Inflammatorische Ursachen von psychischen Störungen haben eine lange Historie. Neue Entwicklung in der Erforschung von neuronalen Autoantikörpern haben in den letzten zwei Dekaden zu einem enormen Aufschwung der Thematik geführt. In der Psychiatrie wurden deshalb in der Zwischenzeit internationale Konsensus Kriterien für autoimmune Psychosen definiert. Für Betroffene ergeben sich hierdurch neue Behandlungsmöglichkeiten mit Immuntherapien. Diese Neuentwicklungen werfen aber auch völlig neue Fragen auf. Diesem wissenschaftlichen und klinischen Spannungsfeld widmet sich dieses Symposium aus translationaler Perspektive.
Im ersten Beitrag berichtet K. Bechter über die Entwicklung der von ihm definierten, milden Enzephalitis-Hypothese bis zur Etablierung von internationalen Konsensus Kriterien für autoimmune Psychosen (Pollak,...,Bechter, 2020, Lancet Psychiatry). Hier wird auch auf aktuelle Entwicklungen zu COVID-19 assoziierter Autoimmunität eingegangen. Im zweiten Beitrag berichtet H. Ehrenreich aus grundlagenwissenschaftlicher Perspektive über die Bedeutung von NMDAR1 Autoantikörpern als Modulatoren von Verhalten und Psychopathologie im Rahmen entzündlicher Hirnprozesse in der weißen oder grauen Substanz (Arinrad,...,Ehrenreich, 2021; Mol Psychiatry; Wilke,…,Ehrenreich, 2021, Mol Psychiatry). Im dritten Vortrag stellt D. Endres spannende Fälle von Patienten mit autoimmunen Psychosen, Depressionen und Zwangsstörungen vor (Endres et al., 2022; Biol Psychiatry). Er präsentiert zudem die Befunde aus einer ersten Fallserie von 91 psychiatrischen Patienten mit vermuteter autoimmuner Enzephalitis (Endres et al., 2022, Mol Psychiatry). Schließlich berichtet H. Prüss über die neuesten diagnostischen Pipelines unter Einsatz von monoklonalen Antikörpern zur Detektion neuer Autoantigene (Kreye,...,Prüss, 2020; Cell) und insbesondere über neueste Entwicklungen in der Behandlung autoimmuner Psychosen und Enzephalitiden (Prüss, 2021, Nat Rev Immunol).
17:15 Uhr
Von der milden Enzephalitis-Hypothese zu autoimmunen Psychosen und COVID-19 assoziierter Neuroinflammation
K. Bechter (Günzburg, DE)
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K. Bechter (Günzburg, DE)
Bevorzugte Forschungsstrategien zu den Ursachen häufiger neuro-psychiatrischer Erkrankungen, vor 1900 die Progressive Paralyse und die Tabes, haben sich als überwiegend fehlgeleitet erwiesen, und an sich werden infektiöse Ursachen von Krankheiten generell unterschätzt (Bechter 1995 Hist Psych). Bornaviren haben sich neurdings als Ursache seltener Meningoencephalitiden beweisen lassen, wie aus serologischen und klinischen Daten erwartet, für assoziierte psychiatrische Syndrome liegen ernst zu nehmende Hinweise vor (Bechter 1998). In der milden Enzephalitishypothese wurde ein generelles Szenario milder Enzephalitiden(ME) durch verschiedene Ätiologien, vor allem Infektionen und Autoimmunität, skizziert (Bechter 2001). Mit der Entdeckung von NMDAR-Antikörpern bei paraneoplastischen Enzephalitiden (Dalmau 2007/8) und in jüngerer Zeit vieler weiterer ZNS-Autoantikörper wird eine Subgruppe schwerer psychischer Erkrankungen als Autoimmunenzephalitiden (Graus et al 2016) oder Autoimmunpsychosen (Pollak et al 2020) diagnostiziert, deren Mehrzahl erfolgreich immunmodulatorisch behandelt werden kann. Milde Enzephalitis mit Verhaltensstörungen wurde inzwischen als Tiermodell etabliert, pathogenetisch erklärt durch Autoimmunität auf genetischer Grundlage (Arinrad et al 2021). Im Spektrum affektiver Störungen bei Post-Covid19-Infektionen zeigen MRI-Studien klare wenn auch indirekte Hinweise auf milde Neuroinflammation (Benedetti 2021/22). Bei schweren psychiatrischen Erkrankungen aus dem affektiven und dem schizophrenen Spektrum finden sich gleichermassen sehr häufig leichte Liquorauffälligkeiten, davon auch typisch neuroinflammatorische Befunde ( Bechter et al 2010), die jüngst mehrfach in grossen Patientengruppen ( zB Endres et al 2020) repliziert wurden.
17:37 Uhr
NMDAR1 Autoantikörper und Neuroinflammation – Frage nach Henne oder Ei
H. Ehrenreich (Göttingen, DE)
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H. Ehrenreich (Göttingen, DE)
Encephalitis has an estimated prevalence of ≤ 0.01%. Even with extensive diagnostic work-up, an infectious etiology is identified/suspected in < 50% of cases, suggesting a role for etiologically unclear, non-infectious processes. Mild encephalitis runs often unnoticed, despite slight neuroinflammation detectable post-mortem in many neuropsychiatric illnesses. Autoantibody (AB)-associated encephalitides receive increasing attention, but little is known about the physiological role of these AB or circumstances that may turn them into pathological agents.
Etiology/pathogenesis of ‘anti-N-methyl-D-aspartate-receptor (NMDAR) encephalitis’ and the role of AB in this condition are still obscure. While NMDAR1-AB exert NMDAR-antagonistic properties by receptor internalization, no firm evidence exists to date that NMDAR1-AB by themselves induce brain inflammation. NMDAR1-AB of all classes are highly frequent across mammals with multiple possible inducers/boosters.
We hypothesized that ‘autoimmune encephalitides’ may result from any brain inflammation concurring with the presence of brain antigen-directed AB, e.g. NMDAR1-AB, which are not causal of, but may shape the encephalitis phenotype. Thus, we tested effects of immunization with a ‘cocktail’ of 4 NMDAR1 peptides in 2 different models: (1) Gray matter encephalitis was induced in a spatially and temporally defined sterile manner by diphtheria toxin-mediated ablation of pyramidal neurons (‘DTA’ mice). (2) White matter encephalitis was modeled using Cnp-/- mice, lacking the structural myelin protein 2′-3′-cyclic nucleotide 3′-phosphodiesterase (Cnp), i.e. a myelin abnormality that provokes genetic brain inflammation.
We found that NMDAR1-AB can contribute to the behavioral phenotype of an underlying gray or white matter encephalitis, but we did not see any evidence for induction or amplification of the inflammatory phenotype by AB. In brief, induction of an encephalitis by NMDAR1-AB themselves remains to be proven.
18:21 Uhr
Neue Entwicklungen in der Diagnostik und Behandlung von autoimmunen Psychosen
H. Prüß (Berlin, DE)