Raum:
Saal A4 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 22: Versorgungsforschung und Versorgungsmodelle
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Schwangerschaft und Geburt gehen für Frauen mit psychischen Erkrankungen häufig mit besonderen Herausforderungen einher. Aufgrund psychosozialer Belastungen (z.B. Partnerschaft- oder finanzielle Krisen) erleben betroffene Frauen häufiger ungeplante und ungewollte Schwangerschaften. Ungeplante Schwangerschaften können bei den Frauen sowohl Ängste hinsichtlich möglicher Schädigungen der embryonalen Entwicklung durch Medikamente sowie ambivalente Gefühle in Bezug auf eine Mutterolle auslösen. Zudem erhöht sich nach einer Geburt das Risiko für rezidivierende psychische Krisen.
Ungewollte Schwangerschaften gehen mit der Gefahr eines gesundheitsschädigenden Verhaltens einher, das sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit der betroffenen Frau auswirken und auch die embryonale Entwicklung beeinträchtigen kann. Dabei können sowohl das Austragen wie auch der Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft zu zusätzlichen psychischen Belastungen führen. Hinzu kommt, dass betroffene Frauen im privaten und professionellen Kontext in Bezug auf Kinderwunsch und Schwangerschaft häufig Stigmatisierung erfahren, so dass sie seltener Beratungs- und Unterstützungsangebote im Falle einer ungewollten Schwangerschaft aufsuchen.
Die hohe Prävalenz ungeplanter bzw. ungewollter Schwangerschaften bei psychisch erkrankten Frauen verdeutlicht die Notwendigkeit einer frühzeitigen Berücksichtigung von Familienplanung in der Behandlung und Begleitung von Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen und erfordert eine sorgsame psychopharmakologische Behandlung von Frauen im reproduktiven Alter.
Die Vorträge stellen neue Befunde zur Prävalenz von ungeplanten bzw. ungewollten Schwangerschaften bei Frauen mit psychischen Erkrankungen und zum Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und Schwangerschaft vor. Zudem werden Bedeutung und Möglichkeiten einer geplanten Schwangerschaft sowie therapeutische Ansatzpunkte diskutiert.
17:15 Uhr
Prävalenz ungewollter und ungeplanter Schwangerschaften von Frauen in psychiatrischer Behandlung
S. Jaeger (Ulm, DE)
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Autor:innen:
S. Jaeger (Ulm, DE)
Y. Wessling (DE)
S. Krumm (DE)
Hintergrund: Frauen mit psychischen Erkrankungen sind aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen, aber auch aufgrund sozialer und sozioökonomischer Lebensumstände im Umgang mit reproduktiven Aspekten häufig mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Aus internationalen Studien ergeben sich Hinweise darauf, dass eine psychische Erkrankung das Risiko für ungeplante und ungewollte Schwangerschaften erhöht. Für Deutschland liegen dazu bislang keine Daten vor.
Methode: Im Rahmen der bundesweiten Studie ELSA zu den Lebenslagen und zum Unterstützungsbedarf ungewollt schwanger gewordener Frauen wurden rund 600 Teilnehmerinnen identifiziert, die in den vergangenen 10 Jahren eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen hatten. Sie wurden hinsichtlich des Ausgangs der ungewollten Schwangerschaft sowie zu ihren Unterstützungserfahrungen in der psychiatrischen bzw. gynäkologischen Versorgung befragt.
Ergebnisse: Frauen mit psychischen Erkrankungen weisen im Vergleich zu Frauen ohne psychische Erkrankung keine Unterschiede in der Gesamtzahl der Schwangerschaften auf; allerdings sind ihre Schwangerschaften seltener gewollt bzw. häufiger ungeplant oder ungewollt eingetreten. Der Anteil abgebrochener Schwangerschaften ist bei Frauen mit psychischen Erkrankungen höher als bei Frauen ohne psychische Erkrankungen. In der psychiatrischen Behandlung nehmen die Themen Kinderwunsch und Schwangerschaft wenig Raum ein. Umgekehrt fühlen sich viele Frauen in der gynäkologischen Behandlung bei Fragen im Zusammenhang mit ihrer psychischen Erkrankung und Schwangerschaft unzureichend unterstützt.
Fazit: Die Befunde weisen auf einen bislang zu wenig reflektierten Unterstützungsbedarf von Frauen mit psychischen Erkrankungen im Umgang mit einer ungewollt bzw. ungeplant eingetretenen Schwangerschaft hin. Gleichzeitig deutet sich in den Befunden eine erhebliche Versorgungslücke bei Frauen mit psychischen Erkrankungen im Umgang mit reproduktiven Aspekten an.
17:37 Uhr
Schwangerschaftsabbrüche und psychische Belastung: eine systematische Übersicht
S. Krumm (Günzburg, DE)
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Autor:innen:
S. Krumm (Günzburg, DE)
S. Göbel (Leipzig, DE)
Schwangerschaftsabbrüche und psychische Belastung. Eine systematische Übersicht.
Hintergrund
Der gesellschaftliche Umgang mit Schwangerschaftsabbruch zeichnet sich durch eine wertbesetzte Debatte aus, die sich zwischen den Polen der Abtreibungsgegner („Pro Life“) und der Befürworter eines liberalen Umgangs („Pro Choice“) bewegt. Während Abtreibungsgegner in ihrer Argumentation häufig auf die negativen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs für die psychische Gesundheit verweisen, wird diese Annahme aus der Perspektive der „Pro Choice“ zurück gewiesen. Aufgrund der Tendenz zur politischen Instrumentalisierung dieser Frage ist eine differenzierte Betrachtung der vorliegenden Befunde notwendig.
Methodik
Systematische Literaturübersicht zum Zusammenhang von Schwangerschaftsabbruch und psychischer Belastung.
Ergebnisse
Es wurden 24 Arbeiten zum Zusammenhang von Schwangerschaftsabbruch und nachfolgend psychischen Belastungen identifiziert. Im Ergebnis zeigen die Studien, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht per se mit nachfolenden psychischen Belastungen einhergeht. Dort, wo sich negative Emotionen in Folge eines Schwangerschaftsabbruchs einstellen, nehmen diese im Zeitverlauf ab. Zahlreiche Studien weisen nach, dass psychisch belastete Frauen häufiger Schwangerschaftsabbrüche durchführen lassen und ein höheres Risiko für nachfolgende psychische Belastungen aufweisen.
Fazit
Die Ergebnisse bestätigen frühere Befunde, wonach ein Schwangerschaftsabbruch in der Regel nicht mit negativen Folgen für die psychische Gesundheit einhergeht. Gleichzeitig weist der Befund, dass eine psychische Belastung sowohl einen Prädiktor für Schwangerschaftsabbrüche wie auch für nachfolgende psychische Belastungen darstellt, auf einen besonderen Unterstützungsbedarf von Frauen mit psychischen Erkrankungen hin.
17:59 Uhr
Therapeutisches Drug Monitoring bei Psychopharmaka-Behandlung in Schwangerschaft und Stillzeit
S. Kittel-Schneider (Würzburg, DE)
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Autor:innen:
S. Kittel-Schneider (Würzburg, DE)
A. Leutritz (DE)
A. Gehrmann (DE)
K. Fiedler (DE)
K. Preis (DE)
L. van Braam (DE)
M. Scherf-Clavel (DE)
S. Unterecker (DE)
Einleitung: Bislang gibt es mehrere Studien, die zeigen, dass verschiedene Psychopharmaka in der Frühschwangerschaft hinsichtlich des Fehlbildungsrisikos als sicher gelten können. Die Datenlage zur Stillzeit ist jedoch spärlicher.
Methoden und Stichprobe: Wir untersuchten wie die Veränderungen der Konzentrationen von Antidepressiva während der Schwangerschaft und Stillzeit in Serum und Muttermilch zu verschiedenen Zeitpunkten in einer naturalistischen Stichprobe von 60 Müttern und beobachteten die Entwicklung der exponierten Kinder in den ersten 12 Monaten. Zudem beobachteten wir in einer Fallserie die Schwangerschaft und Stillzeit von drei Patientinnen, die währenddessen eine Lithiummedikation einnahmen und in unseren Spezialsprechstunden behandelt wurden.
Ergebnisse: Wir fanden eine Abnahme der Serumkonzentrationen von den meisten Antidepressiva vom ersten zum zweiten Trimester. Citalopram blieb während der Schwangerschaft relativ stabil, während die Sertralinspiegel interessanterweise vom zweiten zum dritten Trimester wieder anstiegen. Die höchsten Konzentrationen pro Dosis in der Muttermilch wurden für Venlafaxin und Lamotrigin festgestellt, die niedrigsten für Quetiapin und Clomipramin. In ähnlicher Weise zeigten Clomipramin und Quetiapin die niedrigsten Milch/Serum-Penetrationsraten. Hinsichtlich der Geburtsergebnisse und Entwicklung in den ersten 12 Monaten fanden wir keine signifikanten Unterschiede zwischen in utero exponierten und nicht exponierten Kindern. Bei den Lithiumbehandelten Patientinnen konnten wir ähnliche Veränderungen der Lithiumkonzentrationen im Laufe der Schwangerschaft und Postpartum feststellen. Auch hier gab es keine negativen Effekte auf die Entwicklung der Kinder. Schlussfolgerung: Bei der Einnahme von Psychopharmaka in der Peripartalperiode müssen Risiken und Nutzen abgewogen werden, und eine kontinuierliche therapeutische Arzneimittelüberwachung (TDM) kann den Ärzten als wichtige Orientierung für klinische Entscheidungen dienen.