Störungen des formalen Denkens sind nicht ausschliesslich Symptome der Schizophrenie, sondern kommen bei einer Reihe psychischer Erkrankungen vor. Sie können den Gedankenfluss, die Ideenproduktion, oder aber Syntax und Semantik der Sprache verändern. Formale Denkstörungen sind vielfältig, stören die Kommunikation empfindlich und tragen damit zu interaktionellen Schwierigkeiten bei, die soziale Teilhabe von Betroffenen stark einschränken. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind bis heute wenig verstanden. Bildgebende Verfahren hatten bei Erkrankungen des Schizophrenie-Spektrums nach charakteristischen Veränderungen in Hirnstruktur oder Hirnfunktion gesucht, konnten jedoch aufgrund der Komplexität und methodischer Einschränkungen noch keine schlüssigen Mechanismen beschreiben. Dieses Symposium widmet sich den neurobiologischen Grundlagen von formalen Denkstörungen. Die Beiträge kombinieren grosse Patientenkohorten über mehrere Erkrankungsformen, multimodale Hirnbildgebung und mehrdimensionale Erfassung formaler Denkstörungen. Ein Vortrag kombiniert Daten der ENIGMA-Schizophrenie-Kohorte zu formalen Denkstörungen und setzt sie in Relation zu typischen Veränderungen bei verschiedenen Zelltypen. Ein weiterer Vortrag untersucht Ruheperfusion und Hirnstruktur für positive und negative sowie objektive und subjektive formale Denkstörungen bei Menschen mit Schizophrenie. Ausserdem beleuchtet ein Beitrag die neuronalen Korrelate formaler Denkstörungen in einer grossen, transdiagnostischen Kohorte mit affektiven und psychotischen Erkrankungen. Zusammen werden diese Beiträge Möglichkeiten aufzeigen, wie ein komplexes psychopathologisches Phänomen zu untersuchen ist. Die verschiedenen Mechanismen, die zu formalen Denkstörungen führen, könnten zu mehreren Behandlungsansätzen führen.
17:37 Uhr
Spontansprache als Schlüssel in der Untersuchung von affektiven und psychotischen Störungen
F. Stein (Marburg, DE)
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Autor:in:
F. Stein (Marburg, DE)
Hintergrund: Jüngste Fortschritte weisen auf die Relevanz spontaner Sprachproduktion bei affektiven als auch psychotischen Störungen hin. Dabei werden verschiedene linguistische Bereiche mit automatisierten Methoden untersucht, um diagnostische und prognostische Instrumente zu entwickeln, die ohne spezielles Training reproduziert werden können. Studien zu Schizophrenie konnten bereits mehrfach zeigen, dass mithilfe von linguistischen Maßen die Diagnoseklassifikation mit einer Genauigkeit von etwa 82% erfolgen kann.
Methode: Analysiert wurden verschiedene sub-Samples einer Stichprobe (N=392) der FOR2107 Kohorte bestehend aus Patienten mit Majorer Depression (MDD), Schizophrenie-Spektrum-Störungen (SSD) und einer gesunden Kontrollgruppe (HC). Die Spotansprache wurde mithilfe von vier Bildern des thematischen Apperzeptionstest erhoben, indem die Teilnehmenden gebeten wurden Geschichten zu den jeweiligen Bildern zu erzählen. Die Spontansprachsamples wurden mithilfe eines „diagnosis-blind“ Verfahrens wörtlich transkribiert und auf diverse linguistische Maße ausgewertet. Die extrahierten Parameter wurden dann mittels (multi-)variater Modelle (u.a. ML-Klassifikation, Clustering-Verfahren, Netzwerkanalysen) detailliert untersucht.
Ergebnisse: SSD Patienten zeigten in fast allen untersuchten Domänen ausgeprägte Veränderungen verglichen zu MDD und HC. Prosodische Merkmale klassifizieren die untersuchten Diagnosekategorien mit einer Genauigkeit von etwa 97%. Netzwerkanalysen ergaben stärkere domänenspezifische als domänenübergreifende Verbindungen, wobei die syntaktische Komplexität und das verbale episodische Gedächtnis als zentrale Knotenpunkte zwischen den Netzwerken aus Spontansprache, Psychopathologie und Neuropsychologie erschienen.
Ausblick: Spontansprachmerkmale können dazu dienen zugrundeliegende Mechanismen bei affektiven und psychotischen Störungen in zu entschlüsseln. Die Klassifikationsraten liegen dabei deutlich höher als z.B. bei bildgebenden Verfahren.
17:59 Uhr
Spezifische neuronale Korrelate von vier Symptomdimensionen formaler Denkstörungen bei Psychosen
S. Walther (Bern, CH)
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Autor:innen:
S. Walther (Bern, CH)
S. Lefebvre (CH)
A. Pavlidou (CH)
L. Maderthaner (CH)
N. Nadesalingam (CH)
T. Kircher (DE)
W. Strik (CH)
V. Chapellier (CH)
F. Wüthrich (CH)
A. Kyrou (CH)
Formale Denkstörungen sind ein wichtiges Symptom von Psychosen. Die neuronalen Grundlagen formaler Denkstörungen sind schlecht verstanden. Diese Studie untersuchte die Zusammenhänge zwischen vier Dimensionen formaler Denkstörungen und Hirnstruktur bzw. Hirnperfusion.
110 Patient:innen mit Störungen des Schizophreniespektrums wurden mittels 3T MRT untersucht. Formale Denkstörungen wurden mittels Thought and Language Disorder Skala (TALD) erhoben, die vier Subskalen enthält: Objective Positive (OP), Objective Negative (ON), Subjective Positive (SP) und Subjective Negative (SN). Ruheblutfluss (rsCBF), kortikale Dicke (CortTh), Volumen der grauen Substanz (GMV), und Diffusionstractographie wurden auf Assoziationen mit den TALD Subskalen getestet, kontrolliert für Alter, Medikation, total intracranial volume und für die jeweils anderen drei TALD Subskalen.
Nach Korrektur für multiples Testen fanden sich spezifische Assoziationen für die vier Dimensionen. OP Werte hingen mit verstärkter Ruhedurchblutung und grösserer GMV im rechten Cerebellum und im Gyrus lingualis zusammen. Höhere SP Werte waren assoziiert mit mehr GMV bilateral im Präfrontalkortex. Dagegen waren ON mit weniger GMV im rechten prämotorischen Kortex assoziiert. Höhere Werte für SP hingen mit mehr CortTh im rechten Gyrus frontalis inferior zusammen. Höhere SN Werte hingen zusammen mit geringerer GMV im rechten Präfrontalcortex, linken Gyrus temporalis infrerior und im Supplementärmotorischen Areal.
Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse die Heterogenität einzelner Dimensionen formaler Denkstörungen. Wahrscheinlich gibt es getrennte Wege von neuronalen Veränderungen zu den subjektiven Erlebensweisen. Unsere Ergebnisse sprechen für den Einsatz differenzierter Behandlungsmethoden und für mehr Forschung zu den Ursachen formaler Denkstörungen.
18:21 Uhr
Divergenz hirnstruktureller Korrelate positiver und negativer formalgedanklicher Störungen bei Schizophrenie-Patienten in der ENIGMA-Kohorte
T. Nickl-Jockschat (Iowa City, US)