Raum:
Saal Paris 1 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 19: Früherkennung, Prävention und Gesundheitsförderung
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Stressbedingte psychische Erkrankungen sind die am weitesten verbreiteten und kostenintensivsten Erkrankungen unserer Zeit. Andererseits erweist sich die große Mehrheit der Menschen trotz Konfrontation mit multiplen Stressoren, als resilient.
Die Untersuchung psychologischer und neurobiologischer Grundlagen von Resilienz kann wichtige Aufschlüsse über neuartige Therapie- und Präventionsansätze psychischer Erkrankungen ermöglichen. Dieses Symposium wird aktuelle Ergebnisse und konzeptionelle Entwicklungen der neurobiologischen Resilienzforschung vorstellen.
Prof. Dr. Henrik Walter wird biopsychologische Faktoren der Resilienz anhand der DYNAMORE Studie präsentieren. Hierbei wird auf gesunde Personen mit einem Risiko für psychische Störungen sowie Patienten mit psychischen Störungen fokussiert und die Relevanz der Befunde aus klinischer Sicht diskutiert.
Kira Ahrens zeigt anhand datengetriebener Modellierungsmethoden unterschiedliche Trajektorien der mentalen Gesundheit nach belastenden Lebensereignissen (LORA-Studie). Die identifizierten Gruppen sowie mögliche Prädiktoren der Gruppenzugehörigkeit in Form von biologischen Parametern, verschiedenen Coping Stilen sowie traumatischen Erlebnissen in der Kindheit werden diskutiert.
Verhaltensstudien haben gezeigt, dass eine gewisse Menge an Stressinokulation vorteilhaft für den Umgang mit zukünftigen stressbehafteten Ereignissen sein kann. Dr. Bianca Kollmann wird fMRT Daten von gesunden Probanden mit unterschiedlicher lebensgeschichtlicher Stressinokulation während einer akuten Stressinduktion präsentieren und den Zusammenhang mit Resilienz beleuchten.
Dr. Robert Bittner wird über bildgebende Befunde zu Schizophrenie-Resilienzgenen berichten. Diese Befunde belegen neuroplastische Einflüsse auf den ventralen visuellen Pfad und eine wichtige Rolle der visuellen Objektverarbeitung als protektiver Faktor bei Schizophrenie. Die therapeutischen Implikationen werden diskutiert.
08:30 Uhr
Psychologische und neuronale Mechanismen der Resilienz in der Forschung zur psychischen Gesundheit
H. Walter (Berlin, DE)
08:52 Uhr
Identifikation von typischen Verläufen der mentalen Gesundheit nach unterschiedlichen belastenden Lebensereignissen
K. Ahrens (Frankfurt am Main, DE)
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Autor:innen:
K. Ahrens (Frankfurt am Main, DE)
B. Kollmann (DE)
R. Neumann (Frankfurt am Main, DE)
K. Lieb (DE)
O. Tüscher (DE)
A. Reif (Frankfurt am Main, DE)
M. Plichta (Frankfurt am Main, DE)
Nach potentiell traumatischen Ereignissen (PTE), zeigen sich unterschiedliche typische Veränderungen der mentalen Gesundheit. Studienübergreifend wird eine resiliente Gruppe als größte Gruppe identifiziert. Individuen dieser Gruppe reagieren mit gleichbleibender oder mit schneller Wiederherstellung der mentalen Gesundheit als Reaktion auf das PTE.
Innerhalb der LOngitudinal Resilience Assessment (LORA) Studie konnte während der kollektiv erlebten COVID-19 Pandemie gezeigt werden, dass die Teilnehmenden dieser Studie in Reaktion auf die Pandemie als Stressor in die drei Klassen resilient, akut und verzögerte Verschlechterung eingruppiert werden konnten. Solche kollektiv erlebten Ereignisse kommen allerdings selten vor, wodurch prototypische Reaktionsmuster nur schwer analysiert werden können; ein Hindernis für prospektive Studien.
In diesem Vortrag wird eine Herangehensweise zur Klassifizierung von Teilnehmenden ohne kollektives PTE vorgestellt, die sogenannte Stressor-Locked Analyse (SLA). Anhand individuell verschiedener Lebensereignisse (z.B. sexueller Missbrauch oder Tod eines nahen Angehörigen), die zu individuell unterschiedlichen Zeitpunkten im Verlauf der Studie auftreten, werden innerhalb der ProbandInnen Zeitreihen definiert, um den direkten Einfluss des PTEs auf die mentale Gesundheit analysieren zu können.
Dafür werden die individuellen Zeitreihen in Relation zu den PTEs auf einen fixen Startpunkt „gelocked“. Anschließend können Klassifikationsalgorithmen angewendet werden (z.B. LGMM oder KML).
Die SLA wird anhand der Daten der LORA-Studie aus dem Zeitraum 2017-2019 demonstriert (N = 549). In der Studie werden PTEs und die mentale Gesundheit (GHQ-28) vierteljährlich erfasst. Die extrahierte Zeitreihe umfasst 12 Monate. Zugrundeliegende Mechanismen unter Berücksichtigung der Gesamtanzahl an Stressoren im beobachteten Zeitraum und Assoziationen der Klassenzugehörigkeit mit etablierten Resilienzfaktoren sowie Limitationen des Ansatzes werden diskutiert.
09:14 Uhr
Akute Stressinduktion und ihr Zusammenhang mit Resilienz
B. Kollmann (Mainz, DE)
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Autor:innen:
B. Kollmann (Mainz, DE)
K. Lieb (DE)
O. Tüscher (DE)
Entgegen früherer Befunde eines negativen Einflusses von Stress auf die mentale Gesundheit, gibt es nun Evidenz aus Fragebogen- und Verhaltensstudien, dass eine mittlere Anzahl kumulierter berichteter aversiver Lebensereignisse einen protektiven Effekt in zukünftigen Stresssituationen haben kann (e.g. Seery et al., 2013). Welche neurophysiologischen Maße diesem Effekt zugrunde liegen, ist jedoch weitestgehend ungeklärt.
Es wurden N = 120 männliche Probanden mit einer akuten Stressinduktionsaufgabe (sog. ScanStress task; Sandner et al., 2020) im funktionellen Magnetresonanztomographen (fMRT) gemessen, begleitet von Ruhemessungen vor, nach und 20 min nach der Stressinduktion. Die ScanStress Aufgabe gleicht einem Trier Sozialen Stresstest. Probanden müssen unter Zeitdruck und psychosozialem Stress mentale Rotations- und Rechenaufgaben bearbeiten. Vorangestellt ist eine Kontrollphase ohne psychosozialem Stress. Parallel wurden EKG und Hautleitfähigkeit abgeleitet und fortwährend Speichelcortisolproben entnommen.
Probanden zeigten neuronale Aktivierung in Regionen des Salienznetzwerks während der Stressinduktion, welches der Detektion von markanten Reizen dient. In der Kontrollbedingung zeigte sich Aktivierung im Default Mode Netzwerk. Dieses wird u.a. aktiv bei der Bearbeitung kognitiver Aufgaben. Probanden berichteten direkt nach der Stressinduktion einen erhöhten negativen Affekt und erhöhte Unruhe. Außerdem zeigte sich eine signifikante negative Korrelation zwischen dem berichteten Gefühl von Kontrolle in einer Verhaltensaufgabe zum Kontrollempfinden unter Stress und Aktivierung in der bilateralen posterioren Insel während akutem Stress im MRT. Es kann geschlussfolgert werden, dass die Aufgabe akuten Stress in den Probanden induziert hat. Das Kontrollerleben der Probanden scheint einen entscheidenden Einfluss auf den Umgang mit zukünftigen Stresssituationen zu haben. Die klinische Implikation der Ergebnisse, wie auch deren Limitationen werden diskutiert.
09:36 Uhr
Neurobiologische Korrelate von Schizophrenie-Resilienzgenen (LORA)
R. Bittner (Frankfurt am Main, DE)
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Autor:in:
R. Bittner (Frankfurt am Main, DE)
Hintergrund:
Die Untersuchung der neurobiologischen Korrelate von Schizophrenie Resilienzgenen, genetischen Varianten, welche das Schizophrenie-Risiko reduzieren, erlaubt es Rückschlüsse auf natürlich entstandene protektive Mechanismen für die Erkrankung zu ziehen. Dies eröffnet wiederum die Möglichkeit, gezielte neuartige Interventionen für Prävention oder Therapie zu abzuleiten. Aktuelle Schizophrenie-Resilienzmodelle postulieren, dass neuroplastische Veränderungen im visuellen System ein Schizophrenie-Resilienzmechanismus sein könnten. Wir untersuchten, ob Genvarianten, die mit Schizophrenieresilienz, assoziiert sind zu ähnlichen neuroplastischen Veränderungen führen.
Methoden:
Der Einfluss eines polygenetischen Resilienzscores (PRS-Resilienz) für Schizophrenie auf das kortikale Volumen wurde mittels struktureller Magnetresonanztomographie (MRT) bei 101 gesunden Probanden und einer Replikationskohorte basierend auf der UK-Biobank von 33,224 gesunden Probanden untersucht. Die MRT-Daten wurden in Freesurfer analysiert.
Ergebnisse:
In der ersten Kohorte fand sich eine signifikante positive Korrelation zwischen PRS-Resilienz und kortikalen Volumen im rechten Gyrus fusiformis (r=0.35; p=.0004). In der Replikationskohorte zeigte sich eine positive Korrelation zwischen PRS-Resilienz und dem globalen kortikalen Volumen im linken Gyrus fusiformis.
Diskussion:
Die Ergebnisse belegen, dass die Stärkung neuronaler Netzwerke im ventralen visuellen Pfad ein Resilienzmechanismus gegen Schizophrenie zu sein scheint. Dies könnte zu einer verbesserten Verarbeitung visueller Objektinformation und einer Reduktion perzeptueller und kognitiver Defizite bei Menschen mit erhöhtem Psychoserisiko beitragen. Die Induktion solcher neuroplastischer Veränderungen könnte somit eine geeignete Frühintervention für Risikopopulationen sein. Unsere Ergebnisse unterstreichen das Potential der Erforschung genetisch vermittelter Resilienzmechanismen der Schizophrenie.