Raum:
Saal Paris 1 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 16: Psychotherapie
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Verhaltenstherapeutische ärztliche Behandlungsansätze besitzen einen zentralen Stellenwert für das gesamte Spektrum psychischer Erkrankungen und sind fester Bestandteil der Versorgung sowohl im ambulanten als auch stationärem Setting. Die vielseitigen Facetten ärztlicher Verhaltenstherapie werden von der DÄVT anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens aufgezeigt, von Daten über digitale verhaltenstherapeutische Weiterbildung über ärztliche Verhaltenstherapie in Tagesklinken bis zu neueren Verfahren der Mentalisierungsfördernden Verhaltenstherapie und der Frage, in wieweit speziell ärztliche Verhaltenstherapie nach wie vor einen essentiellen Bestandteil der Versorgung darstellt.
12:52 Uhr
Ärztliche Psychotherapie in der Tagesklinik: der perfekte Ort für das Verhaltensexperiment
E. Frieß (München, DE)
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Autor:in:
E. Frieß (München, DE)
In diesem Beitrag werden zum einen die Vorteile des tagesklinischen Settings für die Verhaltenstherapie aufgezeigt sowie die Vorteile einer ärztlich geleiteten Verhaltenstherapie vor den aktuellen berufspolitischen Gegebenheiten diskutiert. Zudem wird dies am Beispiel einer Psychotherapiestudie in der Max-Planck-Tagklinik für Psychiatrie und Psychotherapie näher erläutert.
Tageskliniken bieten Menschen mit psychischen Erkrankungen eine „ideale Mischung aus institutioneller Protektion und selbstbestimmter Konfrontation mit der Realität“ (Richter und Eikelmann, 1999). In der Verhaltenstherapie sind sie dem stationären und ambulanten Setting in relevanten Punkten überlegen:
- tägliche Überprüfung der Vereinbarungen auf ihre Praktikabilität
- kleinschrittiges Vorgehen durch tägliche Exposition
- Vermeidungsverhalten demaskiert sich schnell
- Entlastung vom Binnendruck des stationären Settings
- geringeres Regressionsrisiko
- Konflikte im persönlichen Umfeld fließen in Therapie ein
Auf der anderen Seite erfordert der Erhalt eines beziehungsorientierten Therapiekonzepts mit einem durchgehenden und sinngebenden Tagesprogramm eine zuverlässige Personal- und Therapieorganisation. Ärztliche Verhaltenstherapeut:innen gewährleisten dabei in Personalunion eine sowohl psychiatrische als auch psychotherapeutische Betreuung mit entscheidenden inhaltlichen und ökonomischen Vorteilen:
- Vermittlung eines umfassenden neurobiologischen Erkrankungskonzepts
- Zusammenwirken der kombinierten pharmako- und verhaltenstherapeutischen Interventionen besser beobachtbar
- klare Verantwortungsübernahme
- Behandlungskontinuität
- Kosten- und Zeitersparnis
Auch für die Durchführung von gerade Placebo-kontrollierten Psychotherapiestudien eignet sich das tagklinische Setting deswegen sehr gut, weil die therapeutische „Dosis“ in den jeweiligen Therapiearmen über die Transparenz des täglichen Therapieprogramms mit einem klaren Therapieende zuverlässig angeglichen werden kann.
13:14 Uhr
MVT - Mentalisierungsfördernde Verhaltenstherapie
S. Sulz (München, DE)
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Autor:in:
S. Sulz (München, DE)
Mentalisierungsfördernde Verhaltenstherapie MVT wurde als Brücke zwischen Psychodynamischen und kognitiv-behavioralen Therapien entwickelt. Sie ist begründet in der Entwicklungspsychologie (Bindungstheorie von Bowlby, Entwicklungstheorien von Piaget und Pesso und Mentalisierungsansatz von Fonagy und Mitarbeitern), der Neurobiologie (u.a. Damasio), den psychologischen Zweiprozesstheorien und Systemtheorien (Epstein, Grawe u.a.), der kognitiven Verhaltenstherapie und der 3. Welle der VT (z.B. DBT). Sie ist eine Weiterentwicklung der Strategisch-Behavioralen Therapie SBT und umfasst 7 Module:
1. Bindungssicherheit: sichere Bindung in der Therapie
2. Von der dysfunktionalen Überlebensregel (inneres Arbeitsmodell) zur Erlaubnis gebenden Lebensregel: Neue Erlaubnis zur Lebensregel machen
3. Achtsamkeit und Akzeptanz: Bewusstheit schaffen
4. Emotion Tracking – tiefe emotionale Erfahrung: Gefühle bewusst machen + Auslöser verstehen
5. Mentalisierung – Metakognition: Theory of Mind TOM elaborieren – warum und wozu Menschen handeln
6. Entwicklung von der Affekt- auf die Denken-Stufe (Selbstwirksamkeit): Affekte regulieren und kompetent handeln
7. Entwicklung von der Denken- auf die Empathie-Stufe (Empathie und Mitgefühl) Empathische Kommunikation.
13:36 Uhr
30 Jahre DÄVT: Ist die Ärztliche Psychotherapie ein Auslaufmodell?
B. Deckert (Würzburg, DE)
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Autor:in:
B. Deckert (Würzburg, DE)
Die DÄVT wurde 1993 gegründet und ist seit über 30 Jahren Repräsentant der ärztlichen Verhaltenstherapie in Deutschland. Die Verhaltenstherapie wurde 1987 als Psychotherapie-Richtlinienverfahren eingeführt. Sie ist bis heute evaluiertes Therapieelement bei der Behandlung psychischer Erkrankungen. Insbesondere seit dem Inkrafttreten des ersten Psychotherapeutengesetz blieben ärztliche Psychotherapeuten stets deutlich in der Minderheit. Die Marginalisierung ärztlicher Psychotherapie wird in Anbetracht der Reform des Psychotherapeuten-Gesetztes und der Einführung des Studienganges des Psychotherapeuten mit dem Wintersemester 2020/2021 bedenklich zunehmen. Erschwerend hinzu kommt der Mangel an ärztlichem Nachwuchs, der resultierende aktuelle allgemeine Fachärztemangel, Verlust der Zeit am Patienten durch zunehmende Administrationsaufgaben, der Mangel an ärztlichen Ausbildern, Corona-Pandemie mit erheblicher Ausbildungsverzögerung wegen Lockdown, Quarantänezeiten, Berufsverboten für Schwangere und das Ruhestandsalter der Babyboomer-Jahrgänge. Die vermehrte Ausbildung und Zunahme der künftigen Psychotherapeuten durch den Direktstudiengang Psychotherapie ist auch verbunden mit Infragestellung medikamentöser Therapien. Risiken dieser Entwicklung sind die Vernachlässigung integrativer, mehrdimensionaler biopsychosozialer Ansätze, und in Folge insuffiziente Behandlung schwer psychisch Erkrankter, vor allem depressiver Patient:innen, tlw. im Gegensatz zu S3-Leitlinien Diese bedenkliche Entwicklung betrifft insbesondere Patient:innen mit somatischer Komorbidität.
Die DÄVT will einen Beitrag leisten zu einer qualitativ besseren Ausbildung ärztlicher Psychotherapeut:innen, insbesondere durch Ausbildung von mehr Ausbildern/Befugten ortsnah zum Arbeitsplatz. Wir analysierten Kriterien für Befugte in allen Landesärztekammern und arbeiten aktiv an an der besseren Vernetzung der Kliniken und Institute, dies auch in enger Kooperation mit der DGPPN. Ergebnisse werden vorgestellt.