Zielsetzung:
Reha-Bedarf erkennen - Bei Indikationen und deren Schweregrad ist die Kinder- und Jugendreha eine geeignete Behandlungsoption?
Der Weg zur Kinder- und Jugendreha – Antragsverfahren und Tipps aus der Praxis für den Befundbericht
Formen, Ablauf, Nachsorge und Qualitätssicherung einer Kinder- und Jugendreha
Hintergrund:
In den letzten Jahren konnte ein erheblicher Anstieg der psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen und deren Familien festgestellt werden. Dieser zeigt sich auch nach Rücknahme der pandemiebedingten Einschränkungen. Hierbei sind emotionale Entwicklungsherausforderungen im besonderen Maße erkennbar. Diese gehen mit einem erhöhten Konsum elektronischer Medien, reduzierter körperlicher Bewegungen und höheren Schulschwierigkeiten einher.
Methoden:
Über Impulsvorträge aus dem Bereich der Sonderpädagogik, der rehabilitativen Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Rehaberatung soll ein Überblick über Möglichkeiten und Grenzen des Rehabilitativen gegeben werden.
Zusammenfassung:
Kinder- und jugendpsychiatrische Rehabilitation ist ein Unterstützungssystem das medizinische und schulische Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne der Kinder und Jugendlichen verbindet. Als gesetzliche Pflichtleistung ist die Kinder- und Jugendreha ein wichtiger Knoten im Versorgungsnetz für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen und ihren Angehörigen. Sie kann viel bewirken, wird jedoch noch zu wenig in Anspruch genommen.
An den Fachkliniken in Wangen wurde in enger Abstimmung mit der Rentenversicherung Baden-Württemberg ein leitlinienorientiertes Rehabilitationsangebot für Kinder und Jugendliche mit kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen und/oder besonderes belastenden Lebensumständen entwickelt und implementiert. Die ausgearbeiteten modularisierten Therapieangebote basieren auf den Empfehlungen der Leitlinien. Die Anpassung der Konzeption wird seitens der deutschen Rentenversicherung gefördert und durch das Rehabilitationswissenschaftliche Forschungsinstitut in Ulm (ifr) evaluiert. In den Zwischenergebnissen, die im März 2023 beim Rehawissenschaftlichen Kolloquium veröffentlicht wurden, zeigt sich ein signifikant positiver Effekt des Angebotes auf die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen.
Um Teilhabe an Bildung für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen zu gestalten, sind die Zielbereiche des SBBZ heute weiter gefasst und damit zentraler Bestandteil einer ganzheitlichen Rehabilitation.
Psychiatrische Erkrankungen als Hindernisse für Teilhabe an schulischer Bildung müssen als komplexe Herausforderung betrachtet werden. Zugänge zu Bildungsangeboten sind systembezogen zu planen und umzusetzen.
Nicht mehr nur das Erlernen von „Schulstoff/Inhalten“ ist Aufgabe, sondern die Gestaltung von individuellen Bildungswegen. Die Beratung von Kindern, Jugendlichen, Eltern und Heimatschulen und die Begleitung in Prozessen der Berufsorientierung oder des Schulwechsels sind die Aufgaben der schulischen Rehabilitation.
Zielsetzung: Time-Out ist eine weit verbreitete erzieherische & therapeutische Methode, die seit knapp sechs Jahrzehnten erforscht & genutzt wird. Wirksamkeitsstudien zeigen, dass Elterntrainings, in denen Time-Out implementiert ist, mit positiven Effekten für Eltern, Kinder und die ganze Familie einhergehen. Dies gilt auch für TOGT, welche die restriktivste Form des Time-Out-Spektrums darstellt. Es bestehen Risiken durch unsachgemäße Anwendung & unerwünschte Nebenwirkungen. Gerade im klinischen Kontext ist TOGT eine deeskalierende Förderbehandlung im Grenzbereich zur Zwangsbehandlung, weswegen öfter Zweifel bezüglich Angemessenheit, Wirksamkeit & Verträglichkeit geäußert werden. Als therapeutische Methode wurde TOGT als Zwangsmaßnahme in ihrer Wirksamkeit und ihrem Nutzen bisher nicht ausreichend empirisch untersucht. Ziel dieser Studie ist die Wirksamkeit & mögliche unerwünschte Nebenwirkungen von TOGT im Sinne einer Nutzen-Risiko-Bewertung zu evaluieren. Es wurde angenommen, dass durch TOGT die selbstregulatorischen Fähigkeiten des Kindes gefördert werden. Dies sollte sich in einer verringerten Selbstregulierungszeit zeigen sowie in einer Abnahme der Intensität von aggressivem Verhalten im Time-Out-Raum.
