Raum:
Saal A4 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 18: Stimulationsverfahren, internetbasierte Interventionen und andere psychiatrische Therapieformen
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Die EKT ist ein modernes, hochwirksames und sicheres medizinisches Behandlungsverfahren für schwere psychische Erkrankungen. Die EKT kann bei vielen psychischen Erkrankungen sowohl in der Akuttherapie als auch zur Rezidivprophylaxe mittels Erhaltungs-EKT zum Einsatz kommen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass sich in der internationalen klinischen Praxis zunehmend eine syndromale Indikationsstellung bewährt. Dieses Vorgehen ist empirisch gut belegt, die nicht immer ermittelbare Evidenz führt jedoch gelegentlich zu einer Unterrepräsentation in standardisierten Leitlinien. Die deutschsprachigen psychiatrischen Fachgesellschaften unter Federführung der DGPPN haben daher den neuesten wissenschaftlichen Kenntnisstand in einer Stellungnahme zur EKT zusammengefasst (A. Sartorius). Hinsichtlich der Anwendung der EKT bei Patienten mit fehlender Einwilligungsfähigkeit gibt es wiederkehrende Diskussionen zu medizinischen aber auch ethischen und juristischen Aspekten. Aufgrund der fehlenden Möglichkeit von RCTs in dieser Population erfolgte zur Verbesserung der Evidenzgrundlage ein systematisches Review und eine Metaanalyse von kontrollierten Beobachtungsstudien. Deren Ergebnisse sprechen für eine mindestens gleich gute, zum Teil sogar überlegene Wirksamkeit der EKT bei nicht einwilligungsfähigen im Vergleich zu einwilligungsfähigen Patienten (D. Zilles-Wegner). Ein gutes Beispiel für eher atypische Indikationen für Hirnstimulationsverfahren sind psychogene Gangstörungen. Hier wird J. DiPauli einen Überblick über die vorhandene Evidenzlage für rTMS und EKT geben. Am Beispiel der EKT zeigt sich besonders deutlich, dass Narrativa die Akzeptanz und Anwendung und eben auch die Ablehnung und Unterversorgung in der Psychiatrie - aber auch in andere gesellschaftlichen Bereichen- wesentlich beeinflussen können. Diese Brücke unter der Frage „Wieviel Evidenz verträgt die Psychiatrie?“ wird abschließend A. Conca schlagen.
12:52 Uhr
Ergebnisse eines(r) systematischen Reviews/Metaanalyse zur EKT bei fehlender Einwilligungsfähigkeit
D. Zilles-Wegner (Göttingen, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
A. Takamiya (JP)
P. Sienaert (BE)
T. Gergel (GB)
J. Gather (DE)
T. Kishimoto (JP)
D. Zilles-Wegner (Göttingen, DE)
Psychiatrische Störungen mit Indikation zur EKT gehen oft zumindest temporär mit fehlender Einwilligungsfähigkeit einher. Die informierte Einwilligung zur Behandlung muss in Deutschland dann durch gesetzliche Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte erfolgen, in manchen Fällen unter Hinzuziehung des Gerichts. International gibt es hierzu unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen und Regelungen mit teilweise fortdauernden Diskussionen zu ethischen und rechtlichen Grundlagen.
In einem systematischen Review und Metaanalyse untersuchten wir die Wirksamkeit und Verträglichkeit der EKT bei Patienten mit fehlender Einwilligungsfähigkeit. 41 relevante Studien wurden identifiziert, von denen 7 (n = 1081 Patienten) metaanalytisch ausgewertet werden konnten. Die Gruppe von Patienten mit fehlender Einwilligungsfähigkeit zeigte dabei eine signifikant stärkere klinische Verbesserung als Patienten mit Einwilligungsfähigkeit. Zugleich gab es (auf limitierter Datenbasis) keine Hinweise auf Unterschiede in der kognitiven Verträglichkeit oder der Rehospitalisierungsrate nach 6 Monaten. Bei im Verlauf wiederhergestellter Einwilligungsfähigkeit stimmten die meisten Patienten einer Fortführung der Therapie zu.
EKT ist auch und gerade bei Patienten mit schweren affektiven und psychotischen Störungen sowie fehlender Einwilligungsfähigkeit eine hochwirksame Therapieoption. Aus klinischen wie auch aus ethischen Gründen sollte die EKT daher auch bei dieser vulnerablen Patientengruppe frühzeitig in Betracht gezogen werden.
13:36 Uhr
Wie viel evidenzbasiertes Wissen verträgt die Psychiatrie?
A. Conca (Bozen, IT)
Details anzeigen
Autor:in:
A. Conca (Bozen, IT)
Evidenz-basierte Medizin (EBM) kann als die Schnittmenge wissenschaftlicher Evidenz, klinischer Beurteilung und der Werte und Präferenzen der Patienten definiert werden.
Diese Schnittmenge ist epistemiologisch abhängig von der jeweiligen gesellschaftlichen Matrix. EBM könnte somit als Gegenstand für ökonomische Investitionen gesehen werden, aber genauso als Meinung bezogen auf den Gegenstand für eine moderne Prävention, Diagnoseerstellung, Therapie und für den medizinischen Fortschritt verstanden werden. Die Perspektiven-Divergenz auf den Gegenstand ist die Basis für Dissens-management und somit das Wesen des Sozialen (Gabriel 2022). Diese erkenntnistheoretische Sichtweise lässt sich gut auf die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) als Gegenstand anwenden. EKT ist nämlich ein modernes und evidenz-basiertes medizinisches Behandlungsverfahren für schwere psychische Erkrankungen. Die erwähnte Perspektiven-Divergenz lässt sich in den Patientenraten, bei denen EKT verschrieben und durchgeführt wird, und weltweit sowie europaweit mindestens um einen Faktor 20 variieren, abbilden; Gesellschaftlichen Entwicklungen als Meinungen bezogen auf EKT kommen große Bedeutung zu. So kann man am Gegensatz zwischen Dänemark und Italien deutlich nachweisen, wie die antipsychiatrische Bewegung in Italien massiv die Indikation der EKT (1,5/100.000) einschränkte; im Vergleich zu Dänemark mit 33/100.000. Auch diverse Meinungen von wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu EKT, wie zB der Titel eines Editorial 2021 einer anästhesiologischen Fachzeitschrift ECT -effective treatment or not? oder die Stellungnahme der DGPPN 2022 Elektrokonvulsionstherapie: Eine sichere und wirksame Therapiemethode, sind erwähnenswert. Das Dissens-Management bezogen auf den Gegenstand EKT (Triangulation) wird Voraussetzung einer EBM; d.h die Fachleute verpflichten sich ihre professionellen Meinungen mittels der Evidenz zu triangulieren, um nicht in gegenstandslosen Ideologien (Illusionen) zu verfallen.