Raum:
Saal A4 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 04: Affektive Störungen, F3
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
18 % aller Schwangeren zeigen eine depressive Symptomatik, davon zwei Drittel im Sinne einer zwingend behandlungsbedürftigen majoren Depression; 15-20 % entwickeln eine postpartale Depression. Jedoch suchen nur 20-40 % der depressiven Frauen Hilfe auf; davon erhalten knapp die Hälfte eine adäquate Behandlung im Sinne einer Psychotherapie und Psychopharmakotherapie, gegebenenfalls im stationären Rahmen. Das heißt: Nur circa 15 % der schwer depressiv erkrankten Mütter werden leitliniengerecht behandelt. Dabei nehmen peripartale Depressionen unter dem Aspekt der Primärprävention eine Sonderstellung ein, da die mütterliche Psychopathologie den Säugling in einer hochsensiblen Phase der kindlichen Entwicklung trifft. Langfristige emotionale und kognitive Entwicklungsstörungen beim Kind sind die Folge.
Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild während der Schwangerschaft ist ein möglicher Risikofaktor für die Entwicklung depressiver Symptome, Linde und Kollegen stellen eine prospektive Untersuchung des Körperbildes während der Schwangerschaft dar. Luc Turmes stellt ein Modellprojekt aus dem Kreis Recklingshausen vor, das mit TAFs (Teams around the Family) in Kooperation von der Mutter-Kind-Einheit und Frühen Hilfen eine effektive und bedarfsorientierte SGB-übergreifende Versorgung peri- und postpartal psychisch erkrankter Frauen mit ihren Säuglingen etabliert und wissenschaftlich evaluiert. Heinisch und Kollegen beleuchten schließlich, was tagesklinische Mutter-Kind-Behandlung bei postpartalen Störungen bewirken kann und stellt Daten der Mutter-Kind-Dyade aus einer 1-Jahres-Katamnese vor.
Gemeinsam werden Risikofaktoren, mögliche Präventionsmodelle und deren Gelingensbediongungen sowie der Impact einer gelingender „dyadischen“ oder familienbezogenen Therapie für peripartale Störungen diskutiert.
08:30 Uhr
Verlauf und Prädiktoren des Körperbildes während der Schwangerschaft – eine prospektive Studie
K. Linde (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
K. Linde (Leipzig, DE)
F. Lehnig (DE)
M. Nagl (DE)
H. Stepan (DE)
A. Kersting (DE)
Einleitung: Während der Schwangerschaft verändern sich Körperform und –größe relativ rasch, wodurch eine Neubewertung des Körperbildes wahrscheinlich ist. Erhöhte Körperbildunzufriedenheit stellt einen Risikofaktor für gesundheitliche Beeinträchtigung von Mutter und Kind dar. In dieser Studie werden Veränderungen des Körperbildes während der Schwangerschaft sowie Prädiktoren der Körperbildunzufriedenheit untersucht, wobei erstmalig ein schwangerschaftsspezifisches und multidimensionales Maß für das Körperbild verwendet wird.
Methodik: In einer prospektiven Längsschnittstudie wurde das Körperbild gesunder, schwangerer Frauen (N = 222) zu zwei Zeitpunkten (T1:18.-22., T2:33.-37. Schwangerschaftswoche) erhoben. Der Einfluss demographischer, gewichts- und gesundheitsbezogener, verhaltensbezogener und psychologischer Faktoren auf die Körperbildunzufriedenheit wurde mittels linearer Regressionsmodelle analysiert.
Ergebnisse/ Diskussion: Die Ergebnisse zeigen unterschiedliche Verläufe der verschiedenen Komponenten des Körperbildes. Während die Beschäftigung mit dem Aussehen, Unzufriedenheit mit dem Hautbild und die Priorisierung des Aussehens gegenüber der Funktion des Körpers nachlassen, nehmen Unzufriedenheit mit Kraft sowie den Körperteilen und Sorgen bzgl. der sexuellen Attraktivität zu. Es zeigte sich, dass ein niedriger Selbstwert und schwangerschaftsspezifische Sorgen Risikofaktoren für mehrere Facetten des Körperbildes darstellen. Daneben erwiesen sich Schlafprobleme, eine geringe körperliche Aktivität, ein gestörtes Essverhalten, ein hoher BMI vor der Schwangerschaft und eine starke Gewichtszunahme als Risikofaktoren für einzelne Körperbildkomponenten.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse unterstreichen den multidimensionalen Charakter des Körperbildes und deuten sowohl auf positive als auch negative Veränderungen hin. Insgesamt erscheinen veränderbare psychologische, verhaltens- und gewichtsbezogene Faktoren für das Ausmaß der Körperbildunzufriedenheit relevant.
09:00 Uhr
TAF (Team around the family) für toughe Babys – SGB-V und -VIII-übergreifende Versorgung psychisch belasteter junger Familien
L. Turmes (Herten, DE)
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Autor:innen:
L. Turmes (Herten, DE)
B. Cichon-Feldmann (Herten, DE)
D. Stanberger (Herten, DE)
SGB-V und –VIII übergreifende Versorgung peri- und postpartal psychisch erkrankter Eltern mit ihren Säuglingen im Kreis Recklinghausen.
Der schwierige und langatmige Weg vom Antrag bis zur Umsetzung
Zum einen werden nur circa 15 von 100 postpartal schwer depressiv erkrankte Mütter leitliniengerecht behandelt, bei erheblichen negativen Auswirkungen der mütterlichen Erkrankung auf den Föten wie auf den Säugling und die Mutter-Säugling-Bindung. Zum andern sind zwar im Rahmen von Kosten-Nutzen-Analysen die Effektivität der Frühen Hilfen gut belegt, allerdings ist der Umsetzungsgrad vor Ort in den Kreisen und Kommunen – nicht nur pandemiebedingt – stark verbesserungswürdig.
Aufbauend auf den Erfahrungen der MKE’s und der Frühen Hilfen soll im Kreis Recklinghausen in einem Modellprojekt für den Kreis mit seinen circa 600.000 Einwohnern eine effektive und bedarfsorientierte SGB-übergreifende Versorgung peri- und postpartal psychisch erkrankter Frauen mit ihren Säuglingen etabliert, adäquat finanziert und wissenschaftlich evaluiert werden.
Neben der MKE der LWL-Klinik Herten gilt es für alle 10 Städte des Kreises Recklinghausen kompetente und in der Peripartalpsychiatrie sowie Mutter/Vater-Kind-Bindungsstörungen gut geschulte Personen (z.B. sozialpädagogische Mitarbeiter*innen der in jeder Kommune etablierten Frühen Hilfen) zu rekrutieren und ein kreisweit agierendes und zuständiges inter- und multiprofessionelles Team around the family (TAF) einschließlich niedergelassener Fachärzt:innen und Hebammen zu gründen. Nach entsprechender Schulung in Peripartalpsychiatrie sowie Mutter/Vater-Kind-Bindungsstörungen durch die LWL-Klinik Herten und weitere Expert*innen findet zunächst in jedem Quartal für alle Teilnehmenden ein verbindliches Treffen statt. Zusätzlich hat ein jeder Player des TAF die Möglichkeit, im Bedarfsfall ein verbindliches und zeitnahes lokales Krisenteam einzuberufen und ist für diesen Fall auch verantwortlicher therapeutischer Casemanager, i.S. von „gemeinsame Federführung, wechselnder Hut“.
Die Finanzierung des medizinischen Personals erfolgt über den § 73 c im SGB V (Rechtskraft seit 10.06.2021), der die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, eine Kooperationsvereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden über die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohls der Säuglinge/Kinder/Jugendlichen zu schließen. Die anderen Mitarbeitenden des TAF sind Angestellte der jeweiligen Kommunen.
Hier erfolgt die Finanzierung über das im Mai 2022 vom Landtag verabschiedete Kinderschutzgesetz NRW, das schwerpunktmäßig die Verbesserung der interdisziplinären Kooperation im Kinderschutz vorsieht.
Im Vortrag werden die bisherigen Ergebnisse seit Projektstart im Herbst 2021 sowie die zahlreichen Hürden zwischen den Akteur:innen von SGB V und SGB VIII dargestellt.
09:30 Uhr
Die Mutter-Kind-Dyade vor, nach und 1 Jahr nach tagesklinischer Behandlung bei postpartaler psychischer Erkrankung
C. Heinisch (Erlangen, DE)
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Autor:in:
C. Heinisch (Erlangen, DE)
Christine Heinisch1, Susanne Simen2, Sandra Gabler1, Sarah Schwab2, Juliane Junge-Hoffmeister3, Gottfried Spangler1
1Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, Friedrich-Alexander Universität Erlangen Nürnberg
2Mutter-Kind Tagesklinik, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum Nürnberg Süd
3Mutter-Kind Tagesklinik, Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Dresden
Postpartale psychische Erkrankungen betreffen je nach Symptomatik etwa 10 % der Mütter. Die Risikofaktoren sind vielfältig und reichen von psychischen Vorerkrankungen, traumatischen Kindheitserlebnissen über Partnerschaftskonflikte und hormonelle Sensibilität. Wiederholt werden Auswirkungen auf die Mutter-Kind Interaktion beschrieben. In der Mutter-Kind Tagesklinik Nürnberg haben wir in den letzten Jahren über 100 Mütter auf ihre Risikofaktoren gescreent und sie in der Interaktion mit ihren Kindern beobachtet. Betrachten wir die Mütter nach Beendigung ihres Therapieaufenthalts, so fällt auf, dass die Risikofaktoren auch beeinflussen, wie sehr sie in der Mutter-Kind Interaktion von der Therapie profitieren. Ein Teil der Mütter nahm einen Termin zur Katamnese wahr als ihre Kinder etwa 18 Monate alt waren. Zu diesem Zeitpunkt wurden Psychopathologie und Bindung zum Kind erhoben. Obwohl es den Müttern weiterhin schlechter geht als der Kontrollgruppe, konnten die meisten Kinder eine sichere Bindung zu ihrer Mutter aufbauen. Welche Faktoren hier relevant sind, um eine transgenerationale Weitergabe von Pathologien zu verhindern wird diskutiert.