13:30 Uhr
Hausärztliche Versorgung von Patient:innen mit posttraumatischen Belastungen nach intensivmedizinischer Behandlung – eine qualitative Analyse
A. Beutel (Markdorf, DE)
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Autor:in:
A. Beutel (Markdorf, DE)
Hausärztliche Versorgung von PatientInnen mit posttraumatischen Belastungen nach intensivmedizinischer Behandlung – eine qualitative Analyse.
Etwa 25% der PatientInnen, die eine intensivstationäre Behandlung überleben, leiden unter Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Für diese PatientInnen besteht eine Versorgungslücke, nur bei wenigen wird eine Traumafolgestörung diagnostiziert und behandelt. Die PICTURE-Studie ist eine randomisiert kontrollierte multizentrische Studie, welche durch speziell geschulte hausärztliche Praxisteams die Versorgungssituation dieser PatientInnen nachhaltig verbessern soll. Dabei wird eine angepasste Form der Narrativen Expositionstherapie (NET) angewandt. Begleitende kurze Telefonvisiten durch die med. Fachangestellten erfassen die Entwicklung der Belastungssymptome und erhöhen die Therapiesicherheit. Zum besseren Verständnis der patientenseitigen Akzeptanz wurden in einer qualitativen Begleitstudie acht semi-strukturierte leitfadengestützte Telefoninterviews durchgeführt. Die Qualitative Inhaltsanalyse erfolgte in Anlehnung an Mayring. Das niederschwellige Angebot der NET in der hausärztlichen Praxis wird sehr positiv bewertet. Alle Befragten sind überzeugt von der Sinnhaftigkeit des Therapieangebots und würden es weiterempfehlen. Als unterstützend werden vor allem die langjährige vertrauensvolle Beziehung zum hausärztlichen Praxisteam, die professionelle Distanz sowie das medizinische Fachwissen wahrgenommen. Als hinderliche Faktoren werden anhaltende Gesundheitsängste genannt, die fehlende Expertise von HausärztInnen in psychologischer Gesprächsführung sowie in der Gruppe der stärker traumatisch Belasteten die geringe Anzahl der Sitzungen. Bei stärker belasteten PatientInnen kann die NET in der hausärztlichen Praxis eine Psychotherapie nicht ersetzen. Jedoch lässt sich bei mild bis moderat traumatisch belasteten PatientInnen die Symptomatik zügig reduzieren und damit die bestehende Versorgungslücke schließen.
13:42 Uhr
Wünsche an die professionelle Haltung aus Sicht der Nutzer:innen in besonderen Wohnformen
J. Krieger (Sehnde, DE)
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Autor:innen:
J. Krieger (Sehnde, DE)
K. Friedrich (Sehnde, DE)
V. Rößner-Ruff (Sehnde, DE)
C. Penkov (Sehnde, DE)
C. Hauser (Sehnde, DE)
M. Ziegenbein (Sehnde, DE)
M. Dierks (Hannover, DE)
I. Graef-Calliess (Wunstorf, DE)
Hintergrund: Aus der Psychotherapieforschung ist bekannt, dass bis zu 55 % des therapeutischen Erfolges auf die Qualität Beziehungsgestaltung und der Vermittlung von Hoffnung zurückzuführen sind. Auch vor dem Hintergrund von Erkenntnissen zu Resilienz und Recovery ist die Wichtigkeit mindestens einer supportiven Bezugsperson für den Stabilisierungsprozess zu betonen. Im Rahmen der stationären Wiedereingliederungshilfe nehmen die Mitarbeiter:innen oftmals einerseits eine zentrale Rolle im sozialen Bezugssystem der Nutzer:innen ein, da familiäre und freundschaftliche Beziehungen belastet oder wenig supportiv sind. Andererseits besteht durch die Mitarbeiter-Nutzer-Beziehung eine Angewiesenheit auf eine unterstützende und entwicklungsorientierte offene Grundhaltung, die vor dem Hintergrund fachlicher Kompetenzen und knappen Personalschlüsseln nicht immer umfänglich erreicht wird.
Methode : Qualitatives Längsschnittstudiendesign mit fünf Messzeitpunkten über 12 Monate und Erhebung zwischen 2016-2020. Auswertung der Rückmeldungen zu Wünschen der professionellen Haltung im Verlauf über qualitative Inhaltsanalyse.
Ergebnisse: Nutzer:innen wünschen sich neben fachlicher Expertise insbesondere auch eine offene, wertschätzende und entwicklungsorientierte Haltung. Dabei erscheint ein ganzheitlicher Blick auf die Lebensspanne zentral sowie ein partnerschaftliches Miteinander, dass das Spannungsfeld zwischen Förderung und Verbindlichkeit sowie Autonomiebetonung flexibel ausbalanciert.
