In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche jenseits der 12. Schwangerschaftswoche über den § 218a (StGB) geregelt. Hier wird festgelegt, welche Ausnahmefälle eine Indikation zum späten Abbruch darstellen. Seit 1995 stellt allein das Abwenden von Gefahren oder schwerwiegenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen der Schwangeren eine Indikation zum Abbruch einer Schwangerschaft dar. Eine Schädigung oder Behinderung des Kindes darf seither nicht zur Rechtfertigung eines Schwangerschaftsabbruchs herangezogen werden. Durch die allein an der mütterlichen Gesundheit orientierte Indikationsstellung sollen die Belange der Schwangeren hervorgehoben werden. Der Zustand des Fetus, auch wenn er ursächlich für die Notlage der Schwangeren ist, bleibt vollkommen unberücksichtigt ─ zumindest formal. Eine zeitliche Grenze für Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischer Indikation besteht nicht mehr. In der Folge sind Schwangerschaftsabbrüche auch im Bereich einer zu erwartenden Lebensfähigkeit des Kindes möglich. Jenseits der 22. Schwangerschaftswoche werden diese Abbrüche daher erst nach Tötung des Kindes im Mutterleib, dem Fetozid, durchgeführt. Dies wirft diverse, in Fachkreisen kontrovers und emotional diskutierte ethische Fragen auf. Die Perspektive der Hebammen bleibt hierbei jedoch meist unberücksichtigt. Hebammen sind es jedoch, die Frauen über den gesamten Betreuungsbogen, während der krisenhaften Schwangerschaft, bei stillen Geburten und im Wochenbett begleiten.
Für die Frauen und Familien bedeutet die Auseinandersetzung mit dem Fortgang oder Abbruch der Schwangerschaft eine extreme psychische Belastung, bei der die zu erwartende Beeinträchtigung des Kindes und deren Auswirkungen auf das weitere Leben der Familie im Zentrum stehen. Den wenigsten schwangeren Frauen oder Paaren scheint bewusst zu sein, dass nur die mütterliche Notlage und nicht der Zustand des Kindes den Abbruch der Schwangerschaft straffrei ermöglichen. Hebammen kommt hier eine zentrale Rolle in der Beratung und Begleitung zu.
Hebammen, die im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit oder in einem Perinatalzentrum betroffene Frauen betreuen, können nicht umhin, sich mit ihrer eigenen Haltung und ihren ethischen Ansprüchen auseinanderzusetzen. Hierbei stellt sich nicht nur die Frage, wie eine an den Bedürfnissen der betroffenen Frauen ausgerichtete Betreuung gelingen kann, es geht vielmehr auch darum, was Hebammen brauchen, um in diesem Bereich professionell und selbstfürsorgend arbeiten zu können.
In diesem Workshop werden späte Schwangerschaftsabbrüche aus Perspektive von Hebammen wie auch von betroffenen Frauen beleuchtet. Wie können Hebammen professionell mit Frauen und Familien in dieser krisenhaften Situation begleiten? In Gruppenarbeit und mit Fallbeispielen soll die eigene Haltung und der eigene Unterstützungsbedarf reflektiert werden. Weiterhin wird geschaut, welche Betreuungsaspekte für betroffene Frauen wichtig sind und welche Rahmenbedingungen Hebammen für diese Arbeit benötigen.