Der Klimawandel ist eine weltweite Krise, die eine noch nie dagewesene Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellt. Die klimabedingten Gefahren wie unter anderem Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren können bestehende psychische Probleme verschlimmern und begünstigen das Auftreten neuer psychischer Erkrankungen. Vulnerable Gruppen wie Menschen mit bereits bestehenden psychischen Erkrankungen sind überproportional durch die Effekte vom Klimawandel betroffen. Der Klimawandel bedeutet eine zunehmende Herausforderung für die Psychiatrie und Psychotherapie.
Im Rahmen der DGPPN-Task Force “Klima und Psyche” wurde das aktuelle Symposium initiiert. Den Chair übernimmt Herr Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz (Berlin) und den Co-Chair übernimmt Frau Prof. Dr. Steffi Riedel-Heller (Leipzig). Herr Dr. Lasse Brandt (Berlin) fasst die aktuelle Evidenz zu den Effekten vom Klimawandel auf schwere psychische Störungen zusammen. Herr Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg (Mannheim) spricht über Klimafeste Städte und Resilienzfaktoren für die psychische Gesundheit. Frau Dipl.-Psych. Franziska Welzel (Leipzig) berichtet über klimabezogene Gesundheitskompetenz und die Implikationen für Menschen mit schweren psychischen Störungen. Frau Prof. Dr. Ulrike Kluge (Berlin) spricht über den Klimawandel und Global Mental Health mit Fokus auf medizinanthropologische Zugänge im Zusammenhang mit Klimawandel und Migration.
10:59 Uhr
Klimabezogene Gesundheitskompetenz – Implikationen für Menschen mit schweren psychischen Störungen
F. Welzel (Leipzig, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
F. Welzel (Leipzig, DE)
M. Löbner (Leipzig, DE)
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
Vor dem Hintergrund weitreichender Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche und planetare Gesundheit wird dieser mittlerweile als Gesundheitskrise definiert. Auf die psychische Gesundheit wirkt der Klimawandel über direkte und indirekte Wege ein. Direkte Einflüsse beziehen sich u.a. auf eine Häufung traumatischer Erfahrungen infolge extremer Wetterereignisse bzw. Naturkatastrophen, wie zum Beispiel starke Unwetter, Überflutungen, Waldbrände. Indirekte Einflüsse auf die psychische Gesundheit ergeben sich infolge anhaltender Belastungen, Verluste von Ressourcen sowie dem Auftreten vielfältiger sozialer und ökonomischer Veränderungen, die mit den langfristigen Auswirkungen des Klimawandels und anhaltenden subakuten Wetterphänomenen verknüpft sind. Menschen mit psychischen Vorerkrankungen gelten als besonders vulnerable Gruppe im Zuge der Auswirkungen des Klimawandels sowohl für direkte als auch indirekte Einflüsse. Dies gilt umso mehr für Personen mit schweren psychischen Erkrankungen und der Einnahme von Psychopharmaka. Hinsichtlich Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen muss der Klimawandel als Risikofaktor daher zwingend mitgedacht werden. Der Etablierung und Stärkung einer klimabezogenen Gesundheitskompetenz kommt hier eine wesentliche Bedeutung zu. Das Finden, Verstehen und Bewerten von gesundheitsbezogenen Informationen wird ganz allgemein unter dem Terminus Gesundheitskompetenz zusammengefasst. Die klimabezogene Gesundheitskompetenz bezieht sich ergänzend auf die Fähigkeit, die Interdependenz von Klima und Wetterphänomenen, Verhalten und der eigenen Gesundheit verstehen zu können, und so den Erhalt der eigenen Gesundheit zu fördern. Fragen hinsichtlich der Bedeutung einer Klimagesundheitskompetenz in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung, sowie Implikationen für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen sollen abgeleitet und diskutiert werden.
11:21 Uhr
Klimawandel und Global Mental Health – medizinanthropologische Zugänge im Zusammenhang mit Klimawandel und Migration
U. Kluge (Berlin, DE)
Details anzeigen
Autor:in:
U. Kluge (Berlin, DE)
Soziale Transformationsprozesse, die in Folge von Krisen, wie Fluchtmigration und Klimawandel zu beobachten sind, führen zu neuen gesundheitsbezogenen Herausforderungen. Um das Zusammenspiel daraus resultierender Gesundheitsrisiken, lokaler und transnationaler Praktiken und Infrastrukturen in ihrer weltweiten Verwobenheit zu verstehen, bedarf es kritischer interdisziplinärer Zugänge.
Ziel solcher Zugänge, wie sie in der Medizinanthropologie und kritischen Global Mental Health Ansätzen entwickelt werden ist es, Bedeutungen, Erklärungsmodelle und Praktiken zu untersuchen, die in lokalen Kontexten zu Gesundheit, Krankheit und Heilung/Behandlungen existieren, wie sie verhandelt und transformiert werden. Hierüber wird es möglich kontextspezifische politische, soziale und ökologische Bedingungen in ihrer Wirkung auf Gesundheitsdiskurse- und praktiken und deren Situiertheit zu verstehen.
Um die Notwendigkeit kritischer Global Mental Health Zugänge exemplarisch zu bebildern, gibt die Präsentation (I) einen kurzen Einblick in interdisziplinäre Forschungsstrategien, die Psychologie, Medizinanthropologie und Migrationsforschung mit Fragen aus der Rassismusforschung und den Postcolonial Studies verzahnen, (II) fokussiert theoretisch konzeptionell einen erweiterten Traumabegriff, der medizinische, psychologische, soziale und politische Dimensionen berücksichtigt. Darauf basierend werden (III) Einblicke in vier internationale Studien mit folgenden Forschungsschwerpunkten gegeben: (a) Erklärungsmodelle verschiedenen Herkunftsgruppen zu Vorstellungen psychischer Belastungen, (b) Faktoren psychosozialer Integration Geflüchteter in diverse soziokulturelle Kontexte, (c) Narrationen psychischer Leidenserfahrungen vor dem Hintergrund politischer Diskurse und (d) gesundheitsbezogene solidarische Praxen und Infrastrukturen und ihre Gelingensbedingungen. Der Beitrag schließt mit einer Auswahl von Kriterien und Strategien die kontextsensitive Infrastrukturen ermöglichen.