Autor:innen:
M. Bous (Homburg/Saar, DE)
S. Goedicke-Fritz (Homburg/ Saar, DE)
M. Zemlin (Homburg/ Saar, DE)
S. Lehmann-Kannt (Homburg/ Saar, DE)
Die Hymenalatresie gehört zu den häufigsten Anlagestörungen und tritt mit einer Prävalenz von 0,05-0,1 % auf 1,2. Viele Patientinnen bleiben bis zur Menarche asymptomatisch, anschließend finden sich häufig Bauchschmerzen bei primärer Amenorrhoe und sonographisch ein Hämatokolpos bzw. eine Hämatometra. Eine Manifestation der Hymenalatresie ist jedoch auch schon zu früheren Zeitpunkten möglich. Wir berichten von einem Neugeborenen, das am 1. Lebenstag durch eine Vorwölbung im Bereich des Scheideneingangs auffiel. Sonographisch konnte ein Mukokolpos, also eine Ansammlung von Schleim und Sekret in der Vagina, diagnostiziert werden. Die Diagnose eines Mukokolpos im Rahmen einer Hymenalatresie sollte sonographisch gesichert werden. Im Rahmen einer neonatalen Hormonentzugsblutung kann es auch neonatal zu einem Hämatokolpos kommen. Ohne Muko- oder Hämatokolpos ist eine Hymenalatresie vor der Menarche jedoch schwer zu diagnostizieren. Komplikationen können durch eine Kompression umliegender Strukturen, wie der Urethra, entstehen. Dadurch kann es zu Dysurie, Harnverhalt bis hin zu einer Niereninsuffizienz kommen2,3. Differentialdiagnose einer vermeintlich „verschlossenen Vaginalöffnung“ ist ein Hymen altus (hoch ansetzendes Hymen) als harmlose Normvariante. Möglich sind aber auch eine obstruierende Hemivagina (i.R. eine OHVIRA-Syndroms), Vaginalsepten, Vaginalatresie (z.B. i.R. eines Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms), Gartner- und Paraurethralzysten oder eine durch die Urethra prolabierende Ureterozele. Wichtig ist hier bei o.g. Syndromen die Assoziation mit renalen Fehlbildungen, die ebenfalls sonographisch ausgeschlossen werden sollten. Therapeutisch sollte im Neugeborenen- und Säuglingsalter nur bei symptomatischem Muko- bzw. Hydrokolpos eine Inzision unter aseptischen Bedingungen erfolgen. In den meisten Fällen kommt es jedoch zu einer spontanen Resorption des Mukokolpos, sodass keine Eröffnung, die mit einem Risiko für aszendierende Infektionen assoziiert ist, notwendig ist. Eine operative Exzision der Hymenalatresie sollte erst bei östrogenisiertem Hymen zu Beginn der Pubertät, optimalerweise vor Eintritt der Menarche, erfolgen. Auch bei oben genannter Patientin wurde auf eine Inzision verzichtet, in der Verlaufskontrolle zeigte sich ein spontan rückläufiger Befund.
Zusammenfassung: Die Hymenalatresie ist eine Anomalie, die bereits in der Neonatalperiode im Rahmen eines Muko- bzw. Hämatokolpos symptomatisch werden kann. Wichtig ist es, die Diagnose mithilfe der Sonographie zu sichern und weitere Differenzialdiagnosen auszuschließen, die mit assoziierten Fehlbildung einhergehen können. Bei asymptomatischem Mukokolpos vor Beginn der Pubertät sollte ein konservatives Procedere gewählt werden. Eine spontane Eröffnung ist möglich, aber selten4. Der optimale Zeitpunkt für eine chirurgische Therapie liegt zu Beginn der Pubertät (Thelarche) vor Auftreten der Menarche. Dies sollte im Untersuchungsheft notiert und den Eltern kommuniziert werden.