Fetale Alkoholspektrumstörungen sind eine Gruppe von Entwicklungsstörungen die durch intrauterine Alkoholexposition verursacht sind [1]. Die Prävalenz wird global auf zwischen einem und acht Prozent geschätzt [2]. FASD geht über die gesamte Lebensspanne mit erheblichen neurokognitiven Funktionsbeeinträchtigungen, vor allem exekutiver Funktionen, einher [3]. Hinzu kommen Defizite bei sozialer Kognition [4] und adaptivem Sozialverhalten [5, 6]. Der bisherige Forschungsstand legt zudem nah, dass die Prävalenz von Substanzkonsum, substanzbezogenen Störungen und weiteren komorbiden psychischen Störungen bei FASD-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist [7, 8]. Sekundäre Probleme wie Schulabbrüche, Arbeits- und Obdachlosigkeit oder Konflikte mit dem Gesetz treten gehäuft auf [9, 10]. Obgleich FASD lebenslänglich besteht, sind störungsspezifische Angebote zur Diagnostik rar. Erwachsene, die mit FASD leben, sind aktuell in Deutschland mit einer Versorgungslücke konfrontiert.
Das Symposium gibt zunächst einen einführenden Überblick über die Symptomatik von FASD über die Lebensspanne. Es werden die ersten Evaluationsergebnisse eines deutschsprachigen Diagnostikinstruments zum Screening im Hinblick auf FASD für klinische Populationen vorgestellt. Ein weiterer Beitrag stellt die Ergebnisse neuropsychologischer Testverfahren hinsichtlich exekutiver Funktionen bei Erwachsenen FASD-Patient*innen vor. Zudem werden erste Ergebnisse zur sozialen Kognition und „Theory of mind“ bei Erwachsenen mit FASD präsentiert. Den Abschluss bildet ein Ausblick in die ambulante Versorgung erwachsener FASD-Patient*innen mit der Vorstellung des Konzeptes einer bundesweit einmaligen Beratungsstelle für Erwachsene mit FASD.
10:15 Uhr
Evaluation des biographischen Screeninginterviews bei fetaler Alkohol-Spektrum-Störungen (BSI-FASD)
M. Widder-König (Nürnberg, DE)
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Autor:innen:
M. Widder-König (Nürnberg, DE)
L. Mierzwa (DE)
L. Schwerg (DE)
H. Schecke (DE)
J. Kornhuber (DE)
P. Bouna-Pyrrou (DE)
J. Bumb (DE)
T. Richter-Schmidinger (DE)
B. Lenz (DE)
Alcohol consumption during pregnancy may lead to permanent damage in the offspring, including fetal alcohol spectrum disorders (FASD), which have an estimated prevalence of 1–8% worldwide. In adulthood, diagnosing FASD is time‑consuming and costly. This study aimed to evaluate the discriminatory power of a German screening instrument for FASD in adults—the biographic screening interview (BSI‑FASD). In an open‑label comparative cohort study wherein a one‑time survey was administered per participant, we compared 22 subjects with confirmed FASD with control groups of 15 subjects diagnosed with attention deficit hyperactivity disorder (ADHD), 20 subjects with alcohol or opiate dependence, 18 subjects with depression, and 31 controls without prenatal alcohol exposure. The BSI‑FASD was found to be resource‑efficient, user ‑friendly, comprehensible, and easily applicable. It provided an overall good convergent and discriminant validity with a sensitivity of 0.77 (adapted 0.86) and specificities between 0.70 and 1.00. The BSI‑FASD subdomains differed in their power to differentiate FASD from the groups. This study established that the BSI‑FASD is an efficient instrument to screen adults with suspected FASD. The BSI‑FASD may facilitate future diagnostic evaluation and thereby contribute to improved treatment of affected individuals.
10:45 Uhr
Exekutive (Dys-)funktion bei Erwachsenen mit FASD
T. Richter-Schmidinger (Erlangen, DE)
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Autor:in:
T. Richter-Schmidinger (Erlangen, DE)
Gestörte Exekutivfunktionen gelten als Kernproblematik bei FASD. Betroffene haben mitunter gravierende Schwierigkeiten, eigene Handlungen zu planen, zu steuern und zu überwachen. Damit verbunden sind Einschränkungen im Unterdrücken von unpassenden Handlungen und im Lernen aus begangenen Fehlern.
Das Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren DEX (Dysexecutive Questionnaire von Burgess et al., 1996) bietet ökonomisch einen Überblick exekutiver (Dys-)Funktionen im Alltag und einen Hinweis zur Indifferenz gegenüber eigener Defizite. Es kann derart einen wichtigen Beitrag zur Diagnosestellung und auch zur Auswahl individualisierter Hilfsmaßnahmen liefern. Zudem scheint es verlässlich das dysexekutive Syndrom bei FASD von dem bei AD(H)S zu unterscheiden. Präsentiert werden die Daten aus der Spezialsprechstunde „FASD im Erwachsenenalter“ der Uniklinik Erlangen.
11:15 Uhr
Soziale Kognition und „Theory of Mind“ bei Erwachsenen mit FASD
H. Schecke (Essen, DE)
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Autor:in:
H. Schecke (Essen, DE)
Menschen, die mit fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) leben, erleben im Alltag häufig Probleme in der sozialen Interaktion. Dies könnte auf Einschränkungen bei sozialen Kognitionsprozessen, und hier vor allem bei der „theory of mind“ (TOM), zurückzuführen sein. Studien an Kindern mit FASD zeigten Defizite in der TOM im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen und zu Kindern mit anderen Entwicklungsstörungen (z.B. ADHS oder Autismusspektrumstörungen). Zudem fand sich in Studien an Kindern eine Stagnation oder sogar eine Verschlechterung der Leistungen in TOM-Aufgaben im Zeitverlauf. Studien zur TOM bei Erwachsenen, die mit FASD leben, liegen bislang nicht vor. Daher bleibt unklar, wie sich die TOM über die Lebensspanne entwickelt.
Methode: Eingeschlossen wurden erwachsene Menschen, die mit FASD leben und in einer Spezialambulanz für FASD im Erwachsenenalter diagnostiziert wurden und gesunde Kontrollproband*innen. Die Studienteilnehmer*innen erhielten zwei Aufgaben zur Erfassung sozial kognitiver Prozesse. Zum Einen den „Reading Mind in the Eyes“- Test (Baron-Cohen et al., 2001b), zur Erfassung der affektiven Komponente der TOM sowie das „Moving Shapes“-Paradigma (Abell et al., 2000) zur Erfassung der kognitiven Komponente der TOM.
Ergebnisse: Die Datenerhebung läuft noch. Ergebnisse werden zum DGPPN Kongress im November 2022 vorliegen. Bislang konnten 50 Personen mit FASD und 40 gesunde Kontrollpersonen eingeschlossen werden.