Autor:innen:
S. Müller (Gelnhausen, DE)
S. Köpke (Gelnhausen, DE)
B. Anbar (Gelnhausen, DE)
C. Dayo (Gelnhausen, DE)
C. Sofeso (München, DE)
P. Ahren (München, DE)
B. Gebhardt (Gelnhausen, DE)
H. Buxmann (Gelnhausen, DE)
Hintergrund
Diagnostik und Therapie zerebraler Anfälle Neugeborener sind mitunter herausfordernd.1,2 Hier präsentieren wir den Fall eines Reifgeborenen mit therapierefraktären zerebralen Anfällen aufgrund eines Pseudo-Zellweger-Syndroms.
Material und Methoden
Zur genetischen Abklärung erfolgte eine Microarray-Analyse sowie eine Whole-Exome-Sequenzierung (Twist Bioscience®) mit bioinformatischer Auswertung über die Varvis®-Software.
Ergebnisse
Das männliche Reifgeborene einer 1. Gravida bot nach Sectio bei pathologischem CTG eine gute Primäradaptation (APGAR 9/10/10). Er war hypotroph (Gewicht 2630g P3) und makrozephal (KU 38cm P98), bei normaler Länge (51cm P25). Auffällig war seine muskuläre Hypotonie, Retrognathie und Hypertelorismus, sowie seine fokalen zerebralen Anfälle: rhythmische undurchbrechbare Kloni der linken Extremitäten, der Augen und des Mundes mit kurzer Lippenzyanose. Die ersten Laboranalysen waren unauffällig (u.a. BGA, Blutbild, CRP, Ammoniak). EEGs (klassisch und amplitudenintegriert) waren pathologisch. Die intravenöse Gabe von Phenobarbital führte passager zur Anfallsfreiheit. Im Verlauf der ersten 3 Lebensmonate zeigte sich eine Veränderung der Anfallssemiologie, u.a. mit Apnoen und diese ging mit 4 Monaten in ein West Syndrom mit infantilen Spasmen und Hypsarrhythmie im EEG über. Zudem zeigte sich kein langfristiges Ansprechen auf Pyridoxin, Phenobarbital, Levetiracetam, Lacosamid und Valproat. Mit Nachweis der Hypsarrhythmie wurde um Vigabatrin und Methylprednisolon Pulse erweitert. Die Mutter beschrieb bereits intrauterine, krampfähnliche Bewegungen des Fetus. Die Schädelsonographie ergab den Verdacht einer älteren subependymalen Blutung. Eine cMRT zeigte eine perisylvische Polymikrogyrie, periventrikuläre Zysten und eine Thrombose des Sinus transversus rechts, die unter Enoxaparin rückläufig war. Im Trio Exom wurde eine homozygote pathogene HSD17B4 Variante (c.1516C>T p.(Arg506Cys)) (ACMG class 5) identifiziert und die assoziierte D-bifunktionelle Protein-Defizienz diagnostiziert. Die Störung der peroxisomalen Beta-Oxidation wurde biochemisch mit pathologisch veränderten überlangkettigen Fettsäuren bestätigt. Assoziiert fand sich eine primäre Nebenniereninsuffizienz. Beide Eltern, fünftgradig konsanguin, sind Anlageträger. Historisch wurde diese Erkrankung Pseudo-Zellweger-Syndrom genannt.3
Diskussion
Die D-bifunktionelle Protein-Defizienz ist eine seltene autosomal rezessive Erbkrankheit.4,5 Analog zu unserem Fall sind typische Befunde eine Muskelhypotonie, zerebrale Anfälle und kraniofaziale Pathologien.5 Das klinische Bild variiert.6-9 In der Literatur finden sich allerdings keine Berichte über Begleitthrombosen wie im vorgestellten Fall. Über prothrombotische Auswirkungen bei pathogenen Varianten im HSD17B4-Gen kann nur gemutmaßt werden. Bemerkenswert ist, dass Lee et al kürzlich eine Interaktion des peroxisomalen HSD17B4-Proteins mit Phosphatidylserin zeigen konnten, welches u.a. pro-koagulatorisch wirkt.10,11