In der forensischen Psychiatrie, in der unter spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen eine Behandlung von straffällig gewordenen PatientInnen erfolgt, ergeben sich aus medizinethischer Perspektive häufig ethische Dilemmata.
Beispiele dafür sind die Diskussion über die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen, die Anwendung von Elektrokrampftherapie sowie die Ausgestaltung der Therapie im Rahmen der gerichtlich angeordneten Unterbringung. Diesen Aspekten wird in diesem Symposium nachgegangen werden.
Simone Efkermann wird Ergebnisse einer qualitativ-empirische Studie mit psychiatrisch Professionellen im Maßregelvollzug vorstellen und die Forschungsfrage diskutieren, wie eine klinisch-ethische Entscheidungsfindung von Zwangsbehandlungen zur Erreichung der Entlassungsfähigkeit normativ begründet werden kann.
Christian Prüter-Schwarte wird in seinem Vortrag diskutieren, ob eine Behandlung im Maßregelvollzug eine Chance zur ethischen und moralischen Reifung darstellen kann.
Dirk Hesse wird in seinem Vortrag aus klinischer Perspektive die Anwendung von EKT bei therapieresistenter Schizophrenie anhand eines Fallbeispiels vorstellen und aus medizinethischer Sicht diskutieren.
Anna-Karina Schomburg wird die Ergebnisse einer PatientInnenbefragung über Erfahrungen mit Zwangsbehandlung und -maßnahmen während einer Unterbringung im Maßregelvollzug vorstellen und diese hinsichtlich ihrer medizinethischen Implikationen diskutieren.
13:30 Uhr
Klinisch-ethische Entscheidungsfindung und normative Begründung von Zwangsbehandlungen zur Erreichung der Entlassungsfähigkeit – eine qualitativ-empirische Studie mit psychiatrisch Professionellen im Maßregelvollzug
S. Efkemann (Bochum, DE)
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Autor:innen:
S. Efkemann (Bochum, DE)
M. Scholten (Bochum, DE)
J. Querengässer (Münster/Herne, DE)
B. Schiffer (Münster/Herne, DE)
J. Gather (Bochum, DE)
Hintergrund: Im Maßregelvollzug können unter bestimmten rechtlichen Bedingungen Zwangsbehandlungen zur Erreichung der Entlassfähigkeit durchgeführt werden. In NRW wurde dies bis Ende 2021 gültigen MRVG NRW unter §17a Abs. 2 geregelt. In der vorliegenden Studie sollte die klinisch-ethische Entscheidungsfindung sowie die normative Begründung von Zwangsbehandlungen zur Erreichung der Entlassfähigkeit aus Sicht von psychiatrischen Professionellen untersucht werden.
Methodik: Es wurden vier Fälle in zwei Maßregelvollzugskliniken untersucht, bei denen eine medikamentöse Zwangsbehandlung zu Erreichung der Entlassfähigkeit beantragt wurde. Für jeden Fall wurden zwei Mitglieder des Behandlungsteams, welche entweder an der Entscheidung zur Antragstellung beteiligt oder eng in die Behandlung der untergebrachten Person involviert waren, hinsichtlich des Entscheidungsprozesses und des weiteren Verlaufs des Falles befragt. Die Interviews fanden zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie erneut drei Monate nach erfolgter Erstapplikation des Medikamentes statt. Darüber hinaus wurden die Antragsdokumente sowie Verlaufsberichte zu den jeweiligen Fällen ausgewertet.
Ergebnisse: Die klinisch-ethische Begründungsstruktur der befragten psychiatrischen Professionellen zeigte sich vielschichtig, es wurde unter anderem auf Autonomie, Sicherheit sowie gesundheitliches Wohl rekurriert. Die Entlasssfähigkeit selbst spielte bei der Entscheidungsfindung jedoch eine untergeordnete Rolle, die Möglichkeit der Erreichung eines grundlegenden Krankheitsverständnisses durch die Zwangsbehandlung wurde zudem in Frage gestellt.
Diskussion: In dem Vortrag werden ethische und klinische Implikationen der Ergebnisse für die Praxis von Zwangsbehandlungen im Maßregelvollzug diskutiert.
13:52 Uhr
Therapie im Maßregelvollzug – Chance zur moralisch-ethischen Reifung?
C. Prüter-Schwarte (Köln, DE)
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Autor:in:
C. Prüter-Schwarte (Köln, DE)
Der Maßregelvollzug dient nach deutschem Recht zwei Zielen: Besserung des Täters und Sicherung der Allgemeinheit. Diese Ziele sollen durch eine gesellschaftliche Reintegration und Stabilisierung der Patienten erreicht werden, die letztlich in seiner zukünftigen Freiheit von weiteren Straftaten resultiert. Besserung bedeutet hier Reintegration und Resozialisierung der Patienten. Bedingt dies auch eine Besserung im ethischen Sinn und ist eine Besserung damit erreicht, dass die Patienten sich an gesellschaftliche Normen halten? Der Beitrag will danach fragen ob Besserung nicht auch dem Ziel dienen kann/soll die Patienten zum ethischen Handeln aus intrinsischer Motivation zu bringen und was möglicherweise dabei helfen kann. Die Frage lautet: Kann Therapie im Maßregelvollzug auch moralisch besser machen? Zugleich wird danach gefragt ob ein solches "Erziehungsziel" im Rahmen einer strafrechtlichen Unterbringung ethisch legitim sein kann.
14:14 Uhr
Verwahren oder Zwingen? Medizinethische Fragen der Unterbringung am Beispiel der EKT-Behandlung
D. Hesse (Moringen, DE)
14:36 Uhr
Forensische Psychiatrie im Spannungsfeld zwischen Eigen- und Fremdbestimmung – Ergebnisse einer Befragung von aus dem Maßregelvollzug entlassenen Patient:innen
A. Schomburg (Göttingen, DE)