Suizidalität in der klinischen/therapeutischen Arbeit stellt eine große Belastung für die Beteiligten dar. Patienten kommen aufgrund einer suizidalen Krise oder eines stattgehabten Suizidversuchs in die Klinik oder in die ambulante Versorgung, aber auch bei vorher nicht suizidalen Patienten kann es im Verlauf der Behandlung/Therapie zum erstmaligen Auftreten suizidaler Gedanken/suizidaler Verhaltensweisen kommen. Das „Worst-Case-Szenario“ für die meisten psychiatrisch/psychotherapeutisch tätigen Mitarbeiter ist der Suizid eines Patienten während der Behandlung. Das Symposium möchte auf den Fokus auf Kliniksuizide lenken. Jährlich nehmen sich ca. 600-700 Patienten während der stationären Behandlung das Leben. Zeit, sich den speziellen Ursachen aber auch den Behandlungsmöglichkeiten zu widmen. Diese reichen umfassen die Erfassung und das Monitoring von Suizidalität, aber auch nicht-bauliche Aspekte. Auch der Umgang der Klinik mit einem Patientensuizid soll thematisiert werden.
Ute Lewitzka und Robert Zappe stellen Ergebnisse einer Befragung psychiatrischer Kliniken zu nicht-baulichen Aspekten der Suiziderfassung sowie den „Dresdner Weg“ - eine standardisierte Erfassung von Suizidalität - sowie erste Erfahrungen mit diesem Projekt vor. Katharina König berichtet unter Berücksichtigung atmosphärischer Wirkungen über bauliche Aspekte der Suizidprävention und stellt die nationale Kliniksuiziddatenbank des Werner-Felber-Institutes vor. Peter Brieger berichtet in seiner Präsentation von den Auswirkungen eines Kliniksuizides sowie dem Umgang damit. Über das erhöhte Risiko nach der stationären Behandlung berichtet Tim Krause und stellt hierzu Ergebnisse des BMG Projektes zur poststationären Suizidprävention vor.
10:15 Uhr
Der Dresdner Weg – Umgang mit Suizidalität in psychiatrischen Kliniken
U. Lewitzka (Dresden, DE)
R. Zappe (Dresden, DE)
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Autor:innen:
U. Lewitzka (Dresden, DE)
R. Zappe (Dresden, DE)
Suizidprävention im Krankenhaus
Einleitung
Jährlich nehmen sich etwa 700 bis 800 Menschen während einer stationären Behandlung in der Psychiatrie das Leben. Die meisten dieser Suizide geschehen während einer Belastungserprobung, aber auch in den Räumen einer Klinik bzw. innerhalb des Geländes kommt es zu Suiziden. Diese sind für das therapeutische Team, für Kollegen anderer Fachdisziplinen, v.a. aber auch für die Anghörigen und HInterbliebenen sowie für die anderen Patienten sehr belastend.
Methode
Der Vortrag möchte einzelne Ergebnisse eines BMG geförderten Projektes zur nicht-baulichen Suizidprävention in psychiatrischen Kliniken wiedergegeben. Im zweiten Teil werden die Möglichkeiten, Standards in die stationäre psychiatrische Versorgung zu implementieren, anhand der Erfahrungen mit dem „Dresdener Weg“ beschrieben.
Ergebnisse
Im Rahmen der Befragung zu nicht-baulichen Maßnahmen war auffällig, dass es in den wenigsten Kliniken einen Standard für das Risiko-Assessment sowie für Maßnahmen bei auftretender Suizidalität gibt. Auch das Vorgehen nach einen schweren Suizidversuch oder Suizid ist sehr unterschiedlich.
Die Einführung einer gewissen Standardisierung bezüglich des Umgangs mit Suizidalität bietet Chancen für eine verbesserte Versorgung. Die Vor -und Nachteile werden erörtert.
Diskussion
Im Gegensatz zu vielen anderen standardisierten Prozessen in deutschen Kliniken ist der Umgang mit Suizidalität wenig durch Vorgaben oder Normen geregelt. Es soll diskutiert werden, inwieweit hier regulatorische Maßnahmen bzw. eine gesetzliche Einflussnahme hilfreich sein könnte, um das Risiko für Suizide zukünftig zu reduzieren.
10:37 Uhr
Bauliche Suizidprävention und heilende Atmosphäre – geht das?
K. König (Dresden, DE)
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Autor:in:
K. König (Dresden, DE)
Die Methodenrestriktion ist ein wesentlicher Bestandteil der baulichen Suizidprävention und kann signifikant zur Reduktion von Suiziden beitragen. Dennoch werden diese Erkenntnisse immer noch viel zu selten in Bauplanungen von psychiatrischen Kliniken berücksichtigt. Wichtig ist, wie diese Maßnahmen gestalterisch ausgeführt werden. Dazu gehören auch atmosphärische Aspekte; zumal zahlreiche Studien die heilsame Wirkung von Architektur auf den Menschen belegen.
Der Vortrag möchte aufzeigen, dass bauliche Suizidprävention nicht im Gegensatz zu einer atmosphärischen Gestaltung steht, sondern diese vielmehr als ein wesentliches Element derselben zu verstehen ist.
Die bauliche Suizidprävention besteht, wie oben ausgeführt, aus zwei Grundbausteinen:
1. Restriktive Maßnahmen
Hierunter fallen z. B. das Entfernen von Wandhaken oder das Sichern von Sturzmöglichkeiten wie Fenstern oder Brücken
2. Atmosphärische Aspekte
Beachtung von guter Belüftung und Belichtung der Station, Vermeiden von Engegefühlen, Einsatz hochwertiger Materialien
In der Regel sind atmosphärische Gestaltungen und restriktive Maßnahmen kein Widerspruch. Deren Einklang ist vielmehr eine zentrale Gestaltungsaufgabe. Falls diese beiden Maßnahmen jedoch im Widerspruch zueinanderstehen, gilt es die Maßnahmen auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu prüfen und entsprechend in Abstimmung mit den Behandlungsteams Entscheidungen zu treffen.
Wichtig ist auch, dass das Normalitätsprinzip eingehalten wird. Das besagt, dass eine Umweltgestaltung möglichst natürlich/normal wirkt und somit keine neuen Hinweisreize erzeugt. Das ist auch deshalb zentral, weil nicht alle Patient*innen in psychiatrischen Kliniken suizidgefährdet sind.
Schlussfolgerung:
Ein Konzept zur baulichen Suizidprävention ist nur dann wirksam, wenn es neben den restriktiven auch die atmosphärischen Maßnahmen einbezieht.
10:59 Uhr
Forschungsprojekt poststationäre Suizidprävention
T. Krause (Halle (Saale), DE)
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Autor:in:
T. Krause (Halle (Saale), DE)
Hintergrund:
Das Suizidrisiko ist in den Monaten nach Entlassung aus stationärer psychiatrischer Behandlung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung statistisch erhöht. Es besteht ein Mangel an systematisch erhobenen Forschungsdaten zur Erfassung der Hintergründe dieses erhöhten Suizidrisikos. Ziel des Forschungsprojekts Poststationäre Suizidprävention (PSSP) ist erstens die Erfassung möglicher beeinflussender Faktoren dieses erhöhten Suizidrisikos und zweitens zu untersuchen, ob ein spezifisches Betreuungssetting dies reduzieren kann.
Methode:
In dieser durch das Bundesministerium für Gesundheit geförderten multizentrischen Pilotstudie besteht neben der üblichen Weiterbehandlung ein gesondertes Betreuungsangebot für Patienten nach Entlassung aus stationärer psychiatrischer Behandlung. Eine Patientengruppe erhält die übliche Weiterbehandlung mit gesonderten Vorstellungsterminen nach den Monaten 6, 12 und 18 im Rahmen der Studie zur Verlaufsevaluation. Eine weitere Patientengruppe erhält engmaschige Wiedervorstellungstermine (Monat 1-6 monatlich, Monat 7-18 2-monatlich). Daten zu Suizidalität, Symptomatik, Psychopathologie, Behandlung und eingetretenen Lebensereignissen werden jeweils erfasst. Im Krisenfall besteht mit Zustimmung des Patienten die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Behandlern.
Ergebnisse:
210 Studienteilnehmer konnten in die Studie eingeschlossen werden. Suizide und Suizidversuche sind nicht nachweisbar bzw. stellen äußerst singuläre Ereignisse dar. Die skalenspezifisch erfasste Suizidalität zeigte sich für beide Studienarme in Anbetracht der Risikogruppe relativ niedrig und ohne signifikante Unterschiede.
Schlussfolgerung:
Es ergeben sich Hinweise, dass ein gesondertes und spezifisches Betreuungsangebot für die Teilnehmenden als sehr hilfreich erlebt wird. Die Ergebnisse zur Suizidalität erscheinen für die Risikogruppe der Studienteilnehmer jeweils vergleichsweise niedrig.
11:21 Uhr
Kliniksuizid: Herausforderungen für Mitarbeiter und Kliniken
P. Brieger (Haar, DE)
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Autor:innen:
P. Brieger (Haar, DE)
S. Menzel (DE)
Kliniksuizide sind eine Herausforderung für Mitarbeiter in Kliniken. Im Vortrag wird dargestellt, wie ein Konzept zum Umgang mit Kliniksuiziden funktioniert, welche Erfahrungen damit gemacht werden und wie dies von den Mitarbeitenden aufgenommen wird. Grundlage ist dabei Menzel S., Brieger P.: Umgang mit Suizid in psychiatrischen Einrichtungen. Psychiatrie Verlag: Köln 2021