10:15 Uhr
Evidenzlage zur Entwicklung der psychischen Gesundheit der Allgemeinbevölkerung während der COVID-19-Pandemie
S. Eicher (Berlin, DE)
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Autor:innen:
S. Eicher (Berlin, DE)
J. Wilhelm (DE)
E. Mauz (DE)
S. Junker (DE)
H. Hölling (DE)
J. Thom (DE)
Hintergrund: Die COVID-19-Pandemie hat zu erheblicher Forschungstätigkeit zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung geführt, wobei Studien methodisch und inhaltlich divers sind. Vor diesem Hintergrund wurde ein Rapid-Review (Stand: 30.07.2021) durchgeführt und seit 2022 monatlich aktualisiert. Ziel ist die methodische Bewertung der aktuellen Evidenzlage und Identifikation möglicher Forschungslücken.
Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche und ergänzende Handrecherche mit Einschluss von Veröffentlichungen bis 30.04.2022 durchgeführt. Studiendesign und Datengrundlagen wurden gemäß ihrer Eignung für repräsentative Aussagen für die Allgemeinbevölkerung sowie der verlässlichen Ableitung zeitlicher Vergleiche klassifiziert. Untersuchte Outcomes wurden thematisch gruppiert und Beobachtungszeiträume der eingeschlossenen Studien nach Phasen des Pandemieverlaufs abgetragen.
Ergebnis: Es konnten 118 Publikationen identifiziert werden. Etwa die Hälfte aller eingeschlossenen Publikationen lässt aufgrund der verwendeten Studienmethodik verlässliche Aussagen über Veränderungen der psychischen Gesundheit in der Allgemeinbevölkerung während der COVID-19-Pandemie zu. Wiederholte bevölkerungsrepräsentative Querschnittdaten liegen trotz ihrer hohen Aussagekraft selten vor. Die meisten Daten wurden im ersten Halbjahr 2020 erhoben. Eine Akute Symptomatik psychischer Störungen wurde häufiger, Positive Mental Health und Psychische Belastungen seltener untersucht. Eine standardisierte Diagnostik psychischer Störungen in der Bevölkerung wurde bisher nicht durchgeführt.
Diskussion: Der Überblick über den aktuellen Forschungsstand zeigt starke Unterschiede in der methodischen Eignung des Studiendesigns für bevölkerungsrepräsentative Trendaussagen auf. Forschungsbedarf besteht zum Pandemieverlauf nach Mitte 2020 sowie zur Prävalenz psychischer Störungen in der Bevölkerung. Eine derartige Evidenzbewertung kann bei der Priorisierung künftiger Forschung unterstützen.
10:27 Uhr
InterPoLCA: interdisziplinäres Post-/Long-COVID-Assessment
T. Loew (Regensburg, DE)
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Autor:innen:
T. Loew (Regensburg, DE)
B. Leinberger (Nürnberg, DE)
Hintergrund: Was ist nötig, damit Post-/Long-COVID-Patientinnen und Patienten das richtige Angebot bekommen? Im Rahmen einer Post-/LongCovid Spezialambulanz konnten wir internistisch-pneumologische, neuropsychologische-/neurologische und psychosomatische Diagnostik strukturiert kombinieren. Hier werden die Ergebnisse von 360 Patienten vorgestellt.
Methodik: Alle Patienten erhielten eine Spiroergometrie, führten einen 6 Min Walk durch, eine TAP-Testung, die Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit objektivieren ließ und psychologische Tests durch (PHQ-15, ein adaptiertes Maslach Burn Out Inventory und ein selbstentwickeltes Instrument zur aktuellen, spezifischen Krankheitsbelastung (RICK).
