Angebote beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen für psychisch erkrankte Menschen sind im Hinblick auf deren Konzeption, Mitarbeiterqualifikation und konkrete Interventionen oft ohne hinreichend spezifischen Bezug auf einzelne Krankheitsbilder und deren jeweilige Krankheitsfolgen. Gründe hierfür sind im durch die Sozialgesetzgebung fragmentierten Versorgungssystem zu suchen, welches psychiatrisches und psychotherapeutisches Know-how leistungsrechtlich aus beruflichen Maßnahmen weitgehend ausschließt und zum Auseinanderdriften rehabilitativer Ansätze zwischen den therapeutischen Professionen geführt hat. Die krankheitsbedingten Einschränkungen der Arbeitsfähigkeiten sind jedoch tiefgehend und bei verschiedenen psychischen Erkrankungen sehr unterschiedlich, andererseits sind sie krankheits-/diagnosenspezifisch gut beschreibbar. Störungsspezifische Behandlungsverfahren können, wenn sie im Arbeitskontext angewendet werden, nachhaltigere Verbesserungen von Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeiten bewirken als „unspezifische“ Trainingsmaßnahmen.
In der längerfristigen, von der medizinischen Phase in die berufliche Phase nahtlos übergehenden Rehabilitation in der RPK besteht die Möglichkeit, die sozialen und beruflichen Teilhabestörungen zu erfassen, daraufhin individuelle störungsspezifische Interventionen zu erarbeiten und diese auch in der beruflichen Rehabilitation fortlaufend umzusetzen.
Hierzu steht ein multidisziplinäres Team zur Verfügung, welches auch in der primär arbeitsrehabilitativen beruflichen Phase spezifische psychotherapeutische Interventionen fortsetzt und deren Übertragung in den arbeitsrehabilitativen Kontext gewährleistet.
Dieses Alleinstellungsmerkmal der RPK-Einrichtungen möchten wir konzeptionell darstellen und exemplarisch ausführen. Außerdem wollen wir zeigen, wie auch die nicht-ärztlichen bzw. nicht-psychologischen Berufsgruppen dazu befähigt werden können, störungsspezifische Interventionen teamkonsistent im Arbeitsbereich anzuwenden.
10:15 Uhr
Das besondere Profil der Arbeitsrehabilitation in der RPK
G. Wirtz (Karlsbad, DE)
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Autor:in:
G. Wirtz (Karlsbad, DE)
Die medizinisch berufliche Rehabilitation für psychisch kranke Menschen in der RPK stellt das einzige Modell einer Komplexmaßnahme in der Versorgung psychisch kranker Menschen dar. Die Maßnahme zeichnet sich dadurch aus, dass bereits früh in der medizinischen Rehabilitationsphase beginnend arbeitsbezogene Rehabilitationsaspekte durch spezifische Therapie- und Trainingsangebote unter der Steuerung durch ein interdisziplinäres Team beginnen, während auch medizinisch psychotherapeutische Behandlungsaspekte den Rehabilitationsverlauf noch stark mitprägen. Diese Kernelemente der Maßnahme wird über den gesamten Rehabilitationsverlauf beibehalten, wobei sich die arbeitsrehabilitativen Aspekte durch unterschiedliche Merkmale auszeichnen:
Heranführung an zielorientiertes Tätigsein, um Funktionalität des eigenen Handels im Hinblick auf Planungs- und Produktionsschritte zu ermöglichen und zu trainieren.
Integration individueller Lebensziele mit tätigkeits- und in der Folge arbeitsbezogenen Lebenszielen
Trainieren von Sicherheit in Bezug auf Grundarbeitsfertigkeiten
Transfer der erlernten Inhalte vor dem Hintergrund individueller Zielsetzungen in Arbeitsmakrtsettings im Rahmen von Betriebspraktika oder Probearbeiten
Diese Merkmale eines Arbeitsrehabilitativen Ansatzes werden integriert in ein Modell störungsspezifischer Rehabilitation vor dem Hintergrund der Berücksichtigung spezifischer psychotherapeutischer Wirkfaktoren.
Der Beitrag soll die Umsetzung arbeitsrehabilitativer Merkmale im Rahmen eines wirkfaktorenorientierten Gesamtkonzeptes vorstellen, die Umsetzung anhand von Fallbeispielen erläutern und die Wirksamkeit im Sinne beruflicher Integration und Teilnehmerzufriedenheit an einem Einrichtungsbeispiel wiedergeben.
10:37 Uhr
Störungsspezifische Interventionen in der beruflichen Phase der RPK
U. Saur (Paderborn, DE)
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U. Saur (Paderborn, DE)
Im zweiten Vortrag wird vorgestellt, wie bereits mit Beginn der medizinischen Rehabilitationsphase krankheitsspezifische Rehabilitationsziele bezüglich der Körperfunktionen, der Aktivitäten und Teilhabe sowie der Kontextfaktoren auf der konzeptionellen Grundlage der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit , Behinderung und Gesundheit erhoben werden und welche krankheitsspezifischen Interventionen mit Bezug zum einzelnen Krankheitsbild und dem beruflichen Teilhabeziel erfolgen. Dabei werden die Interventionen in der beruflichen Phase weiterentwickelt und angepasst.
