Autor:innen:
S. Schlag (Würzburg, DE)
K. Hanke (Lübeck, DE)
P. Paul (Würzburg, DE)
A. Humberg (Münster, DE)
E. Herting (Lübeck, DE)
C. Härtel (Würzburg, DE)
W. Göpel (Lübeck, DE)
Einleitung und Fragestellung
Frühgeborene sind im Rahmen ihres Klinikaufenthaltes gegenüber den verschiedensten Medikamenten exponiert. Für einige dieser Medikamente gibt es einheitliche Indikationsstellungen. Häufig, wie beispielsweise beim Einsatz von Diuretika, sind die Einsatzkriterien jedoch zentrumsspezifisch, auch wenn diese Medikamente gängige Therapeutika für beispielsweise Kinder mit bronchopulmonaler Dysplasie (BPD) darstellen. Da aber gerade im Früh- und Neugeborenenzeitraum für die meisten Arzneimittel keine pharmakologischen Studien existieren, wollten wir den Medikamenteneinsatz bei diesen vulnerablen Patienten genauer beleuchten (Mandell et al., 2019).
Material und Methoden
Im Rahmen der prospektiven, multizentrischen Kohortenstudie des „German Neonatal Network“ (GNN) werteten wir die Daten von 18904 Frühgeborenen < 29 Schwangerschaftswochen bezüglich des Diuretikaeinsatzes aus. Neben univariaten Analysen wurden multivariate logistische Regressionsmodelle (unabhängige Variablen: Gestationswoche, SGA, vorzeitiger Blasensprung, Ahydramnion, Sepsis, LISA-Prozedur, BPD) durchgeführt.
Ergebnisse
Von 13584 Kindern lagen Daten bezüglich des Diuretikaeinsatzes vor. 54,1% der Kinder wurden während des stationären Aufenthaltes mit Diuretika behandelt. In absteigender Häufigkeit erhielten 39,5% aller Kinder Thiazide (Hydrochlorothiazid), 35,3% Kalium-sparende Diuretika (Spironolacton) und 33,5% Schleifendiuretika (Furosemid).
Regressionsanalysen zeigten entsprechend der bekannten Risikoverteilung für das Auftreten einer BPD eine Risikoreduktion für den Diuretika-Einsatz mit zunehmender Gestationswoche (OR 0,72 (95% KI: 0,70-0,74; p < 0.001)) sowie für mit LISA-Prozedur behandelte Kinder (OR 0,89 (95% KI: 0,81-0,97; p = 0.008)). SGA-Status (OR 1,44 (95% KI: 1,25-1,67; p < 0.001)), Sepsis (OR 1,74 (95% KI: 1,54-1,95; p < 0.001)) und manifeste BPD (OR 5,17 (95% KI: 4,60-5,80; p < 0.001)) erhöhten hingegen das Risiko, mit Diuretika behandelt zu werden. Zwischen den einzelnen (68 ausgewerteten) Kliniken schwankte der Diuretika-Einsatz erheblich (21,9-95,8%).
Diskussion
Die Daten des Deutschen Frühgeborenen-Netzwerkes verdeutlichen, dass bei mangelnder Datenlage zum optimalen Therapiezeitpunkt ein sehr hoher Anteil an Kindern mit Diuretika behandelt wird und sich hierbei deutliche zentrumsspezifische Unterschiede in der Häufigkeit des Einsatzes zeigen. Die Daten legen nahe, dass eine Erhebung bezüglich der Grundlage für die Indikationsstellung, den Zeitpunkt und das gewählte Medikament interessante Aussagen bezüglich der Behandlungsunterschiede der bronchopulmonalen Dysplasie ergeben und letztlich zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Therapie dieser Kinder führen könnte.