Autor*innen:
M. Gaudion (Berlin, DE)
M. Engelhardt (Berlin, DE)
A. Krautstengel (Berlin, DE)
R. Al Munjid (Berlin, DE)
T. Borde (Berlin, DE)
Hintergrund: Frauen* mit Migrations- oder Fluchthintergrund, die ihre Kinder in Krankenhäusern gebären, begegnen oftmals einer großen Sprachbarriere. Sie haben Schwierigkeiten, sich im deutschen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Kommunikation und Information sind Teil der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte (SRHR ) und verschiedene Studien zeigen, dass eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Gebärenden und medizinischem Fachpersonal einen positiven Einfluss auf die Geburt hat und das Risiko einer traumatischen Geburtserfahrung für die Frauen* verringert. Da Information und Kommunikation während der Geburt aufgrund fehlender Sprachkenntnisse weiterhin sowohl für Geflüchtete als auch für das Gesundheitspersonal eine große Herausforderung darstellen, wurden die Erfahrungen beider Seiten in einer Bachelorarbeit zu dem Thema anhand eines Teils der qualitativen Forschungsinterviews der PROREF (pregnancy and obstetric care of refugees)-Studie untersucht. PROREF ist Teil der Forschungsgruppe PH-Lens.
Methode: Aus den insgesamt 80 qualitativen Fachkräfteinterviews und 33 Interviews mit geflüchteten Frauen*, wurden 14 Interviews eingehend in Bezug auf das Thema Kommunikation während der Geburt analysiert. Die Stichprobe umfasste 7 Gesundheitsfachkräfte (Hebammen, ÄrztInnen, Sozialarbeitenden) und 7 Mütter mit Fluchthintergrund 1-9 Monate nach der Geburt ihres Kindes in 3 Regionen in Deutschland. Die Mütter kamen aus 6 Herkunftsländern, sprachen 14 Sprachen und lebten im Durchschnitt seit drei Jahren in Deutschland. Die Interviews wurden mittels der Frameworkanalyse ausgewertet.
Ergebnisse: Die Analyse ergab, dass die Mehrheit der befragten Frauen* kein oder nur wenig Wissen über Sexuelle und Reproduktive Gesundheits-Rechte hatte. Fachkräfte berichteten, dass gute Kommunikation einer der wichtigsten Faktoren ist, um eine sichere und vertrauensvolle Umgebung für die gebärenden Frauen* zu schaffen. Wenn verbale Kommunikation nicht möglich ist, hilft nonverbale Kommunikation dabei, eine Betreuungsbeziehung zu den Frauen* aufzubauen und zu erhalten. Aufgrund von Personal-, Zeit- und Dolmetschermangel erhalten geflüchtete Frauen* mit geringen Deutschkenntnissen jedoch kaum relevante Informationen. Dies führte teilweise zu einer schlechten Geburtsbegleitung bis hin zu traumatisierenden Geburtserfahrungen. Viele von ihnen berichteten von Angst, Diskriminierung und dem Gefühl, während der Geburt allein gelassen worden zu sein.
Diskussion und Handlungsempfehlungen: Um für Gleichberechtigung und die Wahrung von sexuellen und reproduktiven Rechten in der Müttergesundheit und -pflege zu sorgen, besteht ein dringender Bedarf an zuverlässigen professionellen DolmetscherInnen und leicht zugänglichen Informationen in verschiedenen Sprachen über die Geburt, medizinische Möglichkeiten, Verfahren und Interventionen. Darüber hinaus sind für die Fachkräfte Fortbildungen/ mehr Informationen zu heterogenen Bedürfnissen und Lebenskontexten geflüchteter Frauen* notwendig, um die professionelle Betreuung während der Geburt zu verbessern. Eine kontinuierliche 1:1-Betreuung durch medizinisches Personal wird dringend empfohlen.