17:15 Uhr
Research Domain Criteria (RDoC) und ihr Zusammenhang zur Krankheitsschwere
B. Förstner (Potsdam, DE)
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Autor:innen:
B. Förstner (Potsdam, DE)
M. Tschorn (Potsdam, DE)
S. Böttger (Potsdam, DE)
M. Rapp (Potsdam, DE)
Einleitung: Im Zuge der Weiterentwicklung der Taxonomie psychischer Störungen durch den RDoC-Ansatz des NIMH (Insel et al., 2010) wurde innerhalb des deutschen BMBF-Forschungsnetz „Psychischer Erkrankungen“ (Bauer et al., 2016) ein modularisiertes Tool (PD-CAN) entwickelt um eine domänenspezifische, phänotypische Erfassung nosologieübergreifender Konstrukte in einem heterogenen Störungsspektrum zu ermöglichen. Anhand von behavioralen und self-report Assessments werden in PD-CAN diagnoseübergreifend die Domänen ‚Positive Valence Systems‘ (PVS), „Negative Valence Systems‘ (NVS), ‚Cognitive Systems‘ (CS) und ‚Social Processes‘ (SP) erhoben.
Methoden: Anhand einer Konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA) wurde die im RDoC-Ansatz postulierte Domänenstruktur an einer heterogenen Stichprobe gesunder und psychisch kranker Probanden (N=1431) überprüft. Zusammenhänge der Faktoren zur diagnoseübergreifenden Krankheitsschwere werden mittels Generalisierten Linearen Modellen (GLM) ermittelt.
Ergebnisse: Spezifische Domänen wie PVS, NVS, CS und SP können mit dem modularen PD-CAN-Fragebogen abgebildet werden. Es entsteht ein erster Blick auf die latente Struktur der vier untersuchten Domänen. Zudem kann deren Beziehung zur Krankheitsschwere gezeigt werden.
Fazit: Etablierte neuropsychologische Testverfahren und Selbstberichtfragebögen können zur effizienten Erhebung von Domänen des RDoC-Ansatzes verwendet werden. Die faktorielle Struktur der Domänen gibt Hinweise auf deren Einfluss auf die diagnosespezifische Krankheitsschwere. Dies eröffnet weitere Ansätze zu nosologieübergreifenden Konstrukten psychischer Erkrankungen.
17:30 Uhr
Persönlichkeitsfunktion als transdiagnostisches Konstrukt in HiTOP – eine Bass-Ackwards-Analyse auf Basis ambulatorisch erfasster Daten
A. Kerber (Berlin, DE)
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Autor:innen:
A. Kerber (Berlin, DE)
P. Heim (DE)
I. Beintner (DE)
J. Ehrenthal (DE)
J. Zimmermann (DE)
C. Knaevelsrud (Berlin, DE)
Hintergrund: Die Hierarchische Taxonomie der Psychopathologie (HiTOP) ordnet Phänotypen psychischer Störungen auf der Grundlage empirischer Kovariation und bietet damit ein empirisch begründetes hierarchisch-dimensionales Klassifikationssystem, welches von eng gefassten Symptomen bis hin zu umfassenderen Mustern der Psychopathologie reicht. Seit der Einführung der dimensionalen Erfassung von Funktionseinschränkungen der Persönlichkeit (PF) in DSM-5 und ICD-11 haben eine Reihe von Studien PF als transdiagnostisch wirksam und prediktiv für Verlauf und Veränderung von Psychopathologie identifiziert. Die Rolle von PF im HiTOP-Klassifikationssystem ist noch nicht ausreichend untersucht. Ziel unserer Studie herauszufinden, inwieweit sich das HiTOP-Modell empirisch replizieren lässt und wo in einer exploratorisch aufgebauten hierarchisch-dimensionalen Struktur der Psychopathologie Funktionseinschränkungen der Persönlichkeit zu verorten sind.
Methode: Auf Basis von Daten über psychopathologische Symptome (z.B. Antriebslosigkeit) und PF (z.B. Affektkommunikation) von N= 9400 Usern einer Mental Health App (MindDoc) rechneten wir hierarchische Hauptkomponentenanalysen (Bass-Ackwards-Methode). Darauf aufbauend untersuchten wir Faktoren auf höherer und niedrigerer Ebene im Vergleich zu PF auf deren Prädiktivität im Bezug auf zukünftige Psychopathologie.
Ergebnisse: Die Ergebnisse bestätigen größtenteils die Gültigkeit der im HiTOP-Modell angenommenen psychopathologischen Struktur und geben Hinweise auf mögliche Dimensionen niedrigerer Ordnung, die noch nicht Teil des aktuellen Modells sind. Weiter zeigte sich eine zunehmende Überlappung der Varianz von PF und Faktoren auf höherer Ebene sowie eine Überlegenheit von PF in der longitudinalen Prädiktion.
Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz der Persönlichkeitsfunktion als mögliches übergeordnetes und ätiologisch wirksames Konstrukt.
17:45 Uhr
Trauma in der Kindheit der Mutter und fetale Insulin-like Growth Factors im Fruchtwasser
E. Lamadé (Mannheim, DE)
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Autor:innen:
E. Lamadé (Mannheim, DE)
F. Hendlmeier0
M. Deuschle (Mannheim, DE)
Früher Lebensstress beeinflusst nicht nur den Betroffenen selbst, sondern kann Auswirkungen auf die nächste Generation haben. Effekte auf die Nachkommen umfassen ein verzögertes Erreichen von Entwicklungsschritten, eine reduzierte Neurogenese im Hippocampus, sowie verringerte anthropometrische Daten. Insulin-like Growth Factor (IGF) -1 und -2 sind wichtige Wachstumsfaktoren im Menschen. In depressiven Erwachsenen sind periphere IGF-1 Level im Serum erhöht. Bisher war unklar, inwieweit maternaler früher Lebensstress mit verändertem IGF-1 und IGF-2 der Nachkommen assoziiert.
Schwangere Frauen (n=79), die im zweiten Trimester eine Amniozentese bekamen, wurden auf Kindheitstraumatisierung in den fünf Kategorien, körperliche Vernachlässigung, emotionale Vernachlässigung, emotionaler Missbrauch, körperlicher Missbrauch und sexueller Missbrauch, mittels Childhood Trauma Questionnaire untersucht und fetales IGF-1 und IGF-2 im zweiten Trimester im Fruchtwasser gemessen. Die Korrelation von maternalem Kindheitstrauma mit fetalen IGFs unter Kontrolle für den Body-Mass-Index der Mutter, Betreiben von Sport und der Summe an Cortisol und Cortison im Fruchtwasser, wurden analysiert.
Unsere Daten zeigen, dass traumatisierte Mütter, unter Kontrolle auf Kovariablen, Feten mit signifikant geringerem fetalen IGF-1 und IGF-2 aufweisen, als Feten von Müttern, die nicht traumatisiert wurden. Feten von Müttern mit sexuellem Missbrauch in der Kindheit, haben signifikant geringeres fetales IGF-2 als Feten von Müttern, die kein Trauma in der Kindheit aufweisen. Der Trauma Gesamtscore, als Maßstab für den Schweregrad der Traumabelastung, korreliert negativ mit fetalem IGF-2.
Frühe traumatische Kindheitserfahrungen können Wachstumsfaktoren der nächsten Generation beeinflussen. Weitere Studien sollten Konsequenzen von veränderten Wachstumsfaktoren auf den weiteren Verlauf des Lebens und das Entstehen von psychiatrischen Erkrankungen untersuchen.
18:00 Uhr
The association of smoking and smoking cessation with prevalent and incident symptoms of depression, anxiety, and sleep disturbance in the general population
O. Hahad (Mainz, DE)
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Autor:innen:
O. Hahad (Mainz, DE)
M. Beutel0
D. Gilan0
M. Michal0
A. Schulz0
N. Pfeiffer0
K. Lackner0
P. Wild0
A. Daiber0
T. Münzel0
Background: Smoking is a well-established risk factor for chronic non-communicable diseases. However, the relationship between cigarette smoking and the risk of developing mental health conditions remains largely elusive. Therefore, the aim of the present study was to determine whether cigarette smoking as well as smoking cessation are associated with prevalent and incident symptoms of depression, anxiety, and sleep disturbance in a large cohort from the general population.
Methods: In a cohort of 15,010 individuals from the Gutenberg Health Study (aged 35–74 years at enrollment), prevalent (at baseline from 2007–2012) and incident symptoms (at follow-up from 2012–2017) of depression, anxiety, and sleep disturbance were determined by validated questionnaires and/or medical records. Smoking status, pack-years of smoking in current and former smokers, and years since quitting smoking in former smokers were assessed by a standardized computer-assisted interview.
Results: In multivariable logistic regression models with comprehensive adjustment for covariates, smoking status was independently associated with prevalent and incident symptoms of depression (Patient Health Questionnaire-9≥10), whereas this association was weaker for anxiety (Generalized Anxiety Disorder Scale-2≥3) and sleep disturbance (Patient Health Questionnaire-9>1). Among current and former smokers, smoking ≥30 or ≥10 pack-years, respectively, yielded in general the highest effect estimates. Smoking cessation was weakly associated with the prevalence and incidence of all outcomes, here consistent associations were observed for prevalent symptoms of depression.
Conclusions: The results of the present study suggest that cigarette smoking as well as smoking cessation are associated with symptoms of common mental health conditions, in particular of depression.
18:15 Uhr
Do missing teeth cause early-onset cognitive impairment? Re-examining the evidence using a quasi-natural experiment in England
C. Santoso (Debrecen, HU)
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Autor:innen:
C. Santoso (Debrecen, HU)
A. Nagy (HU)
Objectives: Multiple studies report a positive association between missing teeth and cognitive impairment but while causal mechanisms have been postulated, existing study designs preclude assessing this. Here we test this hypothesis using a strong, natural-experiment design, with data from areas of England that benefited from community water fluoridation schemes between 1964 and 1987.
Methods: We used English Longitudinal Study of Ageing data from Wave 7 (2014-5). We evaluated the association between missing teeth and early-onset cognitive impairment in a natural experiment with an instrumental variable (IV) design. The IV was differential exposure to fluoridated water during critical childhood years (ages 5-20 years) in England. The exposure was the number of missing teeth. The outcome was cognitive impairment assessed by the Telephone Interview of Cognitive Status (TICS). Two-stage least-squares linear regression was used to draw the causal conclusion.
Results: A total of 4958 persons aged 50-70 years were included in our study. We first replicated the strongly positive association of missing teeth with early-onset cognitive impairment (β = 0.25, p < 0.001), even after adjusting for potential sociodemographic confounders, such as age, gender, education, and wealth. Turning to the causal instrumental variable design, we found that childhood exposure to water fluoridation was strongly associated with fewer missing teeth (β = -0.06, p < 0.01). However, when quantifying the association between those fewer missing teeth, predicted by fluoride exposure, and cognitive impairment, we found that missing teeth no longer had a significant effect on cognitive impairment (β = 1.48, p=0.28).
Conclusions: Our findings are consistent with the possibility that unobserved confounding leads to the observed association between missing teeth and early-onset cognitive impairment, suggesting that the relationship is spurious rather than causal.