Lernziele: Einblicke in die besondere Situation von An- und Zugehörigen in der forensischen Psychiatrie erhalten; Kennenlernen von Möglichkeiten An- und Zugehörigen den Zugang und die Beteiligung an der Behandlung zu erleichtern; Eigene Erfahrungen im Umgang mit An- und Zugehörigen reflektieren.
Hintergrund: Das Erleben einer Erkrankung betrifft nicht nur die erkrankte Person, sondern die gesamte Familie (Schnepp 2006) und auch in die Krankheitsbewältigung ist die gesamte Familie involviert (Metzing 2007). Dies gilt auch für psychische Erkrankungen.
Die An- und Zugehörigen leiden unter vielfältigen Belastungen, zu denen neben den emotionalen Belastungen, dem Erleben von Ausgrenzung, den eigenen gesundheitlichen Risiken, dem zeitlichen Betreuungsaufwand auch berufliche Nachteile und finanzielle Einbußen gehören können (expl. Bischkopf, & Angermeyer, 2001; Schmid, Spießl, Vulkovich, & Cording, 2003; Wittmund, Nause, & Angermeyer, 2005, Friederich et al 2015, Peukert 2018). Dies gilt auch für An- und Zugehörige von Patientinnen und Patienten im Maßnahme- bzw. Maßregel Vollzug. Darüber hinaus sind Familienmitglieder möglicherweise auch selbst zum Opfer von Gewalt durch ihr erkranktes Familienmitglied geworden, da Gewaltdelikte ganz überwiegend im nahen Umfeld der Täter begangen (Habermeyer et al 2010, Nitschke et al 2011) werden. Hinzu kommt, dass von der ersten stationären psychiatrischen Behandlung bis zur Anlasstat ein Zeitraum von knapp sieben Jahren vergeht (Piontek et al 2013). Das Delikt bringt die Familien in Kontakt mit der Polizei, mit dem Rechtssystem, auch mit (teuren) Anwälten und den Medien, was den psychischen und sozialen Stress noch verstärkt. Insbesondere wenn über ein Anlassdelikt in den Medien berichtet wird, ist dies für die An- und Zugehörigen, die sich ohnehin schuldig und beschämt fühlen, mit noch mehr psychischem Stress verbunden. Viele ziehen sich aus ihren sozialen Kontakten zurück z.B. auch aus Selbsthilfegruppen für Angehörige psychisch erkrankter Menschen aus Furcht vor der doppelten Stigmatisierung. Ablauf und Gestaltung Im Rahmen des Workshops wird die Situation von An- und Zugehörigen forensisch untergebrachter Patientinnen und Patienten näher beleuchtet. Es wird gemeinsam diskutiert wie die Situation dieser An- und Zugehörigen verbessert werden kann und es wird aufgezeigt welche Hilfsmittel dafür bereits existieren.
Literatur Friedrich, F., Gross, R., Wrobel, M., Klug, G., Unger, A.,Fellingeri M., Süssenbacher, S., Freidl, M., Saumer, G. & Wancata, J. (2015) Die Belastung von Müttern und Vätern von Schizophreniekranken. Psychiat Praxis 42:208–215. Habermeyer, E., Wolff, R., Gillner, M., Strohm, R. & Kutscher, S. (2010) Patienten mit schizophrenen Störungen im psychiatrischen Maßregelvollzug. Ergeben sich Konsequenzen für die Allgemeinpsychiatrie? Nervenarzt 81:1117–1124. Jungbauer, J., Bischkopf, J., & Angermeyer, M. C. (2001) Stress of family caregivers of psychiatric patients. Developmental trends, concepts and results of research. Psychiatr Prax, 28: 105-114. Meesmann, G. (2016) Und wo bleiben die Angehörigen? Zur Situation, den Erfahrungen und Reformanliegen von Angehörigen der im Massregelvollzug untergebrachten Patienten. Soziale Psychiatrie 1: 12-15. Metzing, S. (2007) Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige. Erleben und Gestalten familialer Pflege. Bern: Verlag Hans Huber. Nitschke, J., Osterheider, M. & Mokros, A. (2011) Schizophreniforme Erkrankungen, Psychose und Tötungsdelikte: Die Bedeutung sozialtherapeutischer Maßnahmen zur Prävention von Delikten. Psychiat Prax 38: 82–86. Peukert, R. (2018) Die unsichtbaren Angehörigen. Bruder oder Schwester eines psychisch kranken Menschen. Psychiat Praxis 45: 106–110. Piontek, K., Kutscher. S.-U., König, A. & Leygraf, N. (2013) Prädeliktische Behandlungswege schizophrener Patienten der forensischen Psychiatrie Ein Vergleich mit schizophrenen Patienten der Allgemeinpsychiatrie. Nervenarzt 84:55–64. DOI 10.1007/s00115-011-3409-1 Schmid, R., Spießl, H., Vulkovich, A., & Cording, C. (2003) Belastungen von Angehörigen und ihre Erwartungen an psychiatrische Institutionen. Literaturübersicht und eigene Ergebnisse. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 71:118-128. Schnepp, W. (2006) Im Angesicht des Anderen: »Schützen müssen«. Pflege & Gesellschaft, 11: 61-76.