Die seit über zwei Jahren andauernde SARS-CoV-2-Pandemie ist mit zahlreichen psychosozialen Belastungen assoziiert. Zudem folgen auf eine stattgehabte Infektion mit COVID-19-Erkrankung häufig psychische und neurologische Symptome, die im Sinne eines „Long-COVID“ und „Post-COVID-Syndroms“ über mehrere Monate anhalten können. Daher sollen in diesem Symposium sowohl die Folgen der Pandemie als auch spezifisch der COVID-19-Erkrankung dargestellt und diskutiert werden.
Im ersten Vortrag wird Christoph Correll Daten für die deutsche Bevölkerung (N = 16.000 Teilnehmer) aus der weltweit größten internationalen Online-Befragung (03/2022: >175,000 Teilnehmer:innen) zur Belastung durch SARS-CoV-2 vorstellen und insbesondere Daten zu Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf die körperliche und psychische Gesundheit sowie deren Interaktion und Prädiktoren darstellen und diskutieren.
Anschließend wird Lena Jelinek longitudinale Verläufe von Zwangsstörungssymptomen in der Allgemeinbevölkerung sowie deren Prädiktion während der Pandemie mittels behavioraler (u. a. Veränderung des Hygieneverhaltens zu Beginn der Pandemie) sowie kognitiver (wie unrealistischer Pessimismus) Faktoren darstellen.
Im dritten Vortrag wird Christiana Franke die neurologischen und neuropsychiatrischen Manifestationen bei Long-COVID und Post-COVID darstellen und auf pathophysiologische Mechanismen eingehen.
Schließlich wird Katharina Schultebraucks Prädiktoren für psychische Beschwerden nach Hospitalisierung aufgrund einer COVID-19-Erkrankung aus einer Stichprobe des Nationalen Pandemie Kohorten Netzwerks (NAPKON) vorstellen. Zudem wird sie mittels maschinellen Lernens heterogene klinische Symptomcluster diskriminieren.
Zusammenfassend wird unser Symposium klinisch relevante psychische und neurologische Folgen der SARS-CoV-2-Pandemie und der COVID-19-Erkrankung inklusive therapeutischer Implikationen beleuchten.
10:37 Uhr
Die SARS-CoV-2-Pandemie und ihre Folgen für Zwangsstörungssymptome
L. Jelinek (Hamburg, DE)
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Autor:innen:
L. Jelinek (Hamburg, DE)
S. Moritz (Hamburg, DE)
U. Voderholzer (Prien am Chiemsee, DE)
A. Göritz (DE)
J. Müller (Hamburg, DE)
F. Miegel (Hamburg, DE)
A. Yassari (Hamburg, DE)
Zu Beginn der COVID-19 Pandemie wurde aufgrund der Maßnahmen zum Infektionsschutz sowie medialen Omnipräsenz der Infektionsfolgen, eine Zunahme von Zwangsstörungssymptomen erwartet. Um diese Annahme sowie Prädiktoren für die Zunahme zu untersuchen, führten wir zwei Längsschnittstudien durch.
In Studie 1 untersuchten wir Zwangssymptome in der Allgemeinbevölkerung (N=2.255) zu Pandemiebeginn; 3 und 12 Monate später wurden 1.207 bzw. 1.254 Menschen erneut befragen. Für ein Sub-Sample konnten Daten aus 2014 einbezogen werden. In Studie 2 befragten wir Menschen mit Zwangsstörungen (N=268) zu Pandemiebeginn und drei Monate später.
In Studie 1 zeigte sich, dass das Risiko für einen unerwünschten Verlauf von Zwangssymptomen zu Pandemiebeginn für diejenigen erhöht war, die bereits 2014 erhöhte Zwangssymptome hatten. Ferner zeigte sich eine Zunahme von Zwangssymptomen über die ersten 3 Monate der Pandemie mit kleiner Effektstärke (Cohen’s d=0.15), die auch über 12 Monaten erhalten blieb (Cohen’s d=0.13). Eine Zunahme der Dauer (nicht der Häufigkeit) des Händewaschens innerhalb der ersten drei Monate der Pandemie sowie das damit verbundene Ausmaß an negativer Verstärkung prädizierten den Anstieg der Zwangssymptome über 12 Monate.
In Studie 2 berichtete die Mehrheit der Betroffenen über eine Zunahme der Belastung. Diese war bei Menschen mit Waschzwängen im Vergleich zu Menschen mit anderen Zwängen größer (Cohen’s d=0.24). Über die ersten drei Monate der Pandemie zeigten sich Hinweise für eine Abnahme der Symptomatik, jedoch nur bei denjenigen, die keine Waschzwänge aufwiesen (kleine Effektstäken ƞp2=.022-049).
Es zeigte sich ein Anstieg von Zwangssymptomen in der Allgemeinbevölkerung im ersten Jahr der Pandemie, allerdings mit kleiner Effektstärke. In der klinischen Population zeigte sich eine Belastungszunahme bei Menschen mit Waschzwängen. Implikationen des Zusammenhangs zwischen der Änderung des Hygieneverhaltens und Zunahme von Zwangssymptomen werden diskutiert.
10:59 Uhr
Neurologische und neuropsychiatrische Manifestationen bei Long-COVID und Post-COVID-19
C. Franke (Berlin, DE)