Diskussion und Schlussfolgerungen: In den Besonderen Wohnformen nach SGB IX fehlt es bisher an flächendeckenden Implementierungen wertvoller Interventionsmodelle, die sich positiv auf Klima und Haltung professionell Tätiger auswirken. In positiven Anwendungsbeispielen der akutpsychiatrischen Praxis, bspw. Weddinger Modell, Safewards und Recovery-orientierten Ansätzen lassen sich wichtige Anregungen für die Ausgestaltung psychiatrischer Versorgung im Bereich der Langzeitversorgung gewinnen.
13:54 Uhr
Supported Employment: Langzeiterkenntnisse aus dem Zürcher Eingliederungs-Pilotprojekt
W. Kawohl (Oetwil am See, CH)
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Autor:in:
W. Kawohl (Oetwil am See, CH)
Arbeitsplatzverlust und Arbeitslosigkeit sind insbesondere bei Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig. Im Zürcher Eingliederungs-Pilotprojekt wurde die Supported Employment-Methode Individual Placement and Support (IPS) auf ihre Eignung bzgl. der Inklusion von aufgrund einer psychischen Erkrankung berenteten Personen in den ersten Arbeitsmarkt überprüft. Die Studie war als prospektive randomisierte kontrollierte Studie mit insgesamt 250 Probanden angelegt. Während des Beobachtungszeitraums von 24 Monaten zeigte sich eine klare Überlegenheit der IPS-Intervention. Das IPS-Coaching wurde ebenfalls nach maximal 24 Monaten beendet. Ein Teil der Probanden wurde nun sechs Jahre nach Studienbeginn bzgl. des weiteren Verlaufs (Anzahl Beschäftigungsverhältnisse, Beschäftigungsgrad, Beschäftigungsdauer, Gehalt) nachuntersucht.
114 Teilnehmende (46% der ursprünglichen Teilnehmerzahl) nahmen an der Nachbefragung teil. Bzgl. der Anzahl Beschäftigungsverhältnisse, des Beschäftigungsgrades, der Beschäftigungsdauer und des Gehaltes bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen mehr.
Der während der ursprünglich vorgesehenen Studiendauer gemessene Effekt einer deutlichen Überlegenheit der IPS-Intervention bzgl. der Anzahl Beschäftigungsverhältnisse war sechs Jahre nach Studienbeginn und bis zu 4 Jahre nach Ende der Intervention nur noch gering und nicht mehr statistisch signifikant nachweisbar. Das Ergebnis unterstreicht die im IPS-Konzept geforderte Bedeutung einer zeitlich unlimitierten Fortsetzung des Job Coachings, um die positiven Effekte wie Finden und Aufrechterhalten eines Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt zu verstetigen.
14:06 Uhr
Global mental health meets social innovation: the HOW matters
T. Geithel (Dresden, DE)
J. Herbers (Dresden, DE)
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Autor:innen:
S. Blackert (Dresden, DE)
T. Geithel (Dresden, DE)
J. Herbers (Dresden, DE)
P. Andrä (Dresden, DE)
R. Wolthusen (Dresden, DE)
Mental health conditions are rising globally, and COVID-19 has undoubtedly exacerbated the situation. We often think that massive money investments and training of specialized mental health providers, such as psychiatrists, will help alleviate the demand-supply challenge. But the reality is different. Despite all efforts over the last years, the mental health treatment gap, the percentage difference between the number of people needing treatment for mental illness and the number of people receiving treatment, is still 50+% in countries like Germany. The investment of money and the training of specialized mental health providers alone will not be sufficient to decrease this number. We need to learn from and with partners from low- and middle-income countries (LMIC), in which a shortage of resources has prevented a significant investment in mental health but also has inspired the innovation and implementation of novel approaches to decrease the mental health treatment gap. This reshaped approach allows us to move from Northern Ventriloquism (high-income countries teach LMIC what to do) to honest cross-cultural bidirectional learning. Furthermore, it will fill the "how" gap. We know WHY we should act in the (global) mental health field. We also know WHAT we should do. The main question remaining is HOW we can implement any of the activities. The Dresden-based NGO On The Move e.V. designed an annual 8-week program funded by the European Union, which centers around a global mental health and social innovation curriculum and aims to create spaces of empowerment towards mentally healthier communities. Our participants come from four higher education institutions in Germany, Ghana, and Kenya. During the presentation, we will discuss core concepts, such as human-centered and community-based approaches, and how they relate to the "how." We might not have a blueprint of solutions; however, our recommendations and associated innovations can help to decrease the treatment gap.
14:18 Uhr
Die Auswirkung alltagsorientierter Ergotherapie auf die Patientenzufriedenheit in einer psychosozialen Rehabilitation
G. Gappmayer (Wien, AT)
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Autor:innen:
G. Gappmayer (Wien, AT)
S. Dressler-Stross (Wien, AT)
P. Michl (Rust, AT)
Einleitung: Diese quantitative Evaluierungsstudie erforscht wie sich die Veränderung hin zu einer alltagsorientierten Ergotherapie auf die Patientenzufriedenheit in einer psychosozialen Rehabilitation in Österreich auswirkt. Die zentrale Veränderung besteht darin, dass neben kreativ-handwerklichen Gruppen auch Gruppeninterventionen durchgeführt werden, in denen alltagsorientierte Themen in der Ergotherapie erarbeitet wurden.
Methode: Es wurde 2014 vor der Veränderung (n=113) und 2017 nach der Veränderung (n=127) ein schriftlicher Fragebogen von Patient*innen zum ergotherapeutischen Angebot ausgefüllt. Die Ergebnisse der Fragebögen wurden anhand nicht-parametrischer Tests mit SPSS 25 analysiert (Signifikanzniveau α < 0.05).
Ergebnisse: Die Patientenzufriedenheit ist 2017 im Vergleich zu 2014 signifikant gestiegen. In beiden Erhebungen haben drei therapiebezogene Faktoren eine positive Auswirkung auf die Zufriedenheit: wenn Patient*innen angaben, an Zielen zu arbeiten, von den Reflexionsrunden zu profitieren und Erfahrungen zu sammeln. In beiden Erhebungen konnte kein Einfluss der soziodemografischen Faktoren Alter, Gender sowie Berufstätigkeit/Arbeitslosigkeit nachgewiesen werden. Beeinflussend auf die Zufriedenheit war jedoch vor der Veränderung das Bildungsniveau der Patient*innen. Nach der Veränderung des Therapieangebots war dieser Einfluss nicht mehr nachweisbar.
Schlussfolgerung: Die Studie zeigt die Bedeutung des Paradigmenwechsels in der Ergotherapie zu mehr Alltagsorientierung. Trotz der bereits einige Jahre alten Datensätze sind die Erkenntnisse auf die heutige Zeit übertragbar. Durch ein alltagsorientiertes Angebot können alle Patient*innen, unabhängig von soziodemografischen Faktoren, gleich gut erreicht und die Gesamtzufriedenheit mit der Ergotherapie signifikant gesteigert werden.
14:30 Uhr
abgesagt: Prävalenz und Schweregrade verbaler, physischer und sexueller Gewalt von Patient:innen gegenüber Pflegenden im schweizerischen psychiatrischen Setting und beeinflussende Merkmale der Pflegenden
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Autor:innen:
B. Gehri (Basel, CH)
M. Simon (Basel, CH)
Die Prävalenz von Gewalt durch Patient*innen gegenüber Pflegenden variieren wegen der fehlenden allgemein gültigen Definition sowie kultureller Unterscheide zwischen Ländern. In vergangenen Studien wurden die Formen von Gewalt zu wenig differenziert erfasst. Zum Zusammenhang zwischen Merkmalen der Pflegenden und dem Auftreten von Patient*innengewalt gegenüber Pflegenden bestehen inkonsistente Ergebnisse. Ziel der Analyse war Prävalenz und Schweregrade von verbaler, physischer und sexueller Gewalt von Patient*innen gegenüber Pflegenden in Psychiatrien der Schweiz zu beschreiben und Zusammenhänge mit Merkmalen der Pflegenden zu untersuchen. Die Analyse war Teil der Multicenter Querschnittstudie MatchRN Psychiatrie. Daten von 1'128 Pflegenden von 115 Abteilungen in 13 Psychiatrien wurden analysiert. Sie wurden zur Betroffenheit von verbaler, verbal sexueller Gewalt, Gewalt gegen Gegenständen und leichteren Formen von physischer und physisch sexueller Gewalt im letzten Monat befragt. Die Anzahl von schweren Gewaltangriffen wurde über die ganze Berufskarriere erfragt. Prävalenzen wurden deskriptiv berechnet, Zusammenhänge mit verallgemeinerter linear gemischter Modelle untersucht. 73% der Pflegenden waren von verbaler, 63% von Gewalt gegen Gegenständen und 40% von verbal sexueller Gewalt betroffen. Leichtere Formen physischer und physisch sexueller Gewalt betrafen 28% resp. 14%. Knapp 30% der Pflegenden wurde in der Berufskarriere körperlich schwer verletzt. Alle untersuchten Pflegenden-Merkmale standen in Zusammenhang mit dem Risiko für Gewalt durch Patient*innen. Besonders starke Zusammenhänge wurden mit schwerem sexuellem Übergriff in der Vergangenheit (OR 4.53 [95%-CI 2.19-9.34]) und < 3 Jahre Berufserfahrung (OR 3.70 [95%-CI 1.95-7.02]) gefunden. Etablierte Strategien des Aggressionsmanagement schienen nicht effektiv genug, um Patient*innengewalt gegenüber Pflegenden zu reduzieren. Proaktive Strategien zur Prävention in der Psychiatrie sind dringend erforderlich.