Methode: Die TOGT erfolgt eingebunden in ein positives Förder- & Erziehungskonzept evidenzbasiert gemäß Triple P. Die Untersuchung fand im Rahmen der internen Qualitätssicherung unserer stationären Sozialpädiatrie statt. Im Zeitraum von März 2017 bis Juni 2021 wurden 913 Kinder mit Verhaltensstörungen stationär behandelt, davon 44 Kinder im Alter von 4 bis 12 Jahren (M = 7.32, SD = 2.00), die mindestens zweimal TOGT erfuhren. Die wesentlichen Merkmale entstammen aus den Entlassungsbriefen der Patienten sowie aus der standardisierten Basisdokumentation der einzelnen TOGT-Vorfälle. Die Wirksamkeit wurde im Rahmen eines nicht-experimentellen Ein-Gruppen-Pre-Post-Designs mittels t-Tests ausgewertet. Psychische & physische Nebenwirkungen wurden in der ärztlichen & psychologischen TOGT-Nachuntersuchung erfasst & evaluiert.
Ergebnis: Über den Behandlungsverlauf nahm die Zeit, die ein Kind benötigte, um sich zu beruhigen, signifikant ab (Pre-Test M = 17.477, SD = 13.374 vs. Post-Test M = 13.258, SD = 7.703, t(43) = 838, p = .039, d = 0.272). Jedoch zeigte sich keine signifikante Reduktion der Intensität des aggressiven Verhaltens innerhalb des Time-Outs.
Insgesamt gab es nach keiner Anwendung von TOGT einen Hinweis auf ein erlebtes Trauma im Zusammenhang mit TOGT. Bei 4.3 % (n = 9) aller TOGT-Episoden kam es zu geringfügigen körperlichen Verletzungen (z.B. Prellung), die keiner komplexen Behandlung bedurften.
Schlussfolgerung: Aufgrund des gezeigten positiven therapeutischen Effektes sowie der wenigen und geringen körperlichen & psychischen Nebenwirkungen scheint TOGT als Deeskalationsmethode angemessen zu sein.
Zielsetzung:
Mütterlicher Stress während der Schwangerschaft kann sich nachteilig auf die neurologische Entwicklung des Kindes auswirken. Ein Zustand, der als stressig angesehen werden kann, ist das Leben als Flüchtling in einem fremden Land. In dieser Studie wurde untersucht, ob mütterliche Ängste und Depressionen bei geflüchteten (syrischen) und nicht geflüchteten (türkischen) Müttern mit einem ungünstigeren motorischen Verhalten von Neugeborenen in Verbindung stehen.
Materialien und Methoden:
Türkische (n=64) und syrische (n=17) termingeborene Säuglinge (370/7 bis 416/7 Schwangerschaftswochen) wurden kurz nach der Geburt (Median 5 Tage; IQR 4-6 Tage) zusammen mit ihren Müttern untersucht. Die Säuglinge wurden mit dem General Movements Assessment (GMA) zur Bestimmung des neurologischen Entwicklungsrisikos und mit dem Test of Infant Motor Performance (TIMP) zur Bewertung der motorischen Leistung und zur Beurteilung der Stabilität des Verhaltenszustandes untersucht. Die Mütter füllten das Beck-Angst-Inventar und das Beck-Depressions-Inventar in ihrer Muttersprache aus.
