Das Symposium soll einen Überblick über die Bedeutung der architektonischen Gestaltung in der Psychiatrie geben. Welchen Beitrag kann Architektur zur Genesung leisten? Wie kann gelungene Architektur das Arbeiten im Krankenhaus unterstützen und erleichtern? Welche (besonderen) Aspekte sind beim Bau psychiatrischer Einrichtungen zu beachten? Wie können die Nutzenden in den Planungsprozess einbezogen werden? Welche gestalterischen Elemente können zur Schaffung einer heilsamen, angenehmen Atmosphäre genutzt werden?
Martin Voss (Psychiatrie) wird in das Thema einleiten und die besonderen Erfordernisse, die in der Psychiatrie zu beachten sind, beleuchten.
Jason Danziger (Architektur) wird an einem konkreten Beispiel zeigen, wie eine maximale Beteiligung der Nutzenden am Planungsprozess das Gesamtergebnis (eine psychiatrische Station) positiv beeinflusst und wie die Auswahl von Materialien, Farben, Raumproportionen sowie eine Optimierung des Grundrisses zur Schaffung eines heilsamen therapeutischen Milieus beitragen. Julia Kirch (Architektur) wird ebenfalls Beispiele für gelungene und genesungsfördernde Architektur in der Psychiatrie vorstellen und die Prinzipien der jeweiligen Entwürfe erläutern. Zum Schluss wird Iris Hauth (Psychiatrie) ein kürzlich in einem interdisziplinären Workshop entwickeltes Architekturkonzept zur Gestaltung psychiatrischer Akutstationen vorstellen. Das Konzept enthält konkrete Vorschläge, wie Sicherheit, Nachhaltigkeit und Funktionalität einerseits sowie wohnliche, angenehme Atmosphäre andererseits in Einklang gebracht werden können. Die Schaffung einer optimal auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittenen Umgebung kann so einen Beitrag zur Vermeidung von Zwang und Gewalt auf Akutstationen leisten.
13:30 Uhr
Atmosphäre als Therapeutikum – warum wir mehr über die Gestaltung von Räumen in der Psychiatrie nachdenken sollten
M. Voss (Berlin, DE)
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Autor:in:
M. Voss (Berlin, DE)
Die Tatsache, dass sich die atmosphärische Qualität von Räumen, in denen wir uns aufhalten, unmittelbar auf das Wohlbefinden auswirkt, liegt auf der Hand und ist unmittelbar erfahrbar. Dieser Zusammenhang von (gebauter) Umgebung und psychischem Befinden ist gut beschrieben und untersucht.
Von Bedeutung für das Bauen in der Psychiatrie ist sicherlich die Beobachtung, dass Menschen, die sich wegen einer psychischen Ausnahmesituation in stationär-psychiatrische Behandlung begeben, in noch größerem Maße als psychisch „Gesunde“ für atmosphärische Aspekte der gebauten Umgebung empfänglich sind. Das häufiger vorgebrachte Argument, Krankenhäuser dürften nicht „zu schön“ sein, weil dies die Entlassung verzögern würde, erscheint vor diesem Hintergrund geradezu zynisch. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine heilungsfördernde Atmosphäre einen positiven Einfluss auf die Genesung hat und somit die Liegedauer eher verkürzen kann.
Neben der besonderen Bedeutung der Raumatmosphäre gibt es in der Psychiatrie eine Reihe besonderer Faktoren, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Teilweise sehr lange Liegezeiten, unfreiwillige, fremdbestimmte Aufenthalte, Eigen- und Fremdgefährdung, ein besonders ausgeprägte Bedürfnisse nach Schutz und Privatsphäre oder eine übermäßige Sensibilität für Umweltreize sind hier beispielhaft im Hinblick auf Patient*innen zu nennen. Mit Blick auf das therapeutisch tätige Personal müssen zur Schaffung von optimalen Arbeitsbedingungen für multiprofessionelle Teams mitunter unterschiedlichste therapeutische Konzepte, die jeweils andere bauliche Anforderungen mit sich bringen, berücksichtigt werden.
