Polypharmazie beginnt lt. WHO ab 4 Medikamenten aufwärts. Die meisten unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die durch Wechselwirkungen bedingt sind, gelten als „vermeidbare Medikationsfehler“ (Hiemke C, Eckermann G, Psychopharmakotherapie 2014; 21:269-279).
In diesem Workshop sollen medikamentöse Kombinationstherapien in Bezug auf Risiken, aber auch die mögliche erhöhte therapeutische Effizienz u. a. an praktisch-klinischen Beispielen dargestellt werden. Es werden Signale diskutiert, die auf die zu erwartenden Interaktionseffekte hinweisen und wir erörtern die sich regelmäßig ergebenden Fragen der z. T. Güterabwägung.
Arzneimittelinteraktionen werden in pharmakokinetische und pharmakodynamische eingeteilt: 1. Pharmakokinetische Interaktionen treten auf, wenn eine Substanz die Absorption, die Verteilung, die Metabolisierung oder die Exkretion eines Medikaments verändert und damit dessen Konzentration am Wirkort erhöht oder senkt. Die meisten pharmakokinetischen Wechselwirkungen finden auf der Ebene der Metabolisierung statt und hier an Enzymen des Cytochrom-P450-Systems (CYP). Es sind aber auch Interaktionseffekte zu berücksichtigen, die z. B. durch Resorptionsstörungen entstehen können, darauf wird oft zu wenig geachtet. 2. Pharmakodynamische Wechselwirkungen entstehen, wenn die kombinierten Substanzen an der gleichen Wirkstruktur oder an funktionell verbundenen Systemen gemeinsam angreifen. So können sich z. B. die Effekte auf die QT-Strecke im EKG durch Quetiapin plus Escitaloram (eine formale Kontraindikation!) zu einem TdP-Ereignis aufsummieren. Oder der additive Effekt von Blutbildstörungen, der natürlich gerade bei Clozapin nicht zu unterschätzen ist.
Ausführlich dargestellt werden Probleme, die sich bei der Kombination von Psychopharmaka mit Medikamenten ergeben, die bei internistischen Komorbiditäten eingesetzt werden, wie wir sie bei Infektionen und Entzündungsreaktionen, Tumorerkrankungen, z. B. Brustkrebs, neurologischen und endokrinologischen Erkrankungen finden. Dabei werden wir auch das Kapitel der sog. Prodrugs wie Tamoxifen, Clopidogrel oder Tramadol uns sorgfältig ansehen.
Diskutiert werden in diesem Workshop auch die Wechselwirkungen von Psychopharmaka mit Schmerzmitteln. Nahrungs- und Genussmittel (Rauchen) können zu erheblichen pharmakokinetischen Veränderungen der eingenommenen Medikamente und auch zu pharmakodynamisch additiven Schwierigkeiten führen, z. B. Goji-Produkte und Antikoagulanzien.
Diskutiert werden auch die pharmakogenetischen Polymorphismen. Ein veränderter pharmakogenetischer Status kann erhebliche Behandlungsrisiken in sich bergen wie z. B. Pseudotherapieresistenz, wenn man diesen Status nicht klärt. Auch dafür gibt es deutliche Signale, die man erkennen sollte.
Wir kümmern uns um die Probleme und Risiken durch Phytopharmaka und Selbstmedikation, die u. U. ein Hochrisiko-Hazard-Spiel darstellen.
Für die Psychopharmakotherapie speziell bedeutsame elektronische Interaktionsdatenbanken werden genauer vorgestellt: www.psiac.de und ein vergleichbar interessantes Programm wie www.mediQ.ch
Das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) ist eines der effektivsten Werkzeuge, um die Effekte von Wechselwirkungen zu detektieren und zu steuern. Durch Messung der Plasmakonzentrationen ist es möglich, die Dosis sehr patientenindividuell anzupassen. Allerdings ist die Interpretation von TDM-Befunden nicht ganz trivial. Wir werden uns deshalb das präzise Vorgehen bei der Befundinterpretation von Medikamentenblutspiegeln an Beispielen genauer anschauen. Das kann auch einmal haftungsrechtliche Bedeutung haben.
Ganz wesentlich geht es in diesem Workshop auch um die Fälle der Teilnehmenden, die diese besprechen möchten. Alle Kolleginnen und Kollegen sind aufgefordert, eigene Fälle mitzubringen, die sie als schwierig, interessant oder sehr komplex verstehen. Und wir bearbeiten diese Fälle gemeinsam. Und natürlich diskutieren wir auch Kasuistiken, die ad hoc eingebracht werden.
Weiterführende Literatur
Hiemke C., Eckermann G., Kombinationstherapie/Polypharmazie: Interaktionen von Psychopharmaka. Psychopharmakotherapie 2014; 21:269-279. Geisslinger/Menzel „Wenn Arzneimittel wechselwirken – wichtige Interaktionen erkennen und vermeiden“. Verlag Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2017.