Die Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren für die Behandlung psychischer Störungen ist vielfach belegt. Dennoch sprechen ein Drittel bis die Hälfte der Patienten nicht oder nur unzureichend auf die initiale Therapieform an. Die Faktoren, die an der Vermittlung des Therapieansprechens beteiligt sind, sind bisher jedoch nur unzureichend bekannt. Aufgrund der multifaktoriellen Ätiologie psychischer Erkrankungen ist davon auszugehen, dass auch die Wirkweise psychotherapeutischer Intervention durch eine Vielzahl miteinander interagierender Faktoren bedingt wird. Ein besseres Verständnis der Mechanismen, die das Therapieansprechen vermitteln könnte zukünftig zu einer differenzierteren Indikationsstellung, zur Optimierung bestehender bzw zur Entwicklung neuer und effizienterer Behandlungsansätze im Sinne einer personalisierten Therapie beitragen.
Im ersten Vortrag (Schiele) werden epigenetischen Mechanismen hinsichtlich ihres Potentials als Prädiktoren des Therapieansprechens als auch als mögliche dynamische Korrelate klinischer Veränderungen diskutiert. Dazu werden jüngste Forschungsergebnisse bei Angst- und Zwangsstörungen auf Kandidatengen- (MAOA, 5-HTT, OXTR) als auch auf epigenomweiter Ebene vorgestellt.
Der zweite Vortrag (Roesmann) berichtet elektromagnetische Signaturen konditionierter Furcht als Marker des Therapieerfolgs bei Angststörungen.
Der dritte Vortrag (Richter) stellt die Ergebnisse einer großen, multizentrischen Studie zu den individuellen Kapazitäten der Furchtextinktion vor. Im Fokus steht dabei die differenzielle Prädiktion der Wirksamkeit einer expositionsbasierten Psychotherapie durch Indikatoren unterschiedlicher Reaktionseben (kognitive US-Risikoeinschätzung, subjektive Valenz und Erregung, elektrodermale Aktivität, Scheckreflexpotenzierung, Herzrate).
Im vierten Vortrag (Hilbert) werden zwei Untersuchungen zur Prädiktion individueller KVT-Ergebnisse mittels Markern der funktionellen Konnektivität des Gehirns bei Angststörungen vorgestellt.
08:30 Uhr
Patho- und Therapieepigenetik von Angst- und Zwangserkrankungen: DNA-Methylierung als Prädiktor des Behandlungserfolgs?
M. Schiele (Freiburg im Breisgau, DE)
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Autor:in:
M. Schiele (Freiburg im Breisgau, DE)
An der Entstehung von Angst- und Zwangsstörungen sind sowohl genetische Faktoren als auch umweltbedingte Stressoren im Sinne eines „Vulnerabilitäts-Stress“ Modells beteiligt. In jüngster Zeit wird die Rolle epigenetischer Prozesse als biologischer Link zwischen genetischer Prädisposition und Umwelteinflüssen zunehmend deutlich. Epigenetische Mechanismen wie die DNA Methylierung sind biochemische Modifikationen der DNA oder ihrer Raumstruktur. Sie regulieren die Funktionsweise von Genen, sind zeitlich dynamisch und können durch Umwelteinflüsse als auch durch psychotherapeutische Interventionen verändert werden.
Dieser Vortrag fasst jüngste Ergebnisse zu DNA Methylierungsveränderungen in sowohl ausgewählten Kandidatengenen (z.B. OXTR, MAOA, SLC6A4) als auch auf Epigenom-weiter Ebene bei Angst- und Zwangsstörungen zusammen hinsichtlich ihrer Rolle als Risikomarker wie auch als Prädiktoren und dynamische Korrelate des Psychotherapieansprechens.
Trotz einiger noch zu klärender Aspekte und Fallstricke birgt die epigenetische Forschung ein hohes, translationales Potential für die klinische Anwendung und könnte so zukünftig zur Entwicklung gezielterer, personalisierter und innovativer Behandlungsoptionen für Angst- und Zwangserkrankungen beitragen.
08:52 Uhr
Neuronale Korrelate der Furchtkonditionierung und das Ansprechen auf eine Expositionsbehandlung bei Spinnenphobie – Belege aus der Magnetenzephalographie
K. Roesmann (Siegen, DE)
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Autor:innen:
K. Roesmann (Siegen, DE)
J. Toelle (Münster, DE)
E. Leehr (Münster, DE)
I. Wessing (Münster, DE)
J. Böhnlein (Münster, DE)
M. Herrmann (Würzburg, DE)
U. Dannlowski (Münster, DE)
U. Lueken (Berlin, DE)
T. Straube (Münster, DE)
M. Junghöfer (Münster, DE)
Modelle für Angststörungen und das Rational der Expositionstherapie (ET) basieren auf der Klassischen Furchtkonditionierung. Dennoch ist es unklar, ob eine niedrigere Furchtantwort auf konditionierte Sicherheits- (versus Furcht-) Reize mit einem besseren Ansprechen auf ET assoziiert ist.
Im Rahmen der SpiderVR-Studie (SFB-TRR58, Projekte C07-C09) nahmen 66 Patienten mit Spinnenphobie nach der klinischen Prä-Diagnostik an einer experimentellen, magnetenzephalographischen Furchtkonditionierungsmessung, einer darauffolgenden Expositionssitzung in Virtueller Realität (VRET) sowie der klinischen Post-Diagnostik und einer 6-Monats-Follow-up Messung teil. In der Furchtkonditionierungsmessung wurden Gabor Patches als konditionierte Stimuli (CS) entweder kontingent mit einem störungsspezifischen und störungsunspezifischen unkonditionierten Reiz gepaart (CS+) oder niemals gepaart (CS-).
CS+/CS- Unterschiede in subjektiven Furchtantworten und ereigniskorrelierten Feldern (ERFs) wurden mit prozentualen Symptomreduktionen (Prä vs. Post VRET) im Spider Phobia Questionnaire und im Behavioral Avoidance Test sowie dem Remissionsstatus nach 6 Monaten korreliert.
Wir beobachteten keine Assoziationen zw. CS+/CS- Unterschieden in subjektiven Furchtratings und dem späteren Ansprechen auf VRET. In den Quellrekonstruktionen der ERFs zeigten sich Assoziationen zw. CS+/CS- Unterschieden und Symptomreduktionen. Patienten mit stärkerer Symptomreduktion zeigten eine höhere Aktivität auf den CS- in bilateralen dorsolateralen Arealen. Effekte zeigten sich auch in ventromedialen Arealen, welche zusätzlich mit dem Remissionsstatus assoziiert waren. Die Ergebnisse liefern erste Hinweise auf ein prädiktives Potenzial neuronaler Marker der Klassischen Konditionierung zur Vorhersage des Therapieansprechens. Unsere Ergebnisse lassen eine besondere Relevanz der neuronalen Antworten auf Sicherheitssignale (CS-) vermuten, mit potenziell furchtinhibitorischen Funktionen (Roesmann et al. 2022, NICL).
09:14 Uhr
Prädiktion der expositionsbasierten Psychotherapie durch neurobiologische Indikatoren der Furchtextinktion
J. Richter (Hildesheim, DE)
09:36 Uhr
Prädiktion individueller Psychotherapieergebnisse bei Angststörungen mittels fMRI Konnektivität und maschinellem Lernen
K. Hilbert (Berlin, DE)
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Autor:innen:
K. Hilbert (Berlin, DE)
A. Chavanne (Berlin, DE)
A. Hamm (Greifswald, DE)
A. Ströhle (Berlin, DE)
T. Kircher (Marburg, DE)
B. Straube (Marburg, DE)
U. Dannlowski (Münster, DE)
U. Lueken (Berlin, DE)
Die Fähigkeit, evidenzbasierte Prognosen über ein Behandlungsergebnis zu generieren, ist zentral für eine personalisierte Psychotherapie. Dabei könnten Neuroimaging-Daten klinischen Routinedaten bei der Entwicklung solcher Prädiktionsmodelle überlegen sein, allerdings liegen für den Neuroimaging-Bereich überwiegend Studien in sehr kleinen und selektiven Stichproben vor. Daher präsentieren wir hier zwei Untersuchungen zur Vorhersage individueller Behandlungsergebnisse bei expositionsbasierter Verhaltenstherapie von Angststörungen.
N = 192 PatientInnen mit Spinnenphobie (CRC-TRR58, Projekt C09) sowie N = 220 PatientInnen mit unterschiedlichen Angststörungen (BMBF Verbund PROTECT-AD) konnten für die Analysen verwendet werden. Individuelle Behandlungsergebnisse wurden zuerst anhand einzelner Datenmodalitäten vorhergesagt, darunter die funktionelle Konnektivität zwischen Hirnregionen, graphentheoretische Maße zur Beschreibung großer Hirnnetzwerke, sowie die Variabilität der Aktivierung über die Zeit. Ergänzt wurde ein Minimalset soziodemographisch-klinischer Daten. Anschließend wurden die separaten Vorhersagen des vorherigen Schritts in eine finale Prädiktion integriert.
In den Ergebnissen zeigte sich entgegen der Erwartung, dass die Vorhersagegenauigkeit für individuelle KVT Behandlungsergebnisse nicht über dem Zufallsniveau lag. Zudem waren Neuroimaging-Daten für die Vorhersage nicht informativer als das Minimalset soziodemographisch-klinischer Daten.
Diese Analysen in zwei relativ großen, bi- bzw. multizentrischen Studien, konnten keine grundsätzliche Überlegenheit von Neuroimaging-Daten zur Vorhersage individueller Behandlungsergebnisse im Vergleich zu klinischen Routinedaten bestätigen. Ergebnisse von Studien mit sehr kleinen Stichprobengrößen sollten daher mit Vorsicht interpretiert werden. Weitere Untersuchungen sind nötig, um zu klären, ob und welche Neuroimaging-Daten wertvoll für die evidenzbasierte Vorhersage individueller Behandlungsergebnisse sind.