Belastung der Angehörigen reduzieren als auch den Krankheitsverlauf der*s depressiv Erkrankten positiv beeinflussen und somit den Behandlungserfolg verbessern. Es liegt Evidenz vor für eine Interaktion zwischen dem Ausmaß an erfahrener Belastung der Angehörigen und einem erhöhten Rückfallrisiko sowie einem chronischen Krankheitsverlauf der*s depressiv Erkrankten. Obwohl der Nutzen von psychoedukativen Angeboten für Angehörige empirisch belegt ist, stehen Angehörigen bisher nur wenige Angebote zur Verfügung. Außerdem sind die wenigen Angebote in den meisten Fällen örtlich und zeitlich festgelegt und daher für viele Angehörige gar nicht oder nur eingeschränkt nutzbar.
Um Angehörigen ein flexibles Unterstützungsprogramm anbieten zu können, wurde ein Online-Selbsthilfeprogramm entwickelt, das aus vier interaktiven Modulen besteht: 1) Psychoedukation, 2) Stärkung der Beziehung zur*m depressiv Erkrankten, 3) Umgang mit depressiven Symptomen im Alltag und 4) Selbstfürsorge.
Im Rahmen eines aktuellen Studienprojekts soll die Wirksamkeit des Online-Selbsthilfeprogrammes in begleiteter sowie unbegleiteter Version im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (TAU), die nur schriftliches Psychoedukationsmaterial erhält, bei 1640 Angehörigen depressiver Menschen untersucht werden.
Das Ziel des Onlineprogramms ist es einerseits die Belastung der Angehörigen zu reduzieren. Gleichzeitig vermittelt es den Angehörigen Wissen zum Krankheitsbild Depression sowie dem alltäglichen Umgang mit depressiven Symptomen, um so den Genesungsprozess der*s Erkrankten zu fördern und Rückfälle vorzubeugen. Erste Ergebnisse werden vorgestellt.