Autor:innen:
K. Glaser (Leipzig, DE)
C. Härtel (Würzburg, DE)
E. Herting (Lübeck, DE)
A. Stahl (Greifswald, DE)
C. Speer (Würzburg, DE)
O. Dammann (Boston, US)
W. Göpel (Lübeck, DE)
Hintergrund: Die Frühgeborenenretinopathie (ROP) ist eine den Visus gefährdende Erkrankung von unveränderter Bedeutung. Regelmäßige Screening-Untersuchungen und eine frühzeitige Therapie sind essenziell. Dennoch ist die Prognose der hochgradigen ROP auch bei adäquater Therapie ungünstig, und ist die Prävention unerlässlich. Jüngere Studien deuten darauf hin, dass die neonatale Sepsis einen unabhängigen ROP-Risikofaktor darstellt. Fragestellung: In der vorliegenden retrospektiven Studie des German Neonatal Network wurde der Einfluss einer oder mehrerer Sepsis-Episoden auf die Entwicklung einer ROP und/oder den Progress zu einer hochgradigen ROP in Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 22+0 bis 28+6 SSW untersucht. Material und Methoden: Multivariable logistische Regressionsmodelle wurden angewandt. Als unabhängige Variablen wurden Gestationsalter, Geburtsgewicht, Geschlecht, Mehrlingsstatus, Inborn, antenatale Lungenreife, Amnioninfektionssyndrom, 5min-Apgar, LISA-Prozedur, maximaler FiO2 in den ersten 12 Lebensstunden und Katecholamine in den ersten 24 Lebensstunden einbezogen; in weiteren Modellen intraventrikuläre Hämorrhagie, operationspflichtige FIP/NEC, Ende Nahrungsaufbau, Tage Sauerstoffbedarf, Tage invasive Beatmung oder CPAP und Transfusionen. Ergebnisse: Eingeschlossen wurden n=12563 Frühgeborene, medianes Gestationsalter 26+6 SSW, medianes Gewicht 840g. Bei 6177/12563 (49,2%) der Frühgeborenen wurde eine ROP (any ROP) diagnostiziert. Bei 2700/12563 (21,5%) lag eine ROP Stadium 1 vor, bei 2163 (17,2%) eine ROP 2, bei 1282 (10,2%) eine ROP 3 und bei 32 (0,3%) eine ROP 4. Bei 829/12563 (6,6%) bestand eine therapiebedürftige ROP. Die neonatale Sepsis wurde als unabhängiger Risikofaktor der ROP bestätigt. Dabei fand sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl der Septitiden und dem ROP-Risiko: Eine Sepsis-Episode war mit einem 1,4-fachen Risiko (any ROP) (95% CI 1.23-1.56, p < .001) assoziiert, zwei Episoden mit einem 1.8-fachen (95% CI 1.31-2.34, p < .001) und drei Episoden mit einem 4,7-fachen Risiko (95% CI 2.27-9.68, p < .001). Der Zusammenhang blieb signifikant, wenn in den weiteren Modellen zusätzliche ROP-Risikofaktoren, inklusive Transfusionen, einbezogen wurden. Weiterhin wurde die neonatale Sepsis als unabhängiger Risikofaktor für einen ROP-Progress identifiziert: Eine Sepsis-Episode war mit dem 1,4-fachen Risiko für einen Progress von ROP 1/2 nach ROP 3/4 (95% CI 1.21-1.68, p < .001) assoziiert, zwei Episoden mit dem 1,9-fachen (95% CI 1.35-2.54, p < .001) und drei Episoden mit dem 2,3-fachen Risiko (95% CI 1.39-3.77, p =.001). Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse bestätigen erste Vermutungen, dass die neonatale Sepsis bei sehr unreifen Frühgeborenen einen unabhängigen Risikofaktor für Entwicklung und Progress einer ROP darstellt. Das relative Risiko steigt mit der Zahl der Sepsis-Episoden. Weitere Studien müssen den Zusammenhang von Infektion, Inflammation und ROP und zugrundeliegende Mechanismen untersuchen.