Ergebnisse:
Die perinatalen und sozialen Merkmale der beiden Gruppen waren ähnlich. Die GMA-Werte waren ebenfalls ähnlich, wobei 5 türkische Säuglinge (8 %) und 1 syrischer Säugling (7 %) deutlich abnormale GMs aufwiesen. Die TIMP-Werte der syrischen Säuglinge waren signifikant niedriger als die der türkischen Säuglinge: 45,53 (SD 7,099) bzw. 51,59 (SD 8,593) (p= 0,009). Dabei lag der Durchschnittliche Z-Score der TIMP-Auswertung bei den syrischen Säuglingen im Gegensatz zu den türkischen Kindern unter den normativen Daten (SD -1,11 ± 0,46 versus-0,67±0,58 (p=0,005, CI: 0,13-0,74). Am Ende der TIMP-Untersuchung waren signifikant mehr syrische als türkische Säuglinge irritiert (Unzufriedenheit bei 29% vs. 8%; p=0,030). Syrische Mütter berichteten signifikant weniger über Ängste (0 [IQR 0-1,5] vs. 1 [IQR 0-5]; p=0,024) und Depressionen (0 [IQR 0-4,5] vs. 2,5 [IQR 0-7]; p=0,046) als türkische Mütter. Die mütterlichen Angst- und Depressionswerte waren nicht signifikant mit den TIMP-Werten verbunden (ρ=0,165, p=0,141 und ρ=0,150, p=0,181).
Zusammenfassung:
Der mütterliche Flüchtlingsstatus war mit einer ungünstigeren motorischen Leistung des Neugeborenen verbunden (TIMP). Letzteres korrelierte jedoch nicht mit mütterlichen Berichten über Ängste und Depressionen verbunden (BAI, BDI). Möglicherweise haben die subjektiven Beck-Fragebögen den mit dem Flüchtlingsstatus verbundenen Stress nicht erfassen können.
Relevanz für Anwender und Familien:
Ein Flüchtlingsstatus der Mutter ist verbunden mit einem messbaren negativen Effekt auf den Entwicklungsneurologischen Zustand des Neugeborenen. Fachleute sollten sich dieser Assoziation bewusst sein und sich bei Säuglingen von Flüchtlingsmüttern ein Bild der Entwicklungsneurologischen Zustands verschaffen, um bei Bedarf eine Frühintervention starten zu können.
Ziel: Evaluation einer standardisierten Spielbeobachtung als Maß für die psychische Gesundheit und Entwicklung von Kleinkindern mit und ohne Fluchterfahrung.
Studiendesign: Im Rahmen eines mehrdimensionalen und multiperspektivischen Ansatzes wurden 181 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren anhand einer neu entwickelten standardisierten Spielbeobachtung systematisch von zwei unabhängigen Beobachtern hinsichtlich ihres Spielentwicklungsstandes, ihrer sozialen Interaktion während des Spiels, traumatischen Reinszenierens und emotional-kalten Spielverhaltens eingeschätzt. Zusätzlich wurden der nonverbale IQ, Lernleistung und Wortschatz mit der Kaufman Assessment Battery for Children (KABC-II) erhoben und Eltern sowie Fachkräfte im Betreuungsumfeld zu kindlicher Symptombelastung und Kompetenzen befragt. Ergänzend wurde die psychische Belastung der Eltern erhoben.
Ergebnisse. Kinder mit Fluchterfahrungen zeigten in der Elternbewertung ein hohes Maß an traumabezogener und allgemeiner Symptombelastung, was mit dem elterlichen Wohlbefinden korrelierte. Im Gruppenvergleich erzielten Kinder mit Fluchterfahrungen geringere Werte im sozialen Spiel- und Interaktionsverhalten, IQ-Test- und Lernleistung. Spielvariablen korrelierten signifikant mit der IQ-Test- (r=.184, p=.037) und Lernleistung (r=.208, p=.010) sowie mit dem Untertest Wortschatz (r=.208, p=.021) in der Kontrollgruppe ohne Fluchterfahrung. Während sich diese Zusammenhänge in der Gruppe der Kinder mit Fluchterfahrung nicht abbilden ließen, zeigten sich dort signifikante Zusammenhänge des Spiel- und Interaktionsverhaltens mit der Einschätzung der sozial-emotionalen Entwicklung im Fachkräfteurteil (r=.368, p=.011), der Zeit seit Ankunft in Deutschland (r=.342, p < .001) und der elterlichen Stress- und Symptombelastung (r=-.292, p= .034).
Schlussfolgerung: Die systematische Anwendung einer standardisierter Spielbeobachtung zeigt signifikante Zusammenhänge mit relevanten Entwicklungsvariablen hinsichtlich des Wohlbefindens und der sozial-emotionalen und kognitiven Entwicklung von jungen Kindern. Die Einflussfaktoren auf das Spielverhalten unterscheiden sich dabei signifikant zwischen Kindern mit und ohne Fluchterfahrungen. Perspektivisch bietet der Einsatz standardisierter Spielbeobachtungen eine vielversprechende Möglichkeit, die bisherige Entwicklungsdiagnostik für junge Kinder zu ergänzen.
