Transidente Personen identifizieren sich nicht (gänzlich) mit ihrem Geburtsgeschlecht, d.h. sie erleben eine Diskrepanz zwischen ihrem geschlechtsbezogenen Identitätsgefühl und ihrer körperlich-biologischen Geschlechtszugehörigkeit. Viele transidente Personen streben daher eine geschlechtsangleichende Hormonbehandlung an. Eine wichtige Frage in den Neurowissenschaften ist es, ob Gehirnstruktur und -funktion transidenter Personen eher der Struktur und Funktion von Menschen mit dem eigenen biologischen Geschlecht, oder der mit dem gewünschten Geschlecht ähneln. Befunde aus Querschnittstudien sprechen eher gegen eine binäre Manifestierung von Geschlecht im Gehirn. Langzeitstudien, die den Einfluss körpermodifizierender Hormonbehandlungen berücksichtigen sind nach wie vor selten. Dieses Symposium stellt longitudinale Ansätze vor, mit dem Ziel den Einfluss geschlechtsangleichender Hormonbehandlungen bei transidenten Personen besser verstehen zu können. In einer Multicenterstudie wird untersucht, inwiefern eine hormonangleichende Behandlung Verhalten und dessen neuronale Korrelate beeinflusst. Es werden Daten zur geschlechtsspezifischen Stimmerkennung und -verarbeitung (P. Hüpen; RWTH Aachen) sowie zur geschlechtsspezifischen Wahrnehmung von Gesichtern (C. Lewis; Universitätsklinikum Tübingen) bei transidenten Personen und den Einfluss geschlechtsangleichender Hormone diskutiert. S. Mueller (Universität Gent) wird hirnfunktionelle Korrelate der Emotionsverarbeitung im Verlauf hormonangleichender Maßnahmen präsentieren. Anschließend stellt A. von Klitzing Methoden und vorläufige Ergebnisse zum Einfluss von geschlechtsangleichenden Hormonen auf das Verhalten vor. Abschließend wird D. Turner (Unimedizin Mainz) den Effekt eines veränderten Hormonhaushalts auf das psychische Befinden transidenter Personen diskutieren und einen Überblick über die Entwicklung psychopathologischer Auffälligkeiten und psychischer Störungen im Verlauf einer hormonangleichenden Behandlung geben.
13:30 Uhr
Hirnfunktionelle Korrelate geschlechtsspezifischer Stimmverarbeitung und Gesichtswahrnehmung bei transidenten Personen im Verlauf geschlechtsangleichender Hormoneinnahme
P. Hüpen (Aachen, DE)
C. Lewis (Tübingen, DE)
13:52 Uhr
Emotionsverarbeitung in transgender Menschen vor und nach hormonangleichender Therapie: eine fMRT-Studie
S. Müller (Gent, BE)
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Autor:in:
S. Müller (Gent, BE)
Viele (aber nicht alle) transgender Menschen sind unglücklich über des ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlechtes. Aufgrund dessen leiden viele Betroffene unter Angststörungen, Depressionen oder suizidalen Gedanken. Derzeit sind die Effekte dieser mentalen Probleme auf die darunterliegende Neurobiologie noch wenig bekannt. Noch weniger ist bekannt wie Emotionswahrnehmung durch geschlechtsanpassende hormonelle Behandlung beeinflusst wird. In dieser Studie haben 30 transgender Männer, 30 cisgender Männer und 35 cisgender Frauen an einer funktionalen MRT Studie teilgenommen, in der sie emotionale Gesichter (glücklich, böse, überrascht und neutral) beobachten mussten. Alle Probanden wurden zweimal gescannt: einmal zum Zeitpunkt T0 für transgender Männer vor Beginn der hormonellen Behandlung und während (T1) nach 6 - 10 Monaten Behandlung. Cisgender Probanden wurden auch zweimal im gleichen Zeitabstand gemessen. Hormonelle Behandlung mit Testosteron in transgender Männern verschob das Muster der neuronalen Verarbeitung von Emotionen in die Richtung des identifizierten Geschlechtes in Gehirnregionen wie der Amygdala und des Anterior Cingulate Cortex wohingegen die neuronalen Muster für Cisgenderprobanden mehr oder weniger gleichblieb. Diese Befunde legen einen Einfluss von Testosteron auf die Emotionswahrnehmung dar; gleichzeitig aber öffnen Sie auch die Tür zu vielen weiteren zukünftigen und interessanten Fragen.
14:14 Uhr
Welchen Einfluss haben Sexualhormone auf unser Verhalten? Effekte der Hormontherapie auf die selektive Aufmerksamkeit gegenüber des Kindchenschemas und den parochialen Altruismus bei transgender Proband:innen
A. von Klitzing (Hamburg, DE)
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Autor:innen:
A. von Klitzing (Hamburg, DE)
S. Holtfrerich (DE)
E. Diekhof (DE)
J. Schröder (DE)
J. Fuß (DE)
P. Briken (DE)
Das Sexualhormon Testosteron steht unter Verdacht, eine Reihe von menschlichen Verhaltensweisen zu modulieren. Transgender Personen, die sich einer geschlechtsangleichenden Hormonbehandlung unterziehen, bieten eine einzigartige Gelegenheit, die Auswirkungen radikal veränderter Testosteronspiegel zu untersuchen. In diesem Beitrag werden Methoden und vorläufige Ergebnisse aus zwei kontrollierten Experimenten vorgestellt, in denen der Einfluss von Testosteron auf das Verhalten innerhalb einer Transgender Stichprobe (angestrebtes N = 50; 25 FzM; 25 MzF) beobachtet wird.
Im ersten Experiment geht es um die selektive Aufmerksamkeit gegenüber dem Kindchenschema – ein Mechanismus, der dafür bekannt ist, elterliches Fürsorgeverhalten hervorzurufen. Laut vorheriger Forschung ist der endogene Testosteronspiegel bei cis-Frauen negativ mit der selektiven Aufmerksamkeit gegenüber dem Kindchenschema korreliert. Ein kausaler Zusammenhang konnte jedoch noch nicht nachgewiesen werden. Deswegen untersuchen wir, ob Transgender Personen im Verlauf ihrer geschlechtsangleichender Hormontherapie eine Veränderung in der selektiven Aufmerksamkeit gegenüber dem Kindchenschema aufweisen. Dazu nutzten wir ein computergestütztes Odd-One-Out-Paradigma, das aus Porträts von Säuglingen und erwachsenen Menschen besteht.
Im zweiten Experiment geht es um den parochialen Altruismus - eine weitere Verhaltensweise, die vermeintlich von Testosteron moduliert wird. Parochialer Altruismus ist definiert als selbstloses Verhalten, das nur dann gezeigt wird, wenn es die Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe begünstigt. Bisherige Forschung hat ergeben, dass ein hoher Testosteronspiegel bei cis-Männern in einem kompetitiven Ultimatum-Spielparadigma mit erhöhten Ingroup-Begünstigungen und erhöhter Outgroup-Feindseligkeit assoziiert ist. Auch hier stehen Belege für einen Kausalzusammenhang bislang aus, weswegen wir diesen Effekt in der oben beschriebenen Transgender Stichprobe untersuchen wollen.
14:36 Uhr
Psychische Gesundheit und psychopathologische Auffälligkeiten vor und nach hormonangleichender Therapie
D. Turner (Mainz, DE)