10:15 Uhr
Ansätze der Rehabilitation in der Forensischen Psychiatrie – RNR-Modell, Good Lives Model und Recovery und ihre Grenzen
M. Lutz (Günzburg, DE)
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Autor:innen:
M. Lutz (Günzburg, DE)
D. Zani (CH)
I. Franke (CH)
Neben dem Risk-Need-Responsivity Modell und dem Good Lives Model findet der aus der Allgemeinpsychiatrie stammende Recovery-Ansatz zunehmend Beachtung in der Forensische Psychiatrie. Als humanistischer Ansatz zielt Recovery u.a. auf eine stärkere Beteiligung der Patient:innen am Genesungsprozess („Empowerment“) ab und möchte ihnen ein erfülltes Leben trotz psychischer Einschränkungen ermöglichen. Dies stellt die forensische Psychiatrie aufgrund ihrer Doppelfunktion der Besserung und Sicherung von Straftäter:innen mit psychischen Störungen vor große Herausforderungen. Im Rahmen eins Reviews wird die empirische Befundlage und Anwendbarkeit aller drei Rehabilitationsansätze in der Forensischen Psychiatrie diskutiert. Hierbei wird auch die Frage geklärt, inwieweit die Nutzung und Förderung persönlicher Stärken und Ziele der Straftäter:innen mit psychischer Störung zur Hemmung erneuter Straffälligkeit beitragen kann. Obwohl einige empirische Belege für zentrale Annahmen aller drei Ansätze vorliegen, ist die Wirksamkeit hinsichtlich der Reduzierung von erneuter Straffällig im Good Lives Model und im Recovery-Ansatz derzeit noch nicht befriedigend belegt. Zudem zeigen sich in allen drei Ansätzen verschiedene Einschränkungen für die forensisch-psychiatrische Population, da sie jeweils für Gefängnispopulationen oder allgemeinpsychiatrische Populationen entwickelt wurden.
10:27 Uhr
Forensik ohne Zwang? Dilemmata und Folgen einer menschenrechtsbasierten psychiatrischen Versorgung
D. Richter (Bern, CH)
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Autor:in:
D. Richter (Bern, CH)
Mit der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (UN-BRK) ist eine weltweite Diskussion um die Anwendung von Zwang in der Psychiatrie im Allgemeinen sowie in der Forensik im Besonderen entstanden. Befürwortende der UN-BRK fordern eine komplette Abschaffung von Zwang in der Versorgung, Fachpersonen und klinisch Tätige hingegen halten dies aus grundsätzlichen Überlegungen für nicht möglich. Der Beitrag skizziert die Argumentationslinien und exploriert die Konsequenzen einer Forensik ohne Zwang. Insbesondere werden die Dilemmata im Hinblick auf Strafverfolgungsbehörden und die allgemeine Justiz beschrieben. Ohne die Adressierung dieser Dilemmata ist eine Forensik ohne Zwang nicht möglich.
10:39 Uhr
Die Zunahme von forensischen Patienten (gemäß § 63 StGB) anderer Nationalitäten in Baden-Württemberg
H. Traub (Ravensburg, DE)
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Autor:in:
H. Traub (Ravensburg, DE)
Die Zunahme von forensischen Patienten (gemäß §63 StGB) anderer Nationalitäten
in Baden-Württemberg
• In Baden-Württemberg steigt der Anteil der Patienten mit ausländischer
Staatsangehörigkeit in der forensischen Psychiatrie gemäß §63 StGB seit Jahren. Seit
der Flüchtlingswelle ab 2016 ist ein beschleunigter Anstieg zu beobachten.
• Für das Land Baden-Württemberg (11 Millionen Einwohner) kann die Entwicklung
von 2009-2021 vollständig und differenziert nach Patientenmerkmalen dargestellt
werden. Der Migrationhintergrund wird detailliert erfasst, ebenso die nationale
Zugehörigkeit. Die Veränderungen im Zeitverlauf werden beschrieben.
Ergänzend wird die Entwicklung im Strafvollzug bis 2018 verglichen, um den Einfluss
von kriminellem Verhalten im Vergleich zu psychiatrischen Erkrankungen auf die
Delinquenz abzuschätzen. Die Entwicklung des Ausländeranteils wird anhand der
Neueinweisungen in die forensische Psychiatrie für Baden-Württemberg (n = 1.258)
bzw. der Verurteilungen wegen „erheblicher Delikte“ (n = 14.956) dargestellt. Das
relative Risiko für eine klinische Unterbringung oder Inhaftierung wird berechnet.
• Bei Ausländern führen Psychosen häufiger zu einer forensischen Unterbringung. Der
Anteil der Patienten mit Migrationshintergrund, besonders der „Neuer Migranten“,
hat wesentlichen Einfluss auf die Anzahl der Neueinweisungen. Im Vergleich zur
Inhaftierung im Strafvollzug wirkt eine psychische Erkrankung dabei offenbar als
Schutzfaktor gegen erhebliche Straftaten.
10:51 Uhr
Risikomanagement bei der Behandlung suchtmittelabhängigkeitserkrankter Personen
A. Pantelatos (Bedburg-Hau, DE)
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Autor:innen:
A. Pantelatos (Bedburg-Hau, DE)
E. Janzen (Bedburg-Hau , DE)
Einführung: Die ambulante Maßregelvollzugsbehandlung suchtmittelabhängigkeitserkrankter Straftäter: innen hat in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Im Zuge dieser Entwicklung sind mittlerweile forensische Ambulanzen geschaffen worden, die in Nordrhein-Westfalen seit Anfang des Jahres 2022 auch gesetzlich festgeschrieben sind. Gleichzeitig war den Ambulanzen eine fortlaufende Risikoeinschätzung auferlegt worden. Ein valides Risikomanagement bleibt jedoch eine komplexe Herausforderung, insbesondere da speziell für Suchtmittelpatient: innen kaum standardisierte Testverfahren zur Verfügung stehen. Aufgrund dieses unbefriedigenden Zustands haben wir uns entschlossen, für Personen, die gem. § 64 StGB behandelt werden, ein eigenes Testverfahren zur Risikoeinschätzung zu entwickeln.
Methode: Von 2012 bis 2020 waren fortlaufend umfangreiche Variablen bei über 300 Maßregelvollzugspatienten: innen erhoben worden. Der Variablenpool umfasst eine Breite Palette biographischer Status-und Verlaufsmerkmale.
Ergebnisse: Mittels entsprechender statistischer Analysen waren in Zusammenarbeit mit der Radboud Universität Nijmegen / NL in explorativer Weise Risikovariablen identifiziert worden. Ziel war, einen einfach anzuwendenden Risikomanagementfragebogen mit hoher Interraterreliabilität zu erstellen. Um die vielfältigen Risikoeinflussfaktoren besser abbilden zu können, erfasst der Test die Risikoeinschätzung auf mehreren Dimensionen, welche als individuelle Risikoprofile dargestellt werden können.
Ausblick: Im nächsten Schritt sollen die mit unserer Testbatterie verknüpften Risikohypothesen an einer neuen Stichprobe statistisch geprüft werden (Kreuzvalidierung). Zudem sollen die im Test verwendeten Risikodimensionen Faktoren analytisch inhaltlich validiert werden.
Die Testbatterie sollte uns in die Lage versetzen praxistaugliche Handlungs- und Interventionsmaßnahmen abzuleiten.