Die Bereitstellung von Ressourcen im Planungsprozess für eine intensive und zielorientierte Einbeziehung von Nutzenden (Therapeut*innen ebenso wie Patient*innen und deren Angehörige) scheint vor dem Hintergrund der genannten Herausforderungen ein ganz wesentlicher Aspekt, der zum Gelingen eines Bauprojektes in der Psychiatrie notwendig ist.
13:52 Uhr
Gestaltung einer psychiatrischen Station in enger Abstimmung mit den Nutzern
J. Danziger, M. Arch. (Berlin, DE)
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J. Danziger, M. Arch. (Berlin, DE)
Am Beispiel der „Soteria Berlin“ an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig Krankenhaus wird der Planungs- und Bauprozess einer psychiatrischen Station beschrieben, bei dem die Abstimmung mit den Nutzenden besonders intensiv und engmaschig stattfand.
Nachdem bereits vor zehn Jahren eine Station entstanden war, die sich deutlich vom sonst üblichen Standard abhob, musste die Soteria aus betriebsinternen Gründen (notwendige Kernsanierung des gesamten Gebäudes) in neue Räumlichkeiten umziehen. In den Räumen einer ehemaligen Tagesklinik auf dem Gelände entstand eine neue Version der Soteria, die im September 2023 in Betrieb genommen wurde.
Die Besonderheit des Projektes war, dass bei der zweiten Version der Soteria die Vorerfahrungen aus der ersten Planungs- und Bauphase und die Erfahrungen aus dem Betrieb zur Optimierung der neuen Soteria genutzt werden konnten.
In den zehn Jahren hatte sich um die Soteria eine ganze Gemeinschaft aus Patient*innen und Mitarbeitern gebildet; ein Netzwerk, auf das ich als Architekt bei der Planung zugreifen konnte. Als Teil des Teams der Soteria wurde mir der informelle Titel "Raumtherapeut" zuteil.
Beim Planungsprozess und während der Bauphase wurde darauf geachtet, stets mit einer größtmöglichen Anzahl von Akteuren aus sämtlichen Bereichen (Geschäftsführung, Planer und Handwerker aller Fachbereiche, Haustechnik, Reinigungspersonal, Nutzende auf Seiten der Therapeut*innen (aller Berufsgruppen) sowie der Patient*innen) in einem intensiven Dialog zu Konsensentscheidungen zu kommen. Hierbei wurde selbst über kleine Details, wie Techniken beim Auftragen der Farbe oder eine exakte Abstimmung über Materialien, Einbauten und Beleuchtung gemeinsam entschieden. Dieser Prozess war durchaus unüblich, zeitaufwendig und herausfordernd — aber schlussendlich von ganz wesentlicher Bedeutung für das gelungene Endergebnis.
Denn am Ende sind es nicht einige Details, die das Projekt ausmachen, sondern die Summe aller Details.
14:14 Uhr
Bauen für seelische Gesundheit – Bericht aus der Praxis
J. Kirch (Ludwigshafen, DE)
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Autor:innen:
J. Kirch (Ludwigshafen, DE)
L. Hofrichter (DE)
Die Zahl psychiatrischer Diagnosen steigt kontinuierlich, was zu vermehrten psychiatrischen Behandlungen führt. Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung der Therapie und der heilenden Umgebung. Die planerische Herausforderung bei der Gestaltung von Psychiatrien liegt nicht nur in der Erstellung und Umsetzung eines Raumprogramms, sondern in Architekturqualität, Atmosphäre und der Berücksichtigung des Kontexts. Architektur beeinflusst soziale Interaktionen, individuelles Wohlbefinden und Emotionen. Insbesondere bei psychiatrischen Einrichtungen geht es darum, einen schützenden, unterstützenden Raum für Menschen in vulnerablen Situationen zu schaffen und der Stigmatisierung entgegenzuwirken. In diesem Vortrag werden anhand von Praxisbeispielen aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze präsentiert. Die Auswