Spätestens seit der historischen Monoamin-Hypothese der Depression ist die Psychopharmakologie auf der Suche nach Behandlungsmechanismen, die dysfunktionale neurobiologische Prozesse "reparieren" oder durch Dauergabe von Wirkstoffen ausgleichen möchten. Diese Forschungsrichtung hat einen Fokus auf biologische Behandlungsstrategien hervorgebracht und zahlreichen Patienten geholfen. Sie hat jedoch mit der pharmakologischen Substitution pathologischer Mechanismen den Beitrag von Gesellschaft und Subjekt am Genesungsprozess sowie psychotherapeutische Strategien in der Psychiatrie vernachlässigt. Mit Medikamenten, die nicht auf dauerhafte Substitution, sondern auf Disruption neurobiologisch-psychologischer Mechanismen (z.B. DMN, Konnektivität) ausgelegt sind, kommt dem Zusammenspiel von Pharmakologie, Psychotherapie und ganz allgemein biopsychosozialen Lernprozessen eine neue Bedeutung in der psychiatrischen Behandlung zu. Psychedelika zeigen neben ihrer Rolle als schnellwirksame Antidepressiva das Potential für eine Wiederkehr des Subjekts in der Medizin, für die Aktivierung systemischer Selbstregulationsprozesse und Ressourcenaktivierung. Gleichzeitig eröffnen sie innerhalb der Behandlung den Zugang zu einer therapeutischen Problemaktualisierung, ohne die psychotherapeutische Veränderungsprozesse schwer möglich sind.
Das Symposium zeigt salutogenetische Perspektiven für eine Zusammenschau von Pharmakologie und Psychotherapie in der psychiatrischen Behandlung auf - und denkt über die strukturellen Veränderungen nach, die sich mit einem solchen Paradigmenwandel in der psychiatrischen Versorgungsstruktur, Praxis und Forschung abzeichnen.
12:52 Uhr
"Dein Gehirn denkt mehr als du weißt" – kurze Geschichte der Salutogenese in Medizin und Psychotherapie
H. Jungaberle (Berlin, DE)
13:14 Uhr
"Dein Gehirn weiß mehr als du denkst" – Zwischenbilanz der Neuroplastizitätsforschung in der Psychotherapie
A. Fallgatter (Tübingen, DE)
13:36 Uhr
Salutogenese und Psychotherapie
U. Ehlert (Zürich, CH)
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Autor:in:
U. Ehlert (Zürich, CH)
Salutogenes und Resilienz sind Konzepte, die einer «stärkenorientierten Grundhaltung» in der Psychotherapie gegenüber Patienten dient. Neben der Berücksichtigung der Symptomatik aufgrund der individuellen Störung soll einerseits das Kohärenzgefühl der Patienten gesteigert und andererseits ihre Widerstandfähigkeit gestärkt werden. Insbesondere Resilienzförderung dient neben der Anpassung an herausfordernde Ereignisse gerade bei chronisch psychisch kranken Patienten der Nachhaltigkeit, d. h. der Fähigkeit, trotz widriger Umstände durchzuhalten und weiterzumachen. Hierzu wurden in den letzten Jahren spezifische Interventionen entwickelt, die zu einer positiven Selbsteinschätzung, dem Gefühl des kontinuierlichen persönlichen Wachstums, der Überzeugung, dass das Leben zielgerichtet und sinnvoll ist, positiven sozialen Beziehungen und der Fähigkeit, das eigene Leben effektiv und selbstbestimmt zu gestalten, führen sollen. In verschiedenen Studien konnte inzwischen aufgezeigt werden, dass unterschiedliche epi(genetische), hormonelle und psychische Parameter mit Resilienz in Zusammenhang stehen, bzw. eine resiliente Anpassung an psychische Belastungen begünstigen können. Darüber hinaus verweisen aktuelle Metaanalysen darauf, dass Achtsamkeits-basierte Therapieansätze und positiv-psychologische Interventionen in klinischen Populationen nachweislich Wirksamkeit zeigen. Weiterhin scheinen kognitive und verhaltenstherapeutische Interventionen, Akzeptanz- und Commitment-Therapien wirksam zu sein. Hierbei ist jedoch zu diskutieren, ob eine Resilienzförderung bei allen Patientengruppen gleich aussehen soll und ob sie im Gesamtbehandlungsgefüge die jeweils gleiche Bedeutung besitzt. Es ist davon auszugehen, dass sich Patienten mit einer akut traumabezogenen Symptomatik von chronisch psychisch erkrankten Patienten und von Patienten, bei denen eine somatische Grunderkrankung vorliegt, unterscheiden. Dementsprechend wird sich die Herangehensweise der Resilienzförderung unterscheiden.