Komplexe Behandlungen vom Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen im hohen Lebensalter
Bedürfen spezialisierter Behandlungskonzepte und flexibler Behandlungsstrukturen, um diese für die Betroffenen innerhalb der Gerontopsychiatrie verfügbar zu machen. Ein Beispiel dafür ist die Very late onset schizophrenia like psychosis (VLOSLP), die Schizophrenie mit Erstmanifestation im Alter ab 60 Jahren. Die wissenschaftliche Datenlage zu der Epidemiologie und Symptomatologie im Vergleich zu früher auftretenden Formen ist gering, der klinische Umgang macht eine besondere Umsicht und Expertise bei der Diagnosestellung, komplexen Therapieplanung und medikamentösen Behandlung erforderlich. Durch die stationsäquivalente Behandlung (StäB) können für Menschen mit psychischen Erkrankungen im höheren Lebensalter oft akut notwendige psychiatrisch-psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen im Wohnumfeld unter Einbeziehung des unmittelbaren sozialen und familiären Kontextes multiprofessionell ermöglicht werden. Aus dem klinischen Alltag eines erfahrenen Teams werden konkrete Umsetzungsbedingungen, Hürden, vor allem aber Erfolge dieser gerontopsychiatrischen Behandlungsstrategie insbesondere auch über die Corona-Pandemie hinweg zusammengefasst. Die Erfahrungen aus der Pandemie zu der Umsetzung komplexer Behandlung im stationären und teilstationären Setting, sowie zu dem Schutz gerontopsychiatrischer Patientinnen und Patienten vor Ansteckung in den Strukturen der klinischen Versorgung und stationären Pflege werden zusammengefasst und diskutiert.
16:00 Uhr
Stationär zuhause – oder Gerontopsychiatrie on tour: Chancen und Hürden der StäB bei Menschen mit akutpsychiatrischem Behandlungsbedarf im Alter
T. Herzog (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
T. Herzog (Leipzig, DE)
K. Stengler (Leipzig, DE)
S. Kaehler (Leipzig, DE)
Durch die StäB können für Menschen mit psychischen Erkrankungen im höheren Lebensalter oft akut notwendige psychiatrisch-psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen im Wohnumfeld unter Einbeziehung des unmittelbaren sozialen und familiären Kontextes multiprofessionell ermöglicht werden. Dies entspricht einer jüngsten Forderung der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP) zur Sicherstellung sektorübergreifender, an individuellen Bedarfen orientierter Behandlungsmöglichkeiten inklusive einer kontinuierlichen Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeit für Angehörige. Fast 600 Patienten wurden in Leipzig bisher in den letzten drei Jahren stationsäquivalent behandelt, davon betrafen ca. 40 % der Behandlungen Menschen über 65 Jahren. Aus dem Leipziger Modell werden konkrete Umsetzungsbedingungen, Hürden, vor allem aber Erfolge dieser gerontopsychiatrischen Behandlungsstrategie berichtet. Besonders beeindruckend ist dabei die Steigerung der Fallzahlen über die Corona-Pandemie hinweg. Dies verdeutlicht, wie auch in infektiologisch und personalpolitisch schwierigen Zeiten eine auf Individualität und Sicherheit im Sinne der Betroffenen fokussierte Behandlung realisiert werden kann. Das Leipziger Modell als komplex aufsuchendes Behandlungsangebot im Rahmen der StäB wird durch ein hochflexibles „PIA mobil“-Team ergänzt und damit insgesamt maximal bedarfsangepasst und individualisiert vorgehalten. Die Gesamtkonstruktion soll im Symposium zur interessanten Diskussion anregen.
16:30 Uhr
COVID-19-Infektionen in der Gerontopsychiatrie
T. Ziegler (Berlin, DE)
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Autor:in:
T. Ziegler (Berlin, DE)
Die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen stellt die Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen. Während im Fokus bisheriger Forschung meist affektive Störungen als Folge der COVID-19-Pandemie stehen, werden Patienten mit kognitiven Störungen und Demenzerkrankungen weniger beachtet. Daher sollen in diesem Beitrag anhand einer Literaturübersicht internationaler Fachartikel die Konsequenzen der COVID-19-Pandemie für Menschen mit kognitiven Störungen und Demenzerkrankungen dargestellt werden.
Da Patienten mit Demenzerkrankungen einen erschwerten Zugang zu relevanten Informationen bezüglich der Pandemie haben sowie Schwierigkeiten, Maßnahmen zum Infektionsschutz adäquat umzusetzen, ist das Infektionsrisiko in dieser Patientengruppe deutlich erhöht. Zugleich führt die mit dem Infektionsschutz verbundene soziale Deprivation zu einer Verschlechterung des Kognitionsniveaus und zu einer Zunahme neuropsychiatrischer Symptome. Patienten mit Demenzerkrankungen weisen ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere Erkrankungsverläufe auf. Hinzu kommt das hypoaktive Delir bei Patienten mit einer Demenz als atypische Manifestation einer COVID-19-Erkrankung, was die Diagnosestellung und Einleitung einer Therapie verzögert. Darüber hinaus weisen Patienten mit Demenz seltener typische Leitsymptome wie Husten und Dyspnoe auf, was die Diagnosestellung und Therapie verzögert. Beides wirkt sich negativ auf die Prognose aus.
Im bisherigen Verlauf der Pandemie kam es in Pflegeeinrichtungen zu den meisten COVID-19-assoziierten Todesfällen, in denen zu einem großen Anteil Patienten mit Demenzerkrankungen leben. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gerontopsychiatrischer Patientinnen und Patienten vor Ansteckung. Andererseits sollten die möglichen Folgen der Schutzmaßnahmen gegenüber den Folgen der damit verbundenen sozialen Deprivation sorgfältig abgewogen werden.