Einleitung:
Die Versorgungsforschung für und mit psychisch Erkrankte kommt häufig in Grenzbereiche, in denen bei eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen, der Unfreiwilligkeit der Behandlung oder in einer besonderen Lebenssituation klinische und ethische Fragen auftreten. In klinischen Studien werden diese Betroffenengruppen häufig ausgeschlossen. Dadurch kommt es zu einem Mangel an einschlägigen Forschungsprojekten, der sich beispielsweise bei Leitlinienentwicklungen zeigt, indem für die Betroffenengruppen entweder keine Empfehlungen generiert werden oder diese nur auf einer eingeschränkten Evidenzbasis erfolgen. Das Symposium fokussiert auf der Sicht der Versorgungsforscher:innen, um Handlungsfelder für eine Förderung der Versorgungsforschung in diesen besonderen Versorgungssituationen aus ihrer Sicht zu identifizieren und erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Translationalen Netzwerk für Demenz-Versorgungsforschung (TanDem).
Methode:
Dieses Symposium soll vier Bereiche der Versorgungsforschung mit psychisch Erkrankten aus Sicht der Versorgungsforschung darstellen und mit den Kongressteilnehmer*innen kritisch diskutieren. Hierzu sind vier Impulsvorträge vorgesehen, die die Bereiche Maßregelvollzug/Forensik, Unterbringung nach Betreuungsrecht oder den Psychisch-Kranken-Gesetzen, Menschen mit Intelligenzminderung und Demenz-Erkrankte, darstellen. In der Diskussion sollen ethische und fachliche Fragen der Einwilligungsfähigkeit, der Notwendigkeit der Versorgungsforschung und der besonderen Herausforderungen für Projekte der Versorgungsforschung in diesen Bereichen erörtert werden.
Ergebnisse und Schlussfolgerung
Es werden Handlungsfelder aus Sicht der Versorgungsforscher*innen identifiziert, in denen die Versorgungsforschung für und mit psychisch Erkrankte in besonderen Lebenssituationen gefördert werden kann. Diese sollen künftig mit Betroffenen, ihren Angehörigen sowie Professionellen trialogisch diskutiert werden.
10:15 Uhr
Versorgungsforschung im Maßregelvollzug/Forensik
C. Prüter-Schwarte (Köln, DE)
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Autor:in:
C. Prüter-Schwarte (Köln, DE)
Die forensische Psychiatrie und insbesondere ihr klinischer Bereich, der Maßregelvollzug, sind im Hinblick auf Versorgungsforschung noch weitgehend eine terra incognita. Steigende Unterbringungszahlen und Gesetzesreformen belasten die klinische Arbeit des Maßregelvollzugs. Gerade im zentralen Arbeitsbereich der Kriminal- und Gefährlichkeitsprognose fehlen epidemiologische und Verlaufsdaten. Auch zur Effizienz der Therapieprogramme und der Frage, welche Maßnahmen letztlich zu einer Verbesserung der Prognose bei Maßregelvollzugspatienten führen, gibt es keine einheitlichen Daten. Vor dem Hintergrund des Doppelmandates der Besserung und Sicherung und des Anspruchs der Gesellschaft, vor gefährlichen, psychisch kranken Straftätern geschützt zu werden, ist es sowohl fachlich wie ethisch geboten, über die Frage der Effizienz der forensisch-psychiatrischen Arbeit zu forschen.
10:59 Uhr
Versorgungsforschung mit Menschen mit Intelligenzminderung
M. Seidel (Bielefeld, DE)
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Autor:in:
M. Seidel (Bielefeld, DE)
Menschen mit Intelligenzminderung erleben in Deutschland wie anderswo vielfältige Benachteiligungen im Hinblick auf ihre gesundheitliche Versorgung. Darüber ist oft berichtet worden. Auch in der internationalen Literatur liegen solche Mitteilungen vor. In den letzten Jahren haben sich Akteure der Gesundheitsversorgung und die Gesundheitspolitik verstärkt dieser Problematik zugewandt. Die Grundlagen für Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger oder schweren Mehrfachbehinderungen sind geschaffen. Gesetzliche Regelungen für die Assistenz im Krankenhaus wurden getroffen. Die Bundesregierung kündigte einen Aktionsplan für ein diverses und inklusives Gesundheitssystem bis Ende 2022 an.
Die Versorgungsforschung hat sich Menschen mit Intelligenzminderung bislang nur wenig und unsystematisch zugewandt. Sie ist gefordert, differenzierte Analysen vorzulegen sowie partizipativ mit den Patienten Lösungsansätze zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen. Einbezogen werden müssen neben der kurativen Medizin die Rehabilitation und die präventive Medizin. Noch zu wenig ist bekannt über die konkreten Ursachen der verschiedenartigen Versorgungsprobleme sowohl in den Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems als auch in den subjektiven Faktoren, namentlich in Form der mangelhaften Gesundheitskompetenz von Menschen mit Intelligenzminderung. Dies verweist auf die große Verantwortung unterstützender Personen für Wissensvermittlung, Motivation, praktische Hilfestellung usw.
Unter Bezug auf die Abhängigkeit individueller Komorbiditäten und Gesundheitsrisiken von speziellen ätiologischen Hintergründen des jeweiligen Behinderungsbildes einerseits, von Lebensstil und Gesundheitsverhalten andererseits sind differenzierte Zugänge vonnöten, um effektive und effiziente Ressourcenallokation zu fördern. Derartige Forschungen müssen interdisziplinär angelegt sein.