Kinder von alkohol- oder drogenabhängigen Eltern stellen eine Hochrisikogruppe für Entwicklungsstörungen, psychische Erkrankungen und die Entwicklung einer eigenen Suchterkrankung dar. Dazu tragen aktive Konsumphasen der Eltern bei, indem sie die Entwicklung einer stabilen Bindung des Kindes behindern. Für die Eltern selber besteht eine besondere Änderungschance: viele ehemals konsumierende Eltern berichten dass erst Schwangerschaft und Elternrolle sie entscheidend dazu motivierten, den Konsum zu beenden.
Anhand von drei Praxisbeispielen soll beschrieben werden, wie Suchttherapie den Kontext der Kindesfürsorge nutzen kann, um elterliche Stabilität und Abstinenz zu erreichen. Sie beziehen sich auf verschiedene Stadien von der ersten Anbahnung elternspezifischer Unterstützungsformen über ambulante Akuttherapie bis hin zur stationären Rehabilitationsbehandlung.
Dr. Hannah Behrendt (kbo Isar-Amper-Klinikum Region München) wird den theoretischen Hintergrund und die Bedeutung der Entwicklung von Eltern-Kind-Bindung zusammenfassen und bestehende therapeutische Ansätze schildern, wie durch Aufbau von Bindungssicherheit das Risiko der transgenerationalen Weitergabe von Psychopathologien reduziert werden kann.
Anne Koopmann wird das Projekt „Stark im Sturm“ vorstellen, bei dem stationär behandelte psychisch bzw. suchtkranke Eltern niederschwellig beraten und angeleitet werden, wie sie Ihre Elternrolle gut ausfüllen können und welche Unterstützungsmöglichkeiten es für sie gibt.
Ulrich Zimmermann wird Ergebnisse eines am Universitätsklinikum Dresden etablierten Therapieprogrammes berichten, bei dem vorwiegend methamphetaminabhängigen Müttern ambulante Behandlung im Rahmen der psychiatrischen Institutsambulanz angeboten wird.
Prof. Dr. Derik Hermann (Therapieverbund Ludwigsmühle, Landau/ Pfalz) wird kindliche Psychopathologie sowie elterliche Outcomes des Therapieangebotes „Villa Maria“ zur stationären Rehabilitation für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern schildern.
13:30 Uhr
Theoretischer Hintergrund der Entwicklung von Eltern-Kind-Bindung
H. Behrendt (Haar, DE)
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Autor:in:
H. Behrendt (Haar, DE)
Die emotionale Qualität der elterlichen Fürsorge und Eltern-Kind-Interaktion hat einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung einer sicheren Bindung zwischen Kind und primärer Fürsorgeperson, der sog. Bindungsperson – meist der Mutter. Eine sichere Bindung ist Grundbaustein für eine gelungene kindliche Entwicklung.
Bindung beschreibt das emotionale Band (Attachment bond) zwischen Kind und Bindungsperson. Nicht zu verwechseln mit dem Konstrukt Attachment ist die gegenseitige Beziehung zwischen zwei Personen, die hingegen als emotionale Verbundenheit beschrieben wird. Die Bindungstheorie nach Bowlby besagt, dass die Bindung dem Kind als sichere Basis bei Trennung /Belastung und zur Erkundung der Welt dient. Nähe zur Bindungsperson (Bindungsbedürfnis) und Exploration (Autonomiebedürfnis) sichern das Überleben des Kindes. Dabei ist die Bindung Quelle externer Verhaltensregulation. Die kindliche Bedürfnissteuerung erfolgt über zwei biologisch-angelegte Motivationssysteme, das Explorations- und das Bindungsverhaltenssystem. Frühkindliche Bindungserfahrungen prägen die Entwicklung von inneren Arbeitsmodellen, die wiederum späteres Beziehungs- und Fürsorgeverhalten steuern.
Während bei depressiven Müttern bspw. eine reduzierte Feinfühligkeit in ihrem Fürsorgeverhalten festzustellen ist, zeigen deren Kinder in ihrer späteren Entwicklung häufig emotionale und Verhaltensauffälligkeiten (Behrendt et al., 2019).
Der Vortrag adressiert Erkenntnisse der frühen Bindungsforschung nach Bowlby und Ainsworth. Neben Schutz- und Risikofaktoren der Bindungsentwicklung werden Implikationen für psychisch-erkrankte Eltern und deren Therapie diskutiert. Therapeutische Ansätze mit dem Ziel durch Aufbau von Bindungssicherheit das Risiko der transgenerationalen Weitergabe von Psychopathologien zu reduzieren, werden dargelegt. Anschließend wird Ausblick auf das ambulante Therapiekonzept für abhängigkeitserkrankte Eltern in der „Villa“ Schwabing, kbo-Isar-Amper-Klinikum Region München gegeben.
13:52 Uhr
Integriertes Behandlungsangebot "Stark im Sturm" für suchtkranke Eltern minderjähriger Kinder
A. Koopmann (Mannheim, DE)
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Autor:in:
A. Koopmann (Mannheim, DE)
Hintergrund:
In Deutschland leben geschätzt 2,6 Millionen Kinder bei Eltern mit einer Abhängigkeitserkrankung. Der Zugang zu den betroffenen Familien gestaltet sich häufig sehr schwierig. Schuld und Scham der Eltern über das eigene „Versagen“ verhindern, dass sie Unterstützung und Hilfe durch die Umgebung erhalten und zu präventiven Maßnahmen greifen können.
