Scham und Schuld stellen funktionale soziale und moralische Emotionen dar, die sich bereits ab dem frühen Kindesalter entwickeln und ein soziales Miteinander ermöglichen (Barrett, 1993; Broucek, 1991; Lewis, 1992). Scham und Schuld begegnen uns jedoch nicht nur im Alltag, sondern selbstverständlich auch in der Psychotherapie – ein Prozess, der ohne Scham und Schuld kaum möglich ist (Lammers, 2018). Während beide Emotionen zunächst adaptiv sind, kann ein Zuviel oder Zuwenig an Scham und/oder Schuld maladaptiv sein (Lammers & Berking, 2018). Unabhängig von vielen einzelnen Störungsbildern, bei denen Scham und Schuld zentrale Symptome darstellen (z. B. Schuldgefühle bei depressiven Episoden im ICD-10), tragen die beiden Emotionen so maßgeblich zur Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen sowie zum Leidensdruck bei (Lammers, 2016, 2020). Aufgrund der Stigmatisierung psychotherapeutischer Hilfe sowie psychischer Störungen und einer befürchteten gesellschaftlichen Ausgrenzung gehen intensives Scham- und Schulderleben häufig auch mit sozialem Rückzug einher. Im Sinne einer Negativspirale trägt dies zu einer weiteren Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens bei (Lammers, 2016, 2020). Im Kontrast zu der zentralen Rolle von Scham und Schuld werden diese jedoch im Rahmen von Psychotherapien häufig nicht bearbeitet oder vermieden, z. B. aus Angst vor einer Schamüberflutung bei Therapeut:in oder Patient:in. Eine Nicht-Bearbeitung kann Behandlungsfortschritte verhindern, zu einer erlebten Invalidierung der Patient:innen führen oder soziale Rückzugstendenzen verstärken (Lammers, 2016, 2020). Insbesondere für Psychotherapeut:innen stellt sich daher die Frage, wie man den beiden Emotionen im Rahmen einer Psychotherapie bestmöglich begegnen kann. Hierbei dient der sensible Moment, in denen Scham oder Schuld aktiviert sind, als Ansatzpunkt für emotionsfokussiertes Arbeiten und das Einüben von Emotionsregulationsstrategien. Die emotionsfokussierte Psychotherapie von Scham und Schuld verbindet verschiedene Psychotherapieschulen und -strömungen, um sich den beiden Emotionen anzunehmen. Den Teilnehmenden dieses Workshops werden neben einem umfassenden Einblick in die aktuelle Forschung auch Fallbeispiele, Arbeitsmodelle und konkrete praktische Interventionen vorgestellt, um den Umgang mit den beiden komplexen Emotionen im Praxisalltag zu erleichtern.