Einleitung: Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist eine häufige, genetisch bedingte, autosomal-dominant vererbte Erkrankung [1], die neben den diagnosebestimmenden klinischen Manifestationen [2] oft mit einer globalen Entwicklungsverzögerung einhergeht [3]–[5]. Wir vermuten, dass sich einerseits Unterschiede in den einzelnen Bereichen der Sprache zeigen, insbesondere in gut trainierbaren Items, die ohne visuell räumliches Vorstellungsvermögen auskommen und andererseits, dass sich die globale sprachliche Entwicklungsverzögerung in Teilbereiche untergliedern lässt.
Methoden: 23 Kinder (Geschlecht: m=52,2% [n=12]) mit NF1 und eines mit Legius-Syndrom wurden im Alter zwischen 2–5 Jahren (m=41,46 ± 7,44 Monate, Range: 28–53 Monate) anhand der neu normierten Münchner Funktionellen Entwicklungsdiagnostik (MFED 1–4), die in sieben Entwicklungsbereiche (Kognition, rezeptive und expressive Sprache, Grob- und Feinmotorik, soziale Entwicklung und Selbständigkeit) gegliedert ist [6], untersucht. Die statistische Auswertung erfolgt mit deskriptiver Statistik (abs./rel. Häufigkeiten,T-Tests).
Ergebnisse: Im Bereich der expressiven und rezeptiven Sprache zeigen alle Kinder mit NF1 eine signifikante Entwicklungsverzögerung im Vergleich zum Normkollektiv. Lediglich im Bereich der farbbezogenen Items (rot, gelb, blau, grün) der expressiven und rezeptiven Sprachentwicklung zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen NF1-Kindern und dem Normkollektiv.
Diskussion: Während eine globale sprachliche Entwicklungsverzögerung der NF1 Kinder bestätigt werden konnte, zeigt sich eine Stärke in den farbbezogenen Items mit altersgerechter Entwicklung im Vergleich zum Normkollektiv. Dies könnte daraufhin weisen, dass Farben ein gut trainierbares Item sind. Weiterhin benötigen sie kein visuell-räumliches Vorstellungsvermögen, bei welchem NF1-Kinder bekanntermaßen Defizite aufweisen [3]. Weitere Forschung ist notwendig um konkrete Entwicklungsprofile mit Stärken und Schwächen zu entwickeln, um Frühförderungsmöglichkeiten bestmöglich spezifisch umzusetzen und den Einfluss des visuell- räumlichen Sehens auf die globale Entwicklungsverzögerung zu untersuchen.
Zielsetzung: Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist eine häufige genetisch bedingte autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die oft mit einer Entwicklungsverzögerung einhergeht [1, 2]. Digitale Medien sind in der Gesellschaft fester Teil des Alltags, wodurch Kleinkinder diese zunehmend sehr früh exzessiv konsumieren [3]. Auch wenn, insbesondere bei (Vor)-Schulkindern, positive Effekte auf die Entwicklung mittels digitalen (Lern)-Spielen beschrieben sind [4], zeigt hoher Medienkonsum negative Einflüsse auf die kindliche Entwicklung (bei Kleinkindern), insbesondere im sprachlichen und im feinmotorischen Bereich [3, 5, 6]. Wir vermuten daher, dass ein erhöhter Medienkonsum bei Kindern mit NF1 einen besonders negativen Einfluss auf die Entwicklung hat.
Methoden: Die Querschnittsstudie untersucht 31 Kinder (Alter: m=36,14±11,31 Monate; Range 14–53 Monate; Geschlecht m=13 [41,9%]) mit gesicherter NF1 (n=30) und Legiussyndrom (n=1) mit der neu normierten Münchner Funktionellen Entwicklungsdiagnostik (MFED 1–4) in 7 Teilbereichen (kognitive Entwicklung, expressive Sprache, Sprachverständnis, Grob-/Feinmotorik, soziale Entwicklung, Selbständigkeit) [7] und einem 57 Items umfassenden soziodemographischen Fragebogen. Die statistische Auswertung erfolgt mit deskriptiver Statistik (abs./rel. Häufigkeiten,T-Tests).
