Raum:
Saal A4 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 08: Störungen mit enger Beziehung zum Kindes- und Jugendalter, F7–9
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Die ADHS ist die häufigste entwicklungspsychiatrische Erkrankung und persistiert bei ca. 60% der Betroffenen ins Erwachsenenalter. Diese Erkrankung hat eine sehr hohe Heritabilität und Risikogenvarianten spielen eine entscheidende Rolle in der Ätiopathogenese. Es gibt Hinweise dafür, dass eine Behandlung der ADHS die Prognose deutlich verbessert. Allerdings respondieren zwar bis zu 70% der Kinder, aber nur ca. 50% der Erwachsenen auf eine Therapie mit den aktuell erhältlichen Medikamenten. Um weitere Behandlungsoptionen und ggf. auch präventive Maßnahmen zur Reduktion der Komorbiditäten zu finden, müssen aber zunächst die neurobiologischen Mechanismen der Erkrankung besser verstanden werden. Anhand von Tier- und Zellmodellen kann die Funktion der bisher identifizierten Risikogenvarianten aufgeklärt werden. Zudem können hier Umwelt- und Entwicklungsfaktoren nachmodelliert werden um wichtige Krankheitsmechanismen auf zellulärer Ebene besser zu verstehen und damit dann auch neuartige Therapieoptionen entwickeln und dafür screenen zu können. In unserem Symposium werden die bisher generierten humanen Zellmodelle der ADHS vorgestellt und zukünftige Potentiale dieser erläutert. Desweiteren wird anhand der aktuellen Befunde zu Cadherin-13 Genvarianten als Risikogen für ADHS im Zell- und Tiermodell dargestellt, wie genetische Varianten zur Entwicklung einer ADHS, aber auch zu den assoziierten somatischen und psychischen Komorbiditäten beitragen könnten. Bezüglich neuerer nicht-medikamentöser Therapieoptionen, welche zum Teil aus Befunden der grundlagenwissenschaftlichen Studien entwickelt wurden, stellen wir zum einen das Potential von Diagnostik- und Behandlungsverfahren vor, die mit virtueller Realität arbeiten. Zum anderen diskutieren wir den Nutzen von Hirnstimulationsverfahren wie rTMS, tDCS und tACS in der Therapie der ADHS.
13:30 Uhr
Das Gehirn in der Zellkulturschale? Zellmodelle der ADHS
S. Kittel-Schneider (Würzburg, DE)
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Autor:innen:
S. Kittel-Schneider (Würzburg, DE)
R. McNeill (DE)
F. Radtke (DE)
M. Nieberler (DE)
V. Palladino (DE)
T. Kranz (DE)
D. Haslinger (DE)
A. Chiocchetti (DE)
K. Günther (AT)
A. Reif (DE)
O. Brüstle (DE)
Hintergrund: Sowohl häufige Genvarianten wie Einzelbasenpolymorphismen (SNPs) im ADGRL3 Gen als auch seltenen Genvarianten wie Kopienzahlvarianten (CNVs) im PARK2 Gen wurden als assoziiert mit der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gezeigt. Ziel unserer Pilotstudien ist es, potentielle pathomechanistische Einflüsse von ADGRL3 SNPs und PARK2-CNVs auf die ADHS in humanen Zellmodellen zu untersuchen. Methoden: Wir untersuchten zum einen Genexpression in Fibroblasten, humanen induzierten Stammzellen (hiPSC) und daraus differenzierten Neuronen von ADHS-PARK2-Deletions- und -Duplikationsträgern mittels im Vergleich zu gesunden und ADHS-Zelllinien ohne PARK2 CNVs. Zusätzlich wurde ATP und ROS Konzentration und basale Sauerstoffverbrauchsraten gemessen sowie die Mitochondrienmorphologie untersucht. Im ADGRL3 Zellmodell untersuchten wir Hinweise auf eine alterierte neuronale Entwicklung und neuronale Funktion mit Gen- und Proteinexpression und Calcium Imaging. Ergebnisse: Zu Beginn gab es bei Fibroblasten, hiPSC und neuronalen Zellen keine signifikanten Unterschiede in der Genexpression nach Korrektur für multiples Testen. Nach Nährstoffentzug in Fibroblasten war die Expression der NQO1 bei PARK2 CNV-Trägern signifikant erhöht. In einer multivariaten Analyse wurde UBC in Fibroblasten von PARK2 CNV-Trägern signifikant hochreguliert. Die RNA-Sequenzierungsanalyse von DNs zeigte die stärkste signifikante unterschiedliche Regulierung bei Neuronatin zu Beginn und nach Nährstoffentzug. Auch gab es Hinweise für eine veränderten Energiestoffwechsel im PARK2 Zellmodell und eine veränderte neuronale Entwicklung im ADGRL3 Zellmodell. Schlussfolgerung: Unsere vorläufigen Ergebnisse deuten auf eine Beteiligung in Signalwegen hin, die mit oxidativem Stress, Ubiquitin-Proteasom, Immunität, Entzündung, Zellwachstum und -differenzierung, Erregungs-/Hemmungsmodulation und Energiestoffwechsel assoziiert sind in der Entstehung der ADHS.
13:52 Uhr
Die Rolle des cerebralen Glukosestoffwechsels bei der ADHS
G. Ziegler (Würzburg, DE)
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Autor:in:
G. Ziegler (Würzburg, DE)
Die Ausbildung der exekutiven Funktionen in der postnatalen Entwicklung geht mit energieaufwendigen Prozessen zunächst des axonalen Aussprossens und später dem gezielten Abbau von Synapsen einher. Dementsprechend korreliert die Höhe des cerebralen Glukoseverbrauch zeitlich gut mit kortikalen Reifungsprozessen. Wiederholt wurde in der Vergangenheit ein zentrales energetisches Defizit bei der ADHS als möglicher pathophysiologischer Mechanismus diskutiert und einige Risikogene sind regulierend an zellulären Stoffwechselprozessen beteiligt. Eine Duplikationsvariante des SLC2A3 Gens, das für den wichtigsten neuronalen Glukosetransporter GLUT3 kodiert, ist auf kategorialer Ebene mit ADHS assoziiert und zeigt auch einen Zusammenhang mit intermediären Phänotypen der Antwortinhibition und des Arbeitsgedächtnisses. Die SLC2A3 Kopienzahlvarianten (CNVs) gehen mit einem Gendosiseffekt einher. Unsere aktuellen Untersuchungen in induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs), die von Probanden mit SLC2A3 Kopienzahlvarianten (CNVs) gewonnen wurden, weisen auf metabolische Alterationen hin. Durch RNA Sequencing wurde bei iPSCs mit SLC2A3 CNVs durch GSEA ein reduziertes Expressionsniveau des PI3K/Akt Pathways sowie von Genen, die für die Axonführung von Bedeutung sind, gefunden. Unter den genomweit signifikant differentiell regulierten Einzelgenen stechen Gene hervor, die ebenfalls durch PI3K/Akt sowie NOTCH reguliert werden und eine Rolle für die Neurogenese spielen, wie z.B. NOTCH2NL, ATOH1, ID3 und INPP5D. Wir werden daher im iPSC-basierten neuronalen Zellmodell weiter der Hypothese nachgehen, dass SLC2A3 CNVs nicht nur durch einen direkten Einfluss auf den neuronalen Glukosestoffwechsel sondern auch durch komplexe Anpassungs- und Kompensationsvorgänge in nachgeschalteten Signalkaskaden die Neurogenese in empfindlichen Entwicklungsphasen beeinflussen können.
14:14 Uhr
Virtuelle Realität in der Erforschung, Diagnostik und Behandlung der ADHS
N. Braun (DE)
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Autor:innen:
N. Braun (DE)
B. Selaskowski (DE)
A. Wiebe (DE)
K. Kannen (DE)
B. Aslan (DE)
S. Lux (DE)
A. Philipsen (DE)
Obwohl Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität Kernsymptome der ADHS sind, lassen sich diese Symptome häufig nicht durch gängige neuropsychologische Verfahren nachweisen oder therapieren. Mitursächlich hierfür ist vermutlich die geringe ökologische Validität derzeit existierender neuropsychologischer Verfahren. Abhilfe könnte jedoch virtuelle Realität (VR) bieten, die es ermöglicht, realitätsnahe und symptomrelevante Testumgebungen zu kreieren, die dennoch experimentell kontrollierbar bleiben. Inspiriert von virtuellen Klassenzimmern für Kinder mit ADHS, wird in diesem Talk ein virtueller Seminarraum (VSR) für Erwachsene mit ADHS vorgestellt, in welchen die Versuchspersonen eintauchen, um eine Continuous Performance Task (CPT) zu verrichten, während gleichzeitig verschiedene ablenkende Ereignisse abgespielt werden. Konkret werden die Ergebnisse (u.a. behaviorale Testleistungen, experience sampling, EEG Parameter, Kopfbewegungen/-rotationen und Blickverhalten) dreier Studien vorgestellt, in denen der VSR sowohl für eine multimodale Charakterisierung als auch Behandlung von ADHS-PatientInnen erprobt wurde: In Studie I (n=26) wurde das VSR Szenario an gesunden Personen auf seine generelle Anwendbarkeit hin überprüft; in Studie II (n= 75) wurde untersucht, inwieweit der VSR zwischen medizierten Patienten mit ADHS, unmedizierten Patienten ohne ADHS und gesunden Personen diskriminieren kann; und in Studie III (n=36) wurde ein im VSR stattfindendes „Gaze-based Attention Refocusing Training“ für ADHS-Patienten auf seine generelle Wirksamkeit hin überprüft.
14:36 Uhr
Hirnstimulationsverfahren in der ADHS-Behandlung
M. Strauß (Leipzig, DE)
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Autor:in:
M. Strauß (Leipzig, DE)
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine häufige neurologische Entwicklungsstörung, welche durch die Kernsymptome Aufmerksamkeitsstörung, motorische Hyperaktivität und Impulsivität charakterisiert ist. Mittlerweile wissen wir, dass mit einer Prävalenz von 2,8% für Erwachsene, ADHS auch außerhalb des Kindes- und Jugendalters eine große Rolle spielt.
Die medikamentöse Behandlung erfolgt in der Regel mit Psychostimulanzien. Leider sprechen bis zu 30% der behandelten Patienten nicht ausreichend auf die Medikation an, oder entwickeln nicht tolerierbare Nebenwirkungen. Hieraus ergibt sich der dringende Bedarf für die Entwicklung alternativer Behandlungsoptionen.
In den letzten Jahren haben sich nichtinvasive Stimulationsverfahren wie die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) oder die repetitive Magnetstimulation (rTMS) in der Behandlung anderer psychischer Störungen, wie der Depression, als wirksam erwiesen. Über die Wirksamkeit von Hirnstimulationsverfahren bei ADHS, vor allem bei Erwachsenen Betroffenen, gibt es jedoch nur wenige Untersuchungen. Im Rahmen dieses Vortrages soll der aktuelle Stand der Literatur beleuchtet werden und über die zukünftige Rolle von Hirnstimulationsverfahren in der ADHS-Behandlung diskutiert werden.