Ziel und Methode:
Das Ziel unseres Projekts ist es, einheitliche, gut vernetzte Versorgungsstrukturen für diese Familien in der Metropolregion Rhein-Neckar aufzubauen um Zugangshemmnisse abzubauen und die betroffenen Familien in vorhandene Hilfen zu bringen. Ein Netzwerk von ca. 70 Kinderbeauftragten ermutigt Erkrankte zur Annahme von Beratungsangeboten oder Hilfen für die Kinder. In enger Vernetzung mit Beratungsstellen werden “in-house” Beratungstermine für betroffene Eltern angeboten, um die Schwelle für die Annahme nachstationärer Hilfen zu senken.
Ergebnisse
In einer Machbarkeitsstudie sollen in der Pilotphase betroffene Eltern, Kinderbeauftragte der Kliniken und allgemein klinisch-tätige sowie Mitarbeitende der psychologischen Beratungsstellen und Jugendämter zu Erfolgsfaktoren und Hindernissen bei der Implementierung befragt werden. Erste Erkenntnisse aus einer Befragung der Kinderbeauftragten und zu den Vermittlungsquoten der Eltern in weiterführende Beratungsangebote zeigen, dass die Implementierung des Systems der Kinderbeauftragten, zu einer erhöhten Zuweisungsquote zu externen Hilfen führt.
Schlussfolgerungen:
Die Implementierung von Kinderbeauftragten in suchtmedizinischen Akutkliniken führt zu einer verbesserten Weitervermittlungsquote der betroffenen Eltern in ambulante Hilfen. Die Arbeit der Kinderbeauftragten im klinischen Alltag kann durch strukturelle und arbeitsorganisatorische Herausforderungen teilweise deutlich erschwert sein. Daher ist es notwendig weitere Daten zu Unterstützungsfaktoren und Hindernissen bei der Implementierung des Kinderbeauftragten-Systems zu erheben
14:14 Uhr
Das ambulante Therapieangebot "Mama denk an mich" für suchtkranke Eltern von Neugeborenen und Kleinkindern
U. Zimmermann (Haar, DE)
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Autor:innen:
U. Zimmermann (Haar, DE)
S. Hahn (DE)
C. Groß (DE)
M. Spreer (DE)
J. Petzold (DE)
M. Krüger (DE)
M. Pilhatsch (DE)
Hintergrund und Fragestellung: Suchtkranke Personen und insbesondere Methamphetamin (MA) -abhängige schwangere Frauen, Mütter und Väter brauchen spezifische Hilfsangebote für sich und ihre Kinder. Am Universitätsklinikum Dresden wurde dazu das interdisziplinäre Programm „Mama denk‘ an mich“ (MAMADAM) ins Leben gerufen, dessen suchttherapeutischer Teil hier vorgestellt wird.
Methoden: Die Therapieaufgaben der Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter werden dargestellt. Spezifisch gehören dazu die MA-spezifische Gruppenpsychotherapie für Schwangere und Mütter, Pharmakotherapie, Einzelpsychotherapie, Vorgehen beim Abstinenznachweis und bei positivem Drogentest, Vermittlung in stationäre Akut- oder Rehabilitationsbehandlung sowie die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern.
Ergebnisse: Von 100 Erstvorstellungen nahmen 84 Patientinnen mehr als 3 Termine wahr, 57 befinden sich in laufender Behandlung oder schlossen diese erfolgreich ab. Die mittlere Therapiedauer lag bei 50 Wochen, beim Vorliegen psychiatrischer Komorbidität 70 Wochen, während ein komorbides ADHS mit häufigeren Therapieabbrüchen assoziiert war. Die Hauptsuchtmittel waren MA (65 %), Alkohol (18 %) und Cannabis (15 %). Komorbide psychiatrische Störungen lagen bei 78 % der Fälle vor, bei 56 % beinhaltete dies auch nicht suchtbezogene Störungen. 71% waren zu Therapiebeginn überwiegend fremdmotiviert, 80% bezogen Arbeitslosengeld II und 38 % waren vorbestraft. 41% waren alleinerziehend und 20% waren wohnungslos.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die behandelte Stichprobe stellt eine hoch risikobehaftete Klientel dar. Dennoch gelang es im ambulanten Setting, den überwiegenden Anteil abstinent in Therapie zu halten. Die ambulante psychiatrische Suchttherapie kann somit für Eltern eine sinnvolle Alternative zur stationären Langzeittherapie darstellen.
14:36 Uhr
Das Therapieangebot "Villa Maria" zur stationären Rehabilitationstherapie für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern
P. Denzer (Landau in der Pfalz, DE)
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Autor:in:
P. Denzer (Landau in der Pfalz, DE)
Das Therapieangebot „Villa Maria“ zur stationären Rehabilitationstherapie für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern
Hintergrund: Kinder von alkohol- oder drogenabhängigen Eltern stellen eine Hochrisikogruppe für Entwicklungsstörungen, psychische Erkrankungen und die Entwicklung einer eigenen Suchterkrankung dar. Unter Drogeneinfluss gelingt es Eltern schlecht, Kinder zu versorgen und sich einfühlsam und angemessen um sie zu kümmern. Kleine Kinder mit behördlichem Zwang von den Eltern zu trennen ist eine große emotionale Belastung für Kinder und Eltern und stellt daher die letzte Möglichkeit dar, die betroffenen Kinder zu schützen. Viel besser ist es, möglichst frühzeitig die Eltern zu befähigen, sich wieder gut um ihre Kinder zu kümmern, und ihre Erziehungskompetenz zu verbessern. Hierzu müssen die Eltern ihren Alkohol- und Drogenkonsum beenden und die Abstinenz aufrechterhalten. Sie müssen lernen, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu erkennen, eine tragbare Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen und die Elternrolle einzunehmen. Viele drogenabhängige Eltern sind damit überfordert und brauchen Hilfe. Genau hier setzt unsere Therapieeinrichtung Villa Maria an.
Zielsetzung: In diesem Vortrag werden die Einrichtung und Therapie der Villa Maria vorgestellt.