In Deutschland sind psychische Erkrankungen der zweithäufigste Grund für Krankschreibungen und stellen mit über 40 % den wichtigsten Grund für Frühverrentungen dar. Das etablierte System der beruflichen Rehabilitation erzielt mit seinen Möglichkeiten keine hinreichende Inklusion psychisch erkrankter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die im Rahmen des BTHG definierten Modellprojekte erlangen in der rehapro-Förderinitiative des BMAS eine besondere Bedeutung. Für die Gruppe der schwer psychisch erkrankten Menschen bieten die anvisierten Förderziele Möglichkeiten, das innovative, international erprobte und evidenzbasierte IPS-Konzept (Individual Placement and Support) umzusetzen. Das Symposium wurde gemeinsam mit verantwortlichen Vertretern des BMAS und Projektleitungen aus zwei geförderten rehapro-Initiativen initiiert und fokussiert auf IPS-Ansätze für schwer psychisch erkrankte Menschen mit Zugang zum ersten Arbeitsmarkt. Während im ZiB-IPS in größeren Regionen zweier Bundesländer psychisch kranke Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf direkt aus der Krankenhausbehandlung über ein spezifisches Assessment ein individuell angepasstes Rehabilitationsarrangement und Regelbehandlung-synchronisierte Interventionen zum Wiedereintritt in den Beruf inklusive Jobcoaching am Arbeitsplatz erhalten, setzt LIPSY bei einem niedrigschwelligen Screening von Langzeitarbeitslosen mit bislang unerkannten psychischen Erkrankungen und Unterstützungsbedarfen im Jobcenter Leipzig an. Die dann ebenfalls durch psychologisches Assessment hinsichtlich Relevanz einer psychiatrischen Diagnose in das SGB V-Regelbehandlungssystem navigierten Patient/innen mit schweren psychischen Erkrankungen erfahren im PIA-Kontext einer großen Leipziger Versorgungsklinik im randomisiert-kontrollierten Design des IPS-Trials IPS-Coaching integrativ zur psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung. Von beiden Projekten werden das methodische Design und erste Evaluationsergebnisse vorgestellt.
08:30 Uhr
Überblick und Gesamtperspektive ZiB_IPS
I. Steinhart (Dortmund , DE)
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Autor:in:
I. Steinhart (Dortmund , DE)
Im ersten Teil des Vortrages wird ein Überblick über den aktuellen Stand des rehapro Programms der Bundesregierung gegeben. Anschließend wird das Projekt „IPS-Coaching - Zurück ins Berufsleben“(IPS_ZiB) vorgestellt.
Die aktuelle Situation in der Psychiatrie ist gekennzeichnet durch einen starken Bruch in der rehabilitativen Versorgung unmittelbar nach der Krankenhausbehandlung. Solche Brüche führen zu einem hohen Anteil von frühen Berentungen wegen Erwerbsminderung. Bei der Rentenversicherung stehen zeitlich limitierte und gestufte Maßnahmen zur Integration im Vordergrund, bei denen aber nach Aufnahme einer Beschäftigung die Unterstützung schnell endet. Zielgruppe der Maßnahme sind Personen mit psychotischen oder affektiven Störungen mit komplexem Unterstützungsbedarf, für die eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht. Diese Zielgruppe benötigt frühzeitige, passgenaue, in der psychiatrischen Krankenhausbehandlung beginnende sowie in den Überleitungsprozess integrierte Interventionen zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben, die bei Bedarf in eine (zunächst) unbefristete Unterstützung am Arbeitsplatz münden. Erprobt wird ein sehr individuell zugeschnittenes Rehabilitationsarrangement, das von einem Jobcoach begleitet wird, wobei das Jobcoaching durch externe Reha-Anbieter und die Kliniken Hand in Hand arbeiten. Dieses IPS-Coaching (Individual Placement and Support) orientiert sich am Evidenzbasierten Konzept des Supported Employment (SE). Die Erprobung erfolgt in der Region Greifswald, im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und in der Region Bielefeld. Das Hauptziel ist, psychisch kranke Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf direkt aus der Krankenhausbehandlung durch an der Person orientierte evidenzbasierte Interventionen zu unterstützen, so dass eine nachhaltige berufliche Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht wird.
08:52 Uhr
Wissenschaftliche Evaluation ZiB_IPS
L. Dehn (Bielefeld, DE)
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Autor:innen:
L. Dehn (Bielefeld, DE)
J. Schreiter (Rostock , DE)
S. Jenderny (Rostock, DE)
J. Bergdolt (Bielefeld , DE)
M. Driessen (Bielefeld , DE)
I. Steinhart (Rostock, DE)
Hintergrund: Das Praxisforschungsprojekt „IPS-Coaching: Zurück ins Berufsleben“ (IPS-ZIB) verfolgt das Ziel, mittels IPS-Einzelcoaching (Individual Placement and Support) psychisch kranke Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf direkt aus der psychiatrischen Krankenhausbehandlung bei der nachhaltigen beruflichen (Wieder)Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Methode: In zwei Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern sowie in Bielefeld sollten zwischen Januar 2021 und März 2022 insgesamt 150 Personen mit psychotischen oder affektiven Störungen (ICD-10: F2/F3), komplexem Unterstützungsbedarf und erheblicher Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit für die IPS-Interventionsgruppe gewonnen werden.
Ergebnisse: An beiden Standorten wurden zusammen n=152 Personen (53% weiblich) in die Studie aufgenommen. Diese waren im Mittel 42 Jahre alt, hatten größtenteils (67%) schon mind. 10 Jahre Berufserfahrungen auf dem ersten Arbeitsmarkt und gingen auch zu Studienbeginn mehrheitlich (61%) einer regulären sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach. Nahezu alle Personen hatten eine F3-Diagnose (91,4%), größtenteils als rezidivierende depressive Störung (F33). Für die verschiedenen psychosozialen Messgrößen (WAI, BDI-II, SCL-K9, WHODAS 2.0, OxCAP etc.) ergaben sich an beiden Projektstandorten keine signifikanten Unterschiede zwischen Personen mit und ohne bestehendem Arbeitsverhältnis.
Schlussfolgerungen: Trotz Corona-Pandemie ist es gelungen, ein innovatives Angebot zur beruflichen (Re-)Integration auf den Weg zu bringen und die geplante Teilnehmendenzahl für das Modellprojekt zu erzielen. Dennoch werden unter den gegebenen Einschlusskriterien kaum Menschen mit F2-Diagnose und v.a. Personen mit bestehendem Beschäftigungsverhältnis erreicht. Der weitere Studienverlauf mit Vergleichsgruppe wird zeigen, inwiefern sich das IPS-Coaching als sinnvolle Alternative bzw. Ergänzung zum Regelversorgungssystem herausstellt.
09:14 Uhr
Überblick und Gesamtperspektive LIPSY
K. Stengler (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
K. Stengler (Leipzig, DE)
M. Alberti (Leipzig, DE)
M. Koschig (Leipzig, DE)
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
Das etablierte System der beruflichen Rehabilitation erzielt in Deutschland keine hinreichende Inklusion schwer psychisch erkrankter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die im Rahmen des BTHG definierten Modellprojekte erlangen in diesem Feld in der rehapro-Förderinitiative des BMAS eine besondere Bedeutung. Das hier vorgestellte Kooperationsprojekt (LIPSY) des Jobcenter, des Helios-Parkklinikum (H-PKL) und der Universität in Leipzig auf der Basis des Individual Placement and Support-Konzepts (IPS) setzt bei einem niedrigschwelligen Screening von Langzeitarbeitslosen mit bislang unerkannten psychischen Erkrankungen und Unterstützungsbedarfen an. Die im psychologischen Assessment hinsichtlich Relevanz einer psychiatrischen Diagnose in das SGB V-Regelbehandlungssystem navigierten Patient/innen mit schweren psychischen Erkrankungen erfahren im PIA-Kontext des Zentrums Seelische Gesundheit am H-PKL im randomisiert-kontrollierten Design des IPS-Trials IPS-Coaching integrativ zur psychiatrisch-psychotherapeutischen Regelbehandlung. Herausfordernd sind dabei einerseits die am 1. Arbeitsmarkt orientierten Job-Coachings und andererseits die erfolgreiche Inklusion von IPS und Krankenhausbehandlung. Zu beiden Aspekten wird referiert und in die interessante Diskussion eingeladen.
09:36 Uhr
Ergebnisse der LIPSY-Basisevaluation und Trialdesign
F. Hussenoeder (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
I. Conrad (Leipzig, DE)
K. Stengler (Leipzig, DE)
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
F. Hussenoeder (Leipzig, DE)