In Forschung und Praxis zu Sicherheit und Zwangsmaßnahmen in der Akutpsychiatrie standen lange Zeit Patient*innen-Variablen im Vordergrund. Neuere Studien zeigen aber, dass vor allem die Strukturen der Klinik sowie das dort beschäftigte Personal relevanter Einflussfaktor sind. Im Symposium werden Aspekte der Haltung der Mitarbeitenden, eigener Gewalterfahrungen sowie fachlicher Qualifikation anhand wissenschaftlicher Befunde und theoretischer Erwägungen in den Kontext einer zwangsvermeidenden, patient*innen-orientierten Versorgung gesetzt.
Mahler: Eine Besonderheit der psychiatrischen Tätigkeit ist sicherlich, dass neben der rein fachlichen Qualifikation auch der Mensch als solcher wichtig ist für eine unterstützende und sichere Begleitung durch psychische Krisen. Wie aber sieht menschliche Professionalität aus? Was brauchen psychiatrisch Tätige, um authentische therapeutische Beziehungen zu gestalten und was hindert sie in den klinischen Strukturen daran? Im Vortrag werden theoretische Überlegungen mit praxisorientierten Lösungsvorschlägen verknüpft.
Oster: Dem Sicherheitsbedürfnis von Mitarbeitenden wie auch Patient:innen insbesondere auf akutpsychiatrischen Stationen wird in Kliniken unterschiedlich begegnet. Während viele Kliniken sich in Richtung Recovery entwickeln, werden andernorts Sicherheitsdienste implementiert. Die qualitativen und quantitativen Ergebnisse einer Studie auf zwei akutpsychiatrischen Stationen zu den Auswirkungen von Sicherheitsdiensten auf Zwangsmaßnahmen und das subjektive Sicherheitsgefühl der Mitarbeitenden werden im Vortrag vorgestellt.
Wullschleger: Ergebnisse einer Online-Befragung von Mitarbeitenden der Klinik für Psychiatrie der Universitätsklink Genf werden vorgestellt. Diese Studie beschäftigte sich mit der Analyse der Faktoren, die die Haltung zu Zwang beeinflussen, unter anderem die Erfahrung von Gewalt und die Sicherheitsgefühl von Mitarbeitenden im stationären und ambulanten Setting.
Weinmann: Berufsgruppengemischte Teams sind im klinischen Setting allgemeiner Standard. Gute Behandlungsergebnisse hängen dabei stärker von der Kooperation dieser Berufsgruppen als von Einzelinterventionen ab – ebenso wie vom Einbezug des sozialen Umfeldes. Dennoch ist diese Zusammenarbeit wenig erforscht. In diesem Vortrag sollen Multiprofessionalität theoretisch und anhand von Beispielen reflektiert und Vorschläge zur Verbesserung gegeben werden.
08:30 Uhr
Der Mensch – das Personal
L. Mahler (Berlin, DE)
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Autor:in:
L. Mahler (Berlin, DE)
Die therapeutische Beziehung gewinnt im akutpsychiatrischen Kontext an Bedeutung. Eine tragfähige therapeutische Beziehung verbessert Outcome und Adhärenz. Was macht aber eine „gute“ therapeutische Haltung und Beziehung aus? Authentizität scheint von zentraler Bedeutung zu sein. Psychiatrieerfahrenen betonen, dass das Reflektieren und Verbalisieren eigener Emotionen oder eigener Krisenerfahrungen von „Profis“ vs. einer rein abstinenten und distanzierten Beziehung als hilfreich erachtet wird. Damit rückt automatisch auch die therapierende Person bzw. das therapeutische Team mehr in den Mittelpunkt des Geschehens. Beziehungen entstehen von Mensch zu Mensch. Unabhängig von deren Rollen entwickelt sich ein Kontakt – bestenfalls auf Augenhöhe – der beide Personen zumindest zum Teil ganz persönlich einbezieht und fordert.
Im Vortrag wird daher der Frage nachgegangen, wie professionelle Nähe in einer therapeutischen Beziehung entstehen kann und vor allem, welche Voraussetzungen einerseits die Mitarbeitenden selbst und andererseits die Strukturen der Klinik erfüllen müssen, damit authentische Beziehungsarbeit möglich sind. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Bedeutung der therapeutischen Beziehung in akuten Krisen und zur Verhinderung von Eskalationen und Gewalt gelegt.
08:52 Uhr
Warum es nur und wie gemeinsam geht – interprofessionelle Zusammenarbeit im Fokus der Betrachtung
S. Weinmann (Berlin, DE)
09:14 Uhr
Warum Sicherheitsdienste kein psychiatrisches Personal sind
A. Oster (Berlin, DE)
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Autor:innen:
A. Oster (Berlin, DE)
L. Mahler (Berlin, DE)
Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis und damit ebenso Teil der Gesellschaft wie Aggression und Gewalt. Der Diskurs über den Umgang hiermit ist daher hochrelevant. Aggressive Übergriffe, Gewalt und Zwang finden im psychiatrischen Kontext statt und haben für die Betroffenen (Mitarbeitende, Patient:innen und Angehörige) oftmals verheerende, teilweise langfristige gesundheitliche Folgen. Das Bedürfnis nach Sicherheit besteht bei Patient:innen und Mitarbeitenden gleichermaßen (Mahler 2021).
In Kliniken wird dem Sicherheitsbedürfnis von Mitarbeitenden wie auch Patient:innen insbesondere auf akutpsychiatrischen Stationen allerdings unterschiedlich begegnet. Während viele Kliniken sich in den letzten Jahren Richtung Recovery und Partizipation entwickeln, werden andernorts Sicherheitsdienste implementiert. Diesen Vorgehensweisen liegen grundlegend unterschiedliche Annahmen über die Gewährleistung von Sicherheit zugrunde.
Im Vortrag werden die qualitativen und quantitativen Ergebnisse einer Studie auf zwei akutpsychiatrischen Stationen einer Berliner Versorgungsklinik zu den Auswirkungen von Sicherheitsdiensten auf Zwangsmaßnahmen und das subjektive Sicherheitsgefühl der Mitarbeitenden vorgestellt und im Kontext psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlungsanforderungen diskutiert.