Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen. Expositionsbasierte Psychotherapie zeigt als Methode der ersten Wahl durchschnittlich eine hohe Wirksamkeit, der individuelle Erfolg variiert allerdings beträchtlich. Basierend auf dem Modell des inhibitorischen Extinktionslernens werden zentrale Wirkmechanismen und Anwendungsfaktoren für eine personalisierte Optimierung diskutiert. Vortrag 1 (Schneider) berichtet Ergebnisse eines multizentrischen RCTs zur Wirksamkeit von optimierter Expositionstherapie bei Kindern und Jugendlichen (N=391) unter besonderer Berücksichtigung des expliziten Einbezugs der Eltern. Aufbauend auf dem Modell des Extinktionslernens werden Prädiktoren des Therapieerfolgs vorgestellt. Vortrag 2 (Pittig) stellt Daten zur Optimierung von Expositionstherapie im Erwachsenenalter (N=726) vor. Eine zeitliche Verdichtung erzielte äquivalente Symptomreduktion in kürzerer Zeit und mit langfristig höherer Lebensqualität. Analysen von detaillierten Expositionsprotokollen (N=8.484) weisen auf die Veränderung der zentralen Befürchtung als Wirkprozess hin. Vortrag 3 (Straube) fokussiert auf neuronale Veränderungen durch Furchtextinktion bei gesunden Personen und zeigt abnehmende Aktivität in der Insula und im cingulären Cortex sowie abnehmende negative Bewertungen des Furchtreizes. Diese Anpassung war bei Personen mit hoher Unsicherheitsintoleranz und Ängstlichkeit beeinträchtigt. Ähnliche Effekte werden bei Patient:innen mit Angststörungen vor und nach einer intensivierten Exposition untersucht. Vortrag 4 (Schiele) berichtet Ergebnisse der bislang größten longitudinalen Epigenom-weiten Assoziationsstudie (EWAS) bei Angststörungen im Erwachsenenalter (N=547). Die identifizierten DNA Methylierungsmuster als Marker des Krankheitsstatus, als Prädiktoren des Therapieansprechens und als womöglich mechanistische Vermittler des Therapieerfolgs könnten in Zukunft als Biomarker für targetierte präventive oder therapeutische Interventionen dienen.
13:30 Uhr
Optimierte Expositionstherapie bei Kindern und Jugendlichen und die Rolle des Einbezugs der Eltern
S. Schneider (Bochum, DE)
13:52 Uhr
Wirksamkeit und Wirkprozesse befürchtungszentrierter Exposition im Erwachsenenalter
A. Pittig (Erlangen, DE)
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Autor:in:
A. Pittig (Erlangen, DE)
Exposition, d.h. die wiederholte Konfrontation mit individuell angstbesetzten Reiz und Situationen, ist ein fundamentaler Bestandteil der kognitiven Verhaltenstherapie bei Angststörungen. Für eine gezielte Optimierung von Exposition für den Einzelfall müssen sowohl verschiedene Anwendungsformen als auch die zugrundeliegenden Wirkprozesse besser erforscht werden. In diesem Vortrag werden Ergebnisse einer umfangreichen klinisch-randomisierten Studie zur Optimierung von Expositionstherapie im Erwachsenenalter (N=726) vor. Patient:innen mit Panikstörung, Agoraphobie, Sozialer Angststörung und multiplen Spezifischen Phobien erhielten eine zeitlich verdichtete oder gestreckte Variante der Expositionstherapie. Inhaltlich fokussierten die Expositionsübungen auf einer Widerlegung von zentralen Befürchtungen der Patient:innen. Eine zeitliche Verdichtung erzielte äquivalente Symptomreduktion in kürzerer Zeit und mit langfristig höherer Lebensqualität (6 Monatskatamnese). Analysen von detaillierten Expositionsprotokollen (N=8.484) weisen auf die Veränderung der zentralen Befürchtung als einem zentralen Wirkprozess hin, der eine hohe Varianz zwischen den behandelten Patient:innen zeigte. Eine Optimierung sollte daher stärker auf einer Konsolidierung und Nachbearbeitung der neuen Lernerfahrungen aus der Exposition aufbauen.
14:36 Uhr
Epigenetische Prädiktoren und Korrelate der Furchtextinktion
M. Schiele (Freiburg im Breisgau, DE)
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Autor:innen:
M. Schiele (Freiburg im Breisgau, DE)
J. Lipovsek (DE)
A. Pittig (DE)
I. Heinig (DE)
J. Hoyer (DE)
H. Wittchen (DE)
A. Erhardt (DE)
A. Köttgen (DE)
J. Deckert (DE)
K. Domschke (DE)
Epigenetische Mechanismen wie die DNA Methylierung sind biochemische Modifikationen der DNA oder ihrer Raumstruktur. Sie regulieren die Funktionsweise von Genen, sind zeitlich dynamisch und können durch Umwelteinflüsse verändert werden. Ergebnisse aus Kandidatengen-basierten Ansätzen sowie erste Epigenom-weite Assoziationsstudien (EWAS) weisen zudem auf dynamische Veränderungen in epigenetischen Signaturen durch psychotherapeutische Interventionen hin.
In diesem Vortrag werden die Ergebnisse der bislang größten EWAS bei Angststörungen im Erwachsenenalter zusammengefasst, welche im Rahmen des PROTECT-AD Netzwerks erhoben wurden. In einem Fall-Kontroll Ansatz konnten signifikant veränderte DNA Methylierungsmuster an 256 CpG Sites (p < 5.77E-8) bei Patienten mit Panikstörung (N=257) im Vergleich zu einer gesunden Kontrollstichprobe identifiziert werden. In der Gesamtstichprobe von Patienten mit Angsterkrankungen konnten darüber hinaus in einem longitudinalen, Therapie-epigenetischen Ansatz eine suggestiv signifikante (p < 1E-5) differenzielle Methylierung an 10 CpG Sites vor Behandlungsbeginn (Baseline) als Prädiktoren des Ansprechens auf eine kognitive Verhaltenstherapie identifiziert werden. Schließlich konnten epigenomweite DNA Methylierungsveränderungen von suggestiver Signifikanz im Therapieverlauf von Baseline zu Therapieende (13 CpGs) bzw. bis zum Ende eines 6-monatigen Follow-up Zeitpunkts (9 CpGs) in Abhängigkeit des Therapieansprechens beobachtet werden.
Epigenetische Signaturen stellen somit mögliche Biomarker des Krankheitsstatus, der Vorhersage wie auch der mechanistischen Vermittlung des Psychotherapieansprechens dar. Auf der Basis epigenetischer Forschung wäre zukünftig denkbar, einen Beitrag zur Entwicklung gezielterer, personalisierter und innovativer Behandlungsoptionen für Angsterkrankungen zu leisten.