Autor:innen:
J. Borgmann (Oldenburg, DE)
L. Sandmann (Oldenburg, DE)
S. Ritter (Hannover, DE)
M. Lange (Oldenburg, DE)
M. Wetzke (Hannover, DE)
H. Köster (Oldenburg, DE)
Zielsetzung: Das RS-Virus verursacht in saisonalen Wellen Atemwegserkrankungen, die vor allem Säuglinge und Kleinkinder betreffen. Ziel dieser Umfrage ist die Erfassung der Belastung des ambulanten Sektors durch RSV in der zurückliegenden Saison. Zudem werden diagnostische Maßnahmen, Therapiekonzepte und der Umgang mit der passiven Immunisierung analysiert.
Materialien und Methoden: Die Umfrage wurde im Rahmen der PAPI-Studie durchgeführt. Es wurden Einladungen an 623 zufällig ausgewählte pädiatrische Praxen deutschlandweit per Mail versandt, die Daten vom 26.03. bis zum 21.04.23 erhoben. Die Daten wurden mit der Applikation SoSci Survey erfasst.
Ergebnisse: An der Umfrage nahmen 99 Ärzt*Innen teil, 92 Fragebögen konnten (davon 93,5% Fachärzt*Innen) ausgewertet werden, 7 Fragebögen wurden bei Unvollständigkeit ausgeschlossen. Etwa 1/5 (22,8%) führt regelmäßig eine virologische Diagnostik durch und etwa 1/3 (33,7 %) nie. Über die Hälfte (58,7%) verzichten auf radiologische Diagnostik. Die Mehrheit der Patient*Innen wird ambulant behandelt: 83,7% gaben an, dass es in weniger als 30% der Fälle zu einer Einweisung käme. Leitsymptome, die zur Einweisung führen, sind Tachydyspnoe (80,4%), Hypoxie (95,7%) und Trinkschwäche (76,1%), zudem werden die soziale Situation (79,3%) und Überforderung der Eltern (89,1%) genannt. Die Mehrheit gibt an, dass 10 - 40% der Patienten 3–4-mal wieder vorgestellt werden, weniger als 10 % mindestens 5-mal. Als Therapeutika werden verschrieben: Inhalationen von NaCl 0,9% (38,1%), Salbutamol-Feuchtinhalation (35,8%) bzw. per Spacer (56,5%), abschwellende Nasentropfen (80,5%) und Antipyretika (85,9%). Adrenalin, NaCl 3,0%, Ipratropiumbromid, Phytotherapeutika, Antitussiva und Steroide werden nie oder nur selten verschrieben. 23,1% setzen bei ≥ 10% der Patienten mit RSV Antibiotika ein, entscheidend sind hierbei sekundäres Auffiebern (72,5%) und der Allgemeinzustand (53,8%). 10% der Befragten geben an, häufig Probleme bei Indikationsstellung zur passiven Immunisierung mit Palivizumab zu haben. 75% wünschen sich eindeutigere Leitlinien. 15,5% gaben an, gelegentlich oder häufig hiervon abzuweichen. Zukünftige Präparate zur passiven Immunisierung sollten laut 67,4% bei allen Kindern mit chronischen Erkrankungen und laut 51,1% bei allen Frühgeborenen unabhängig vom Gestationsalter empfohlen werden.
Zusammenfassung: Die Diagnostik der RSV Bronchiolitis im ambulanten Bereich erfolgt meist auf Grundlage klinischer Kriterien. Therapeutisch werden regelmäßig Präparate ohne gesicherten Wirksamkeitsnachweis eingesetzt, unter anderem isotone Kochsalzlösung und ß-Sympathomimetika. Bei Indikationsstellung zur passiven Immunisierung besteht Unsicherheit, der Bedarf an konkreten nachvollziehbaren Formulierungen in zukünftigen Leitlinien ist groß. Aus Sicht einer Mehrheit sollte die Anwendung neuer Präparate zur passiven Immunisierung gegen RSV für alle Frühgeborenen und für alle Kinder mit chronischen Erkrankungen empfohlen werden.