Ergebnisse: Das häufigste Symptom stellt die chronische Müdigkeit mit 75% dar, deshalb eignet es sich nicht zur Klassifizierung. Anhand der pneumologischen Befunde (Atemnot objektiviert durch Spiroergometrie und 6 Min. Walk), kann jedoch ein spezifischer Cut-off definiert werden, ebenso wie bei der TAP-Testung und auch beim RICK, so dass eine Klassifizierung unserer Patientinnen und Patienten möglich wird: Wir können 4 Gruppen unterscheiden: Etwa 16 Prozent sind psychologisch, neuopsychologisch und pneumologisch auffällig, etwa 32 Prozent in 2 der drei benannten Kategorien, weitere 32 Prozent ausschließlich in einer. Insgesamt überwiegen die pneumologischen Befunde (70 Prozent), 40 Prozent haben neuropsychologische, 20 Prozent psychosomatische Befunde. Die Gruppe, die drei Themenkomplexe erfüllt, ist auch die depressivste.
Diskussion: In der Konsequenz können aus diesen Zuordnungen Therapieoptionen abgeleitet und angeboten werden.
10:39 Uhr
Hilfesuchverhalten von Personen mit psychischen Problemen während der COVID-19-Pandemie: ein systematisches Review
D. Stelzmann (Berlin, DE)
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Autor:innen:
D. Stelzmann (Berlin, DE)
K. Faller (Berlin, DE)
N. Lüttschwager (Berlin, DE)
S. Sterl (Berlin, DE)
L. Gerhold (Berlin, DE)
Hintergrund: Seit der Covid-19-Pandemie dokumentieren Studien weltweit einen Anstieg der psychischen Belastung innerhalb der Allgemeinbevölkerung. Damit einhergehend zeichnet sich eine vermehrte Inanspruchnahme von psychologischen Hilfsangeboten ab. Grundsätzlich werden Hilfesuchende in diesem Prozess mit unterschiedlichen Barrieren konfrontiert, welche im Kontext der Pandemie durch verschiedene Faktoren positiv und negativ beeinflusst werden. Im Rahmen dessen ist unklar, wie sich das Hilfesuchverhalten während der Pandemie von prä-pandemischen Phasen unterscheidet und welche Erkenntnisse daraus für post-pandemische und peri-pandemische Phasen generiert werden können. Daher zielt dieses registrierte, systematische Review darauf ab, Erkenntnisse zum Hilfesuchverhalten von Personen, die während der Covid-19-Pandemie unter psychischen Problemen leiden bzw. litten, zu synthetisieren, und Barrieren zu identifizieren, welche sich auf das Hilfesuchverhalten der Betroffenen auswirken.
Methode: Es werden Studien inkludiert, die mittels Primärdaten (quantitative oder qualitative Designs) das Hilfesuchverhalten von Personen mit psychischen Problemen (während der Covid-19-Pandemie) untersucht haben und in einem peer-review Journal oder Preprint-Server auf Englisch oder Deutsch zwischen dem 01.01.20 und 14.06.22 veröffentlicht wurden. Mit Hilfe verschiedener Suchkombinationen wurden gängige Datenbanken durchsucht. Im Anschluss wurden relevante Studien auf Basis von Rickwood & Thomas‘ (2012) „Help-seeking measurement framework“ codiert und wenn nötig um induktive Kategorien ergänzt.
Ergebnisse: Erste Analysen zeigen, dass Betroffene primär auf semi-formelle Hilfsangebote (z.B. Telefonseelsorge) und Selbsthilfe (z.B. Onlineforen) zurückgreifen sowie sich gegenüber ihrem sozialen Umfeld (informelles Hilfsangebot) anvertrauen. Formelle Hilfsangebote (z.B. psychotherapeutische Konsultation) sind auch während der Pandemie an Barrieren wie Stigma oder finanzielle Ressourcen geknüpft.
10:51 Uhr
Monitoring der psychosozialen Gesundheit in Österreich während der COVID-19 Pandemie: aktuelle Zahlen
S. Sagerschnig (Wien, AT)
M. Pichler (Wien, AT)
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Autor:innen:
S. Sagerschnig (Wien, AT)
M. Pichler (Wien, AT)
Einleitung: Die COVID-19-Pandemie hat vielfältige psychosoziale Belastungen für die Bevölkerung mit sich gebracht, wobei unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen zu erwarten waren. Diese Belastungen können jedoch nicht so einfach beziffert werden. Anders als etwa bei Infektionszahlen oder Zahlen zur Bettenauslastung auf Intensivstationen gibt es keinen allgemein etablierten und tagesaktuellen Messwert für die psychosoziale Gesundheit. Daher ist es notwendig, mehrere verschiedene Indikatoren gemeinsam zu betrachten.
Methoden: Im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wurde ein Konzept entwickelt, um die Datenlage zu verbessern und zu untersuchen, welche Daten für ein regelmäßiges Monitoring geeignet und verfügbar sind. Daten aus den Bereichen psychosoziale Belastungen in der Allgemeinbevölkerung, familiäre Belastungen und Gewalt, Arbeitslosigkeit, (behandelte) psychische Erkrankungen und Suizidalität werden in ein laufendes Monitoring einbezogen.
Ergebnisse und Diskussion: Die einbezogenen Daten weisen auf eine kontinuierliche Zunahme der psychosozialen Belastungen in der Bevölkerung hin. Unter anderem haben bei Kindern und Jugendlichen die Krankenhausaufenthalte aufgrund bestimmter psychischer Störungen und suizidalen Verhaltens seit Beginn der Pandemie deutlich zugenommen, wobei sich die Situation seit dem Jahr 2021 noch einmal verschärft hat.
Diskussion: Trotz Einschränkungen (z.B. begrenzte Datenverfügbarkeit) ist es durch die gemeinsame Betrachtung verschiedener Indikatoren möglich, Entwicklungen der psychosozialen Gesundheit der österreichischen Bevölkerung abzubilden.
11:03 Uhr
Elternschaft während der SARS-CoV-2-Pandemie: unsichere oder ungelöste Bindungsrepräsentationen als Risikofaktor für schwieriges Elternverhalten
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Autor:innen:
U. Ziegenhain (DE)
M. Kipping (DE)
I. Mayer (DE)
J. Fegert (DE)
A. Buchheim (AT)
Die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie konfrontiert eine große Zahl junger Familien mit Stressfaktoren. Für Mütter mit einer Vorgeschichte von Misshandlung und Vernachlässigung in der Kindheit (CM) erhöht die Belastung während der aktuellen Pandemie ihr ohnehin schon erhöhtes Risiko für ein weniger sensibles Erziehungsverhalten. In dieser Studie soll untersucht werden, ob die mütterliche Bindungsrepräsentation die Beziehung zwischen mütterlichen CM-Erfahrungen und Veränderungen im Erziehungsverhalten während der Pandemie vermittelt. Im Rahmen einer Längsschnittstudie wurden CM der Mütter sowie ihr Bindungsrepräsentation untersucht. 92 Mütter füllten eine Online-Umfrage zur Pandemie" aus, in der sie ihr Erziehungsverhalten seit der Pandemie beurteilten. Die Wahrscheinlichkeit einer unsicheren Bindungsrepräsentation im Erwachsenenalter stieg mit höherer CM-Belastung. Im Vergleich zu einer sicheren mütterlichen Bindungsrepräsentation sagte eine unsichere Bindungsrepräsentation einen stärkeren Anstieg gefährdeter elterlicher Verhaltensweisen sowie einen weniger ausgeprägten Anstieg sensibler elterlicher Verhaltensweisen und der allgemeinen elterlichen Qualität seit dem Beginn der Pandemie voraus. Mediationsanalysen ergaben, dass die mütterliche Bindungsrepräsentation die Beziehung zwischen der mütterlichen CM-Belastung und dem Erziehungsverhalten vollständig erklärte.CM hat dauerhafte Auswirkungen auf die mütterlichen Bindungsrepräsentationen im Erwachsenenalter. Die Bindungsrepräsentationen der Mütter tragen zu einem weiteren Verständnis der intergenerationalen Übertragungsmechanismen von CM im späteren Erwachsenenalter bei, indem sie in schwierigen Zeiten einen gefährdeten Erziehungsansatz verfolgen. Daraus lässt sich schließen, dass die mütterliche Bindungsrepräsentation, insbesondere in Zeiten einer Pandemie, als ein wichtiger Faktor von Interventionen betrachtet werden sollte, die darauf abzielen, den Kreis der intergenerationalen Übertragung von CM zu durchbrechen.