Liegt in der medizinischen Phase ein wesentlicher Schwerpunkt noch auf der Entwicklung von Resilienz, Krankheitsakzeptanz und dem aktiven Verlassen der Opferrolle, steht in der beruflichen Phase eine sich wiederholende Reflexion und Reduzierung typischen Problemverhaltens in leistungsfordernden Situationen im Vordergrund. In der Regel kommt es in leistungsfordernden Situationen fast immer zu einer Aktivierung von Problemverhalten, auch wenn dieses in einem stabilisierenden Rahmen bereits überwunden scheint.
Anhand zweier häufiger Krankheitsbilder Depression und Psychose wird gezeigt, wie auf dem Boden eines verhaltenstherapeutisch entwickelten Krankheitskonzeptes unterschiedliche Regulationsstrategien berufsgruppenübergreifend eingeübt werden können. In engem Austausch zwischen Bezugstherapeut*in, Psychotherapeut*in, Fachkraft Berufliche Rehabilitation wird auf ein in der konkreten Arbeitssituation auftretendes Problemverhalten fokussiert, ein einheitlicher für das Krankheitsbild passender Interaktions- und Interventionsstil festgelegt und arbeitsbezogene Skills und Bewältigungsstrategien aktiv eingeübt. Dabei wird auch das zukünftige Arbeitsumfeld einbezogen.
10:59 Uhr
Das störungsspezifische Vorgehen in der Arbeitsrehabilitation der RPK am Beispiel der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung
P. Heise (Stuttgart, DE)
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P. Heise (Stuttgart, DE)
Der berufliche oder allgemein der Leistungsbereich ist oft überaus wichtig für Menschen mit einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, da sie durch Erfolg in diesem Bereich ihr unsicheres Identitätsempfinden und ihren fragilen Selbstwert versuchen zu stabilisieren. Dies ist durch das hohe Anspannungslevel, hohe emotionale Reagibilität auf soziale Situationen, keine Grenzen wahrnehmen und setzen können und sich dadurch überfordern und übermäßige Sensibilität und Aufmerksamkeitsfokussierung auf soziale Setting-Faktoren dauerhaft oft nicht möglich. Trotz guter arbeitsrelevanter Ressourcen ist die Rate einer nachhaltigen Eingliederung in Arbeit relativ niedrig.
Es werden die diagnosespezifischen Einschränkungen und die Ressourcen und Barrieren -persönliche und umweltbedingte- beschrieben.
Danach folgt die Erörterung spezifischer Interventionen in Bezug auf das Anspannungsmanagement, auf Grenzen setzen können und selbstfürsorgliches Handeln, auf Reflexion und Veränderung dysfunktionaler Grundannahmen und die Erarbeitung einer adäquaten Leistungserwartung.
Es werden das Vorgehen, der Aufbau und das Training der veränderungsrelevanten Bewältigungsstrategien vorgestellt.
Mit Beispielen wird der Transfer der erarbeiteten Bewältigungsstrategien in das Setting des realen beruflichen Alltags veranschaulicht.
11:21 Uhr
Curriculum zum Training störungsspezifischer Arbeitsrehabilitation für nicht primär psychotherapeutische Berufsgruppen
M. Stuhlinger (Tübingen, DE)
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M. Stuhlinger (Tübingen, DE)
In beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen spielen die spezifischen Diagnosen der Rehabilitand*innen in der Regel keine große Rolle, die Psychotherapie und Psychopharmakotherapie werden allenfalls als zusätzliche SGB-V-Leistung angeregt.
Die berufliche Phase der RPK bietet als LTA-Maßnahme hingegen die Chance, die psychotherapeutischen Leistungen aus dem / im selben Team anzubieten.
Die Themen der Psychotherapie sollten im Bereich der arbeitsbezogenen Rehabilitationsziele wirksam werden können und im Hinblick auf ihre arbeitsrelevanten Auswirkungen verstärkt werden.
Dafür ist es hilfreich, wenn auch alle nicht primär (fach-)ärztlichen oder psychologischen Berufsgruppen dazu befähigt werden, störungsspezifische Interventionen teamkonsistent im Arbeitsbereich anzuwenden, die über die allgemeinen Prinzipien der psychiatrischen Arbeitsrehabilitation hinausgehen.
Hierzu bedarf es der Vermittlung von störungsbezogenem Wissen, der Kenntnis grundlegender psychotherapeutischer Prinzipien bezüglich der psychischen Störung, eines Überblicks über typische arbeitsrelevante Auswirkungen einer Störung, sowie des Aufbaus von Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen im Hinblick auf wichtige Aspekte der Interaktion und der Erarbeitung von konkreten, auf die psychische Störung speziell zugeschnittener arbeitstherapeutisch-rehabilitativer Interventionen und Skills. Die in der beruflichen Rehabilitation tätigen Mitarbeiter*innen sollen nicht selbst zu Psychotherapeut*innen werden, aber ihre Fachkompetenz auf dem Hintergrund des störungsspezifischen Wissens gezielter einsetzen lernen.
Vorgestellt werden Aufbau und Inhalte eines Fortbildungscurriculums, welches für Teams einer RPK, aber auch für Teams anderer beruflicher Rehamaßnahmen konzipiert ist.