Polypharmazie beginnt lt. WHO ab 5 Medikamenten aufwärts.
Die meisten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die durch Wechselwirkungen bedingt sind, gelten als „vermeidbare Medikationsfehler“ (Hiemke C, Eckermann G, Psychopharmakotherapie 2014; 21:269-279)
In diesem Workshop sollen medikamentöse Kombinationstherapien in Bezug auf Risiken und Fallstricke, aber auch die mögliche erhöhte therapeutische Effizienz dargestellt werden. Es werden Signale diskutiert, die auf die zu erwartenden Interaktionseffekte hinweisen.
Besprochen werden die Auswirkungen, die bei Entzündungsreaktionen generell auf bestimmte Psychopharmaka wie Clozapin und Risperidon entstehen (der sog. „Zytokineffekt“). Dabei wird auch auf die Situation eingegangen, die durch die COVID-19-Pandemie bei mit Psychopharmaka behandelten Patient:innen entstanden ist, sowie auf die Wechselwirkungen mit Medikamenten, die bei COVID-19 eingesetzt werden (Seifert J, Heck J, Eckermann G et al. Nervenarzt 2020; 91: 604-610) und auf die Frage, wie es mit der COVID-19-Impfung bei Patient:innen mit Psychopharmaka steht.
Neu aufgegriffen werden in diesem Workshop die Wechselwirkungen von Psychopharmaka mit Schmerzmitteln. Und ebenfalls neu ist das Thema „Interaktionen von Medikamenten, die bei ADHS-Behandlung zum Einsatz kommen“.
Intensiv und genau werden wir uns einem sehr brisanten Problem widmen, das durch die inzwischen weitgehend bekannte finnische Arbeit von Taipale H. et al., Antipsychotic use and risk of breast cancer in women with schizophrenia: a nationwide nested case-control study in Finland, Lancet Psychiatry 2021 aufgegriffen wurde.
Arzneimittelinteraktionen werden in pharmakokinetische und pharmakodynamische eingeteilt.
Pharmakokinetische Interaktionen entstehen, wenn eine Substanz die Absorption, die Verteilung, den Metabolismus oder die Exkretion eines Medikaments verändert und damit dessen Konzentration am Wirkort erhöht oder senkt. Die meisten pharmakokinetischen Wechselwirkungen finden auf der Ebene der Metabolisierung statt und hier an Enzymen des Cytochrom-P450-Systems (CYP).
Pharmakodynamische Wechselwirkungen entstehen, wenn die kombinierten Substanzen an der gleichen Wirkstruktur oder an funktionell verbundenen Systemen gemeinsam angreifen. So können sich z.B. die Effekte auf die QT-Strecke im EKG durch Quetiapin plus Escitaloram (eine formale Kontraindikation!) zu einem TdP-Ereignis aufsummieren.
Natürlich können auch allgemeinmedizinische oder internistische Medikamente wie die Antibiotika Ciprofloxacin, Clarithromycin oder das Antimykotikum Terbinafin starke pharmakokinetische Effekte triggern.
„Genussmittel“ wie das Rauchen senken die Blutspiegel nicht nur von Duloxetin, Agomelatin oder von Antipsychotika wie Clozapin oder Olanzapin, sondern z. B. auch von Antiparkinsonmedikamenten wie Rasagilin und Ropinirol klinisch bedeutsam.
Es wird auch die Wechselwirkungsthematik zwischen onkologischen und ZNS-Medikamenten besprochen.
Außerdem wird das Kapitel der sog. Prodrugs wie Tramadol, Tamoxifen, Clopidogrel näher angesehen.
Diskutiert werden pharmakogenetische Polymorphismen, ein veränderter pharmakogenetischer Status, wenn man ihn nicht klärt, kann erhebliche Behandlungsrisiken in sich bergen.
Wir kümmern uns um die Probleme und Risiken durch Phytopharmaka und Selbstmedikation (die Hausärzte werden mit Werbung für Phytopharmaka -z.T. auch von Ärzt:innen angepriesen- völlig bagatellisierend „beschossen“), doch diese „Anpreisungen“ sind u.U. ein Hochrisiko-Hazard-Spiel.
Für die Psychopharmakotherapie speziell bedeutsame elektronische Interaktionsdatenbanken werden vorgestellt: www.psiac.de und ein vergleichbar interessantes Programm wie www.mediQ.ch
Wechselwirkungseffekte können auch hilfreich sein, das werden wir diskutieren. Durch Messung der Plasmakonzentrationen durch das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) ist es möglich, die Dosis sehr individuell anzupassen.
Unbedingt geht es in diesem Workshop auch um die Fälle der Teilnehmer:innen, die diese besprechen möchten. Alle Kolleginnen und Kollegen sind aufgefordert, eigene Fälle mitzubringen, die sie als schwierig oder sehr komplex verstehen. Und wir bearbeiten diese Fälle gemeinsam.
Weiterführende Literatur
Hiemke C., Eckermann G., Kombinationstherapie/Polypharmazie: Interaktionen von Psychopharmaka. Psychopharmakotherapie 2014; 21:269-279
Geisslinger/Menzel „Wenn Arzneimittel wechselwirken – wichtige Interaktionen erkennen und vermeiden“. Verlag Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2017.
Interessenkonflikte: Vortragshonorar für Firma Aristo