Wenn man von psychosozialen Therapien spricht, so verbergen sich darunter sehr viele und verschiedene Ansätze. Gleichwohl sind psychosoziale Therapien ein zentraler Behandlungsbaustein für schwer psychisch kranke Menschen neben somatischen und psychotherapeutischen Interventionen und für den Recovery-Prozess von großer Bedeutung. Das Symposium gibt eine Übersicht, was gegenwärtig alles zu den psychosozialen Interventionen zählt und verortet die verschiedenen Interventionen in einem Recovery-orientiertem Modell psychosozialer Versorgung. Kaum eine Behandlung schwer psychisch kranker Menschen kommt z.B. ohne Psychoedukation aus. Andere psychosoziale Interventionen wie z.B. Interventionen zur Gesundheitsförderung sind weit weniger etabliert. Deshalb wird in diesem Symposium der Frage nachgegangen, was Behandler und Betroffene über psychosoziale Therapien wissen. Dabei werden die Ergebnisse einer Befragung von Behandlern und Behandlerinnen vorgestellt. In einem weiteren Vortrag wird beleuchtet, was Patientinnen und Patienten über psychosoziale Therapien wissen, welche sie kennen und an welchen sie gegebenenfalls schon teilgenommen haben. Es wird deutlich, dass es hier Informationsbedarf gibt und es wird sowohl auf eine manualisierte Informationsveranstaltung für Menschen mit schweren psychischen, als auch auf einen online-basierten Wissensspeicher (www.Thera-Part.de) verwiesen. Schließlich wird der Frage nachgegangen, ob sich das Wissen über psychosoziale Therapien bei den Betroffenen verbessern lässt. Grundlage hierfür bilden die Ergebnisse der Implementierungsstudie IMPPETUS.
15:30 Uhr
Psychosoziale Therapien – was gehört dazu? Ein Recovery-orientiertes Modell psychosozialer Versorgung
U. Gühne (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
U. Gühne (Leipzig, DE)
T. Becker (Leipzig, DE)
S. Weinmann (Berlin, DE)
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
Gegenstand der diagnoseübergreifenden S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ der DGPPN sind die verschiedenen psychosozialen Therapien, die neben den somatischen und psychotherapeutischen Ansätzen in der Behandlung von Menschen mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, bipolaren Erkrankungen und anderen schweren psychischen Erkrankungen eine zentrale Rolle spielen. Diese Therapien zielen darauf ab, die individuellen Möglichkeiten der Betroffenen für ein selbst bestimmtes Leben zu erweitern sowie Gesundheit, Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern. In der Leitlinie wurden diese erstmals für den deutschsprachigen Raum systematisiert und mit wissenschaftlicher Evidenz untermauert. Folgte man in der Leitlinie bisher einem pragmatischen Ansatz, mit dem zwischen System- und Einzelinterventionen, Selbsthilfeansätzen und grundlegenden Aspekten psychosozialen Handelns unterschieden wurde, wird man in der 3. Auflage dem Recovery-Gedanken stärker folgen und den Menschen mit seinen individuellen Bedarfen, Zielen und Teilhabebestrebungen in den Mittelpunkt stellen. Ausgehend vom Recovery-Ansatz und seinen verschiedenen Dimensionen werden die psychosozialen Interventionen in einem Recovery-orientierten Modell der psychosozialen Versorgung verortet. In der geplanten Neuauflage der Leitlinie werden sich die Empfehlungen zu psychosozialen Therapien und zur Förderung von Selbsthilfe an den im Modell definierten Recovery-Dimensionen und ihren zugrundeliegenden Zielen, Wünschen und Bedarfen der Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen orientieren. Im Symposium wird das Modell vorgestellt.
15:52 Uhr
Was wissen Behandler über psychosoziale Therapien? Ergebnisse einer Befragung
G. Gaigl (Augsburg, DE)
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Autor:innen:
G. Gaigl (Augsburg, DE)
E. Täumer (DE)
K. Merz (DE)
S. Zöscher (DE)
S. Wagner (DE)
M. Kösters (DE)
P. Falkai (DE)
S. Leucht (DE)
A. Hasan (Augsburg, DE)
Es existiert ein breites Spektrum evidenzbasierter psychosozialer Therapien – insofern können Leitlinien Orientierung für Behandler:innen bieten. Die Implementierung von evidenz- und konsensusbasierten Leitlinien in der psychischen Gesundheitsversorgung stellt jedoch nach wie vor eine große Herausforderung dar.
Mittels einer online Umfrage wurde der Implementierungsstatus sowie die Barrieren bei der Inanspruchnahme der aktuellen S3-Leitlinie für Psychosoziale Therapien aus Sicht von Behandler:innen untersucht. Der Fragebogen wurde an 100 Kliniken für Psychiatrie und Psychosomatik und 52 Fachgesellschaften der psychiatrischen Versorgung in Deutschland verschickt (Erhebungszeitraum: 10/2019-01/2020).
Von den teilgenommenen 657 Fachkräften der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung war sich weniger als die Hälfte (47%) der Teilnehmer:innen der Existenz der Leitlinie für Psychosoziale Therapien bewusst. 18% gaben an, sich bei der Behandlung an der aktuellen Leitlinie für Psychosoziale Therapien zu orientieren. Zudem wiesen Mediziner:innen höhere Kenntnisraten der Leitlinie auf als psychosoziale Therapeut:innen und Pflegekräfte und des Weiteren höhere Anwendungsraten als Psycholog:innen/Psychotherapeut:innen und Pflegekräfte. Hinsichtlich der Barrieren konnte ermittelt werden, dass Ärzt:innen in geringerem Ausmaß wissensbasierten Barrieren (z. B. mangelnde Kenntnis der Leitlinien) ausgesetzt waren, während bei verhaltensbezogenen Barrieren (z. B. lange Versionen) keine Unterschiede zwischen den Berufsgruppen identifiziert werden konnten.
Unsere Ergebnisse implizieren, dass die Umsetzung von Leitlinien abhängig von der Berufsgruppe variiert und folglich die Profession als mögliche Barriere bei der Leitlinienimplementierung in Betracht gezogen werden sollte. Zielgerichtete und professionsspezifische Implementierungsstrategien sollten daher Anwendung finden, um eine wachsende Kluft bei der Einhaltung von Leitlinien zwischen den Gesundheitsberufen zu verhindern.
16:14 Uhr
Was wissen Patienten über psychosoziale Therapien?
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
T. Becker (DE)
M. Kösters (Günzburg, DE)
A. Hasan (Augsburg , DE)
U. Gühne (Leipzig, DE)
Psychosoziale Therapien sind zentraler Behandlungsbaustein für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und für den Recovery-Prozess von großer Bedeutung. Wenn man von psychosozialen Therapien spricht, so verbergen sich darunter sehr viele verschiedene Ansätze. Manche psychosozialen Interventionen, wie zum Beispiel die Psychoedukation, sind weit verbreitet. Andere Ansätze, wie Interventionen zur Gesundheitsförderung sind weit weniger etabliert. Im Vortrag wird der Frage nachgegangen, was Patientinnen und Patienten über psychosoziale Therapien wissen. Die Ergebnisse speisen sich aus dem IMPPeTuS-Projekt; hier wurden in einer Studie, die vom Innovationsfonds des GBA gefördert wurde, 397 Patientinnen und Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen zum Wissen und zu den Einstellungen zu psychosozialen Therapien befragt. 40 Prozent der Befragten gaben an, den Begriff „Psychosoziale Therapien“ zu kennen. Es wird deutlich, dass Ergotherapie, die Sport- und Bewegungstherapien sowie die Künstlerischen Therapien am häufigsten bekannt sind. Interventionen aus den Bereichen gemeindepsychiatrischer Behandlung und Teilhabe an Arbeit sind vergleichsweise seltener bekannt. Der Informationsstand von Patienteninnen und Patienten zu psychosozialen Therapien ist verschieden. Es wird deutlich, dass es Informationsbedarf gibt. Die Disseminationsprodukte der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“, wie der onlinebasierte Wissensspeicher „www.Thera-Part.de“ als auch eine manualisierte Informationsveranstaltung mit Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen kann hier gute Dienste leisten. Im Zuge des gerade anstehenden Updates der oben genannten Leitlinie werden auch diese Materialien überarbeitet.
16:36 Uhr
Können wir die Leitlinie für psychosoziale Therapien für Patienten besser nutzbar machen?
M. Kösters (Günzburg, DE)
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Autor:innen:
M. Kösters (Günzburg, DE)
U. Gühne (Leipzig, DE)
T. Becker (Günzburg, DE)
A. Hasan (Augsburg, DE)
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
J. Breilmann (DE)
Im Vortrag wird der Frage nachgegangen, ob bzw. wie man die Leitlinien für die PatientInnen besser nutzbar machen kann. Es werden Daten aus dem Projekt IMPPETUS vorgestellt, welches zum Ziel hatte, Wissenslücken hinsichtlich der Umsetzung der Leitlinie und insbesondere der dazugehörigen Patientenleitlinie zu schließen. Die IMPPETUS Studie hat u.a. in einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie mit mehr als 350 PatientInnen überprüft, ob eine strukturierte multimodale Implementierung der Patientenversion der S3-Leitlinie »Psychosoziale Therapien« einen positiven Effekt auf das Empowerment von Patentinnen und Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen in Bezug auf psychosoziale Therapieangebote hat (primäres Outcome) und sich dadurch Lebensqualität, Behandlungszufriedenheit oder die klinische Symptomatik positiv beeinflussen lassen (sekundäre Outcomes).