Die Forschung zur NS-„Euthanasie“ ist seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Psychiatriegeschichte. Heute verfügt die Wissenschaft über breitgefächertes Wissen zu Heil- und Pflegeanstalten, Tötungsanstalten, Täter:innen, mangelhafter Strafverfolgung nach 1945, sowie zu Opfergruppen und Patient:innenschicksalen. Dank fundierter Vorarbeiten können aktuell Themen erforscht werden, die zuvor wenig Aufmerksamkeit erfahren haben. Dazu gehören „dezentrale Euthanasie“, „Zwischenanstalten“, persönliche Verbindungen im „T4“-Netzwerk und alltägliche Gewalt gegenüber Patient:innen. Das Symposium soll den Teilnehmer:innen des DGPPN-Kongresses ermöglichen, sich mit diesen aktuellen Forschungen auseinanderzusetzen. Diskutiert werden soll, wie sie unser Bild von der NS-„Euthanasie“ neu perspektivieren können.
Franziska Schmidt zeigt, wie sich in den letzten Kriegsjahren der Kampf um medizinische Ressourcen zwischen zivilem und militärischem Sektor verschärfte. Ergebnis war ein Verdrängungswettbewerb, welcher für psychisch Erkrankte nicht nur den Ausschluss aus der medizinischen Versorgung, sondern den Tod bedeuteten konnte. Der Vortrag gibt Einblick in die reichsweite Verlegungspraxis im Zuge katastrophenmedizinischer Maßnahmen am Beispiel der Tötungsanstalt Hadamar. Steffen Dörre knüpft an diese Ausführungen an und zeigt mit Blick auf Landesheil- und Pflegeanstalten im westdeutschen Raum, wie sich die Einrichtung von Lazaretten auf deren Geländen auf die Versorgung psychisch Kranker auswirkte. Schließlich wird Kathrin Janzen anhand der ca. 500 Tatbeteiligten der „Aktion T4 folgende Fragen aufwerfen: Warum wird die „Aktion T4“ als Medizinverbrechen verstanden? Welche Aspekte und Forschungsfragen zur „T4“ geraten durch die Einordnung als Medizinverbrechen in den Hintergrund? Die Relevanz dieser Fragen ergibt sich aus der Beobachtung, dass etwa 75% der Tatbeteiligten weder aus dem medizinischen Bereich stammten, noch im Kontext der „T4“ einer medizinischen Tätigkeit nachgingen.