Ergebnisse: Medien (Videofonieren, Telefonieren, Filme/Videos, digitale Spiele) wurden m=64,5±75,83 Minuten/Tag (Range 0–300 Minuten) konsumiert. 22,6% der Kinder konsumieren Medien beim Essen, knapp 20% konsumieren Medien direkt vor dem Schlafen. 9,7% der Kinder verfügen frei über ihre Medienzeit. In 1/3 der Haushalte existiert für Kinder keine Nutzungssperre für die verfügbaren Medien. NF1-Kinder der Altersgruppe 36–53 Monate zeigen bei mehr als 60 Minuten Medienkonsum pro Tag ein signifikant schlechteres Testergebnis in der expressiven Sprache und Feinmotorik sowie tendenziell im Sprachverständnis (p=0,06) als NF1-Kinder der gleichen Altersgruppe mit weniger als 60 Minuten Medienkonsum pro Tag.
Diskussion: Wir zeigen einen hohen Medienkonsum bereits im Kleinkindalter mit einer ähnlichen Gesamtzeit der NF1-Kinder wie in der Gesellschaft [3, 8]. Bei negativen Einflüssen von hohem Medienkonsum auf die kindliche Entwicklung [8, 9], wirkt bei Kindern mit besonderem Förderbedarf Medienkonsum, der möglicherweise zur Kompensation von Verhaltensauffälligkeiten wie Ess-oder Schlafstörungen eingesetzt wird [10], zusätzlich schädlich auf Teilbereiche der Entwicklung. Weitere Forschung ist nötig zur Erfassung der Auswirkungen von frühem exzessiven Medienkonsum bei Kindern mit Syndromen.
Wir stellen einen mittlerweile 18jährigen Patienten vor, der aufgrund einer Hirnblutung bei Frühgeburtlichkeit (29.SSW) eine geistige Behinderung (SON-R IQ 69) und eine leichte spastische Diparese entwickelte. Er hatte ab dem Kleinkindalter eine so ausgeprägte Impulskontrollstörung, dass trotz umfassender Unterstützung der alleinerziehenden Mutter der Verbleib in der Herkunftsfamilie gefährdet war. Im interdisziplinären Austausch (Psychologie, Ergotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Neuropädiatrie) entschieden wir uns in diesem Einzelfall schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt (3. LJ) für eine off-label-Therapie mit Methylphenidat. Der Junge profitierte erheblich, insbesondere in den Möglichkeiten zur Teilhabe im Kindergarten. Nach Einschulung musste die Therapie bis 1,5mg/kg/d aufdosiert werden um einen Schulbesuch möglich zu machen, obwohl er unter den günstigen Rahmenbedingungen einer engagierten Schule für Geistig Behinderte beschult wurde.
Ab dem 9. LJ konnte die Therapie bei deutlich gebesserter Symptomatik schrittweise reduziert werden und im Alter von 12;2 Jahre ganz abgesetzt werden. Der Junge kam in der Folgezeit gut zurecht.
Ein Jahr später erfolgte die Wiedervorstellung, weil der Patient zunehmend häufig sexuell übergriffiges Verhalten zeigte: Er umarmte Klassenkameradinnen ohne Vorwarnung oder fasste ihnen an den Busen. Strafandrohungen waren ohne Effekt. Die Schulleitung erklärte der Mutter, dass bei Persistenz des Fehlverhaltens Maßnahmen wie Kurzbeschulung, den Ausschluss von der Beförderung im Schulbus und den Ausschluss von Klassenfahrten nicht zu umgehen seien. Abgesehen von den sexuellen Übergriffen war das Verhalten des Jungen sowohl im schulischen als auch im familiären Rahmen in Ordnung.
Im Einzelgespräch mit dem behandelnden Arzt, der auch Psychotherapeut ist, schilderte der Patient in anrührender Weise, dass er die Mädchen wirklich nicht anfassen wolle. Es passiere einfach: „es kommt so schnell aus mir, da kann ich einfach nichts machen.“ Es wurde auch deutlich, dass der Patient diese Situationen nicht aktiv herbeiführte, sondern sogar versuchte sie zu vermeiden. Er wisse ja, dass er das nicht tun dürfe.
Im Einvernehmen mit dem Patienten und der alleinerziehenden Mutter wurde eine Therapie mit retardiertem Methylphenidat begonnen, die bei einer Dosis von 40mg bei einem Körpergewicht von 99kg (0,4mg/kg/d) dazu führte, dass das übergriffige Verhalten nicht mehr auftrat. Der Patient war sehr froh über diese Wendung und beschrieb die Wirkung des Medikamentes als „schon irgendwie angenehm.“
Als der Patient 16;3 Jahre alt war, wurde die Therapie nach einem erfolgreichen Auslassversuch beendet. Auch heute, 2 ½ Jahre nach Absetzen, ist das Verhalten nicht mehr aufgetreten.
Schlussfolgerung: Eine krankhafte Störung der Impulskontrolle kann auch dazu führen, dass als einziges Symptom sexuell motivierte Impulse nicht zurückgehalten werden können.
Introduction: Developmental delay (DD) is one of the most frequent disorders in early childhood. Early identification of DD is critical to ensure appropriate interventions. However, there is little knowledge about the demand and supply of services for children with DD in Switzerland. In the Canton of Zurich, therapy recommendations for preschool children with DD are centrally organized. We aimed to evaluate whether granted hours are being utilized.
Methods: We analyzed our database regarding the rate of utilization of granted therapy hours of all children with a recommendation for speech therapy or early special needs education (ESNE) in 2017 (n = 1954) and investigated the reasons for under-utilization.
Results: 496 children (25.3 %) were allocated to ESNE and 1458 (74.6 %) to speech therapy. The median utilization rate of therapy hours was 74 % (ESNE) and 70.7 % (speech therapy). The most frequent reasons for low therapy utilization were parental therapy termination (23.7 %) and lack of therapeutic capacity (19 %). 10.7 % of the children in speech therapy did not receive any therapeutical hours due to approaching kindergarten entry, whereas only 4.8 % of the children receiving speech therapy reached therapeutic goals before fulfilling their therapeutical recommendation.
Discussion: Therapy utilization was significantly below the hours granted. 30 % of all recommended therapy hours for preschool children were not used. Increasing therapeutical capacity and compliance with EI, as well as adding programs for children with developmental language disorder could help raise the utilization rate and thus improve outcomes.
Conclusion: Strategies to improve therapy utilization should be considered.
Zielsetzung: Die Früherkennung von möglichen psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter spielt eine wichtige Rolle, um bei Bedarf eine passende Behandlung einzuleiten und eine Chronifizierung der Symptomatik zu vermeiden. Grundsätzlich bieten sich pädiatrische Vorsorgeuntersuchungen (U-Untersuchungen) für eine solche Früherkennung an. Bislang ist allerdings unklar, welches Screening Instrument zur Erkennung von psychischen Auffälligkeiten in diesem Kontext sinnvoll erscheint. Das Ziel dieses systematischen Reviews ist die Ermittlung von Screening Instrumenten, die weltweit in pädiatrischen Vorsorgeuntersuchungen eingesetzt werden, sowie die Beschreibung ihrer psychometrischen Qualität.
Methoden: Es wurde eine systematische Literaturrecherche im März 2023 in den Datenbanken PubMed, Web of Science und Scopus durchgeführt. Einschlusskriterien waren der Einsatz in der ambulanten pädiatrischen Praxis, die Aktualität der Studien (Veröffentlichung nach 2013; Zeitgrenze = 10 Jahre), sowie das Screening von psychischen Auffälligkeiten. Ausschlusskriterien waren der Einsatz von Screening Instrumenten mit dem Fokus auf Entwicklungsauffälligkeiten, Schulperformanz oder somatischen Erkrankungen, sowie Intelligenztestungen. Eine Volltextanalyse der verbleibenden Studien wurde durch zwei unabhängige Rater*innen durchgeführt. Die psychometrischen Eigenschaften der identifizierten Instrumente wurden im Hinblick auf Reliabilität, Validität, Spezifität und Sensitivität, sowie die Qualität der Studien im Hinblick auf Stichprobenrepräsentativität bewertet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 11.794 Publikationen ermittelt. In dem Studienauswahlverfahren wurden 11.703 dieser Treffer ausgeschlossen. Eine Volltextanalyse von 91 verbleibenden Studien führte zu einem endgültigen Einschluss von 21 Studien, die Informationen zu vier als relevant identifizierten Instrumenten lieferten. Diese waren der Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ; n = 9), die Child Behavior Checklist (CBCL; n = 4) und die Pediatric Symptom Checklist (PSC; n = 5), sowie ihre Kurzform, die PSC-17 (n = 5). Die Methodik der Studien war häufig eher als schwach einzuordnen. Die Ergebnisse dieses Reviews deuten darauf hin, dass dennoch die beste psychometrische Evidenz im Kontext pädiatrischer Vorsorgeuntersuchungen aktuell am ehesten für den SDQ vorhanden ist. Der SDQ ist in verschiedenen Sprachen und als Selbst- sowie Fremdberichtversion verfügbar.
Diskussion: Insgesamt konnten nur wenige methodisch gute, aktuelle Studien identifiziert werden, welche die psychometrische Qualität zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten im ambulanten pädiatrischen Kontext prüften. Eine Limitation dieses Reviews ist die Beschränkung der Literaturrecherche auf englisch- und deutschsprachige Studien. Stärken sind die strukturierte Darstellung der aktuellen Evidenzlage zu Screening Instrumenten in der ambulanten pädiatrischen Versorgung, sowie die qualitative Bewertung der Studien.
Background
Childhood obesity and overweight have consequences beyond physical health. Interactions between cognitive function and weight status remain underexplored. In this study, influences of weight and nutrition on cognitive function were studied in second grade children.
Methods and Findings
Anthropometric measurements, cognitive testing and short interviews were performed in schools from October 2021 until July 2022 in the Rhein-Neckar region, Germany. Cognitive testing was performed using the PSYTEST KiTap test battery (distractibility and flexibility modules) as well as a short-term memory test. In addition to data collected at schools, parents were asked to provide information regarding physical activity, nutrition and past anthropometric data (U-examinations).
A total of 256 children with a mean age of 8.0 years participated in this study. Mean zBMI was -0.25. Most children (74%) were normal weight according to national growth standards. The majority of participants had a high socioeconomic background (68% over 4.000€ net earnings per month). A non-significant trend between a higher zBMI and lower attention and flexibility could be observed. Soft drink consumption had a significant negative correlation with results for distractibility (r=0.160; p=0.036) and flexibility (r=-0.172; p=0.024), while higher total fluid consumption had a positive correlation on distractibility test results (r=-0.191; p=0.023). A lower total calory intake (r= -0.298; p < 0.001) and high percentage of carbohydrates (r= 0.203; p= 0.016) were associated with faster reaction time in the flexibility task. A high fiber intake showed a significant positive correlation with reaction time (r= 0.209; p= 0.013). Furthermore, there was a significant association of distraction with socioeconomic status (r=0.176; p=0.027) and migration background (r=-0.213; p=0.004). A lower socioeconomic status was associated with higher children’s zBMI (r= -0.184; p= 0.020), higher mother’s BMI (r= -0.183; p= 0.024) and more soft drink consumption (r= -0.233; p= 0.004). No influence factors for memory could be identified.
Conclusion
In line with general nutritional advice, a higher consumption of fluid, carbohydrates and fiber seem to be positively associated with better cognitive function, while soft drink consumption showed a negative association. The results of this study suggest that cognition in primary school children is primarily influenced by nutritional aspects and socioeconomic factors. Improving the availability of fluids and healthier foods in schools could potentially enhance cognitive function in primary school children.
Zielsetzung
Die genetische Diagnostik nimmt eine wichtige Rolle innerhalb der Pädiatrie ein. Insbesondere die NGS-Methoden erreichen hohe Aufklärungs-Raten (Wise et al., 2019). Dies trifft zum einen auf breite, unspezifische Patientenkollektive mit Entwicklungsverzögerungen/angeborenen Fehlbildungen zu, gilt aber auch für organspezifische Erkrankungen (Maia et al., 2021; Srivastava et al., 2019; Alvarez-Mora et al., 2022). Die Diagnosestellung ist dabei nicht mehr nur für wenige, ausgewählte Erkrankungen klinisch relevant (wie z. B. die spinale Muskelatrophie), sondern beeinflusst inzwischen immer mehr in der Breite das Management der betroffenen Patienten (Splinter et al., 2018; Wise et al., 2019; Kagan et al., 2023). Da genetisch-bedingte Erkrankungen per Definition erbliche Erkrankungen sind, haben sie immer auch eine Bedeutung für weitere Familienmitglieder.
Methoden
Review der Literatur. Veranschaulichung mit Fallberichten von Patienten mit seltenen Erkrankungen und deren Familien. Dabei wird die Bedeutung der Diagnosestellung für weitere Familienangehörige gezeigt.
Ergebnisse
Die genetische Diagnosestellung bei einem Kind kann für die weitere Familie dieses Kindes eine große Bedeutung haben. Folgende Konstellationen zählen u. a. dazu:
1. Psychosoziale Bedeutung für Familien:
a. In einer für Familien belastenden Situation wie z. B. während der akut-stationären Behandlung eines Kindes stellt die „frühe“ genetische Diagnose beim Kind eine zusätzliche psychische Belastung dar (Bowman-Smart et al., 2022; Robinson et al, 2019; Bose et al, 2019), wie auch bei unserem Patienten mit ASXL3-Gen-bedingter Entwicklungsstörung.
b. Die genetische Diagnose beim Kind kann aber auch Klarheit bringen und sogar entlasten, wenn zum Beispiel ein vermutetes Fetales Alkohol Syndrom am Ende doch als CREBBP-Gen-bedingte Entwicklungsstörung diagnostiziert wird, wie bei unserem Patienten.
2. Schließlich kann die genetisch gestellte Diagnose beim Kind auch eine unvermutete Diagnose bei den Eltern bedingen (4% der Familien; Manickam et al, 2021): so auch, wenn die Tochter mit der homozygoten PROC-Genveränderung diese von beiden Eltern geerbt hat oder beim Vater mit dem „Rheuma“ die Diagnose eines Familiären Mittelmeerfiebers gestellt wird.
3. Weitere Familienplanung: In ca. jeder zehnten Familie ergeben sich vor oder in einer weiteren Schwangerschaft entsprechende Konsequenzen (9%). Dies zeigt sich – wie bei unserem Patienten mit IGHMBP2-Gen-bedingter HMSN – auch immer wieder in unserer klinisch-genetischen Sprechstunde.
Zusammenfassung
Bei der Durchführung der genetischen Diagnostik ist es wichtig, das Kind im Kontext seiner Familie zu sehen. Wenn die Diagnose einer genetisch-bedingten Erkrankung gestellt wird, betrifft das oft nicht nur das Kind, sondern kann große Auswirkungen auf weitere Familienmitglieder haben.
Aim
Influenza vaccines have traditionally been produced in eggs, which can introduce egg-adaptive mutations. The use of cell-based technology for producing influenza vaccines avoids egg-adaptive mutations during production, potentially improving antigenic match to circulating influenza viruses and therefore vaccine effectiveness. This study projected the public health impact if all vaccinated children ( < 18 years of age) in the United States (US) received cell-based inactivated quadrivalent influenza vaccine (ccIIV4) compared to egg-based inactivated quadrivalent influenza vaccine (IIV4) during the 2017-2018 through 2019-2020 influenza seasons.
Materials and Methods
The modeling methodology used by the US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) for estimating overall disease burden averted due to influenza vaccination was extended to a relative vaccine effectiveness (rVE) context. Model inputs included CDC data regarding influenza vaccine uptake, influenza incidence, influenza-related healthcare resource use and deaths. CDC estimates of absolute vaccine effectiveness (aVE) (any vaccine compared to no vaccination) were used as the absolute vaccine efficacy of IIV4. Based on previously published rVE estimates generated from the same real-world database, the rVE of ccIIV4 vs IIV4 was assumed to be 19.3% in 2017-2018, 7.6% in 2018-2019, and 17.2% in 2019-2020. The CDC estimates that influenza vaccine coverage ranged from 58-75% among the 73.8 million children < 18 years of age in the US during the 2017-2020 influenza seasons.
Results
The main outcome estimated the number of influenza-related cases and complications that would be averted (among the overall < 18 population) if all vaccinated children received ccIIV4 or IIV4. Across the 3 influenza seasons, use of ccIIV4 would result in prevention of an additional 3,175,081 symptomatic illnesses, 1,833,049 outpatient visits, 13,837 hospitalizations, and 147 deaths.
Conclusions
A substitution of ccIIV4 instead for IIV4 in US childhood vaccinations during the 2017-2020 influenza seasons may have had substantial public health impact due to a 28.1% to 43.9% increase in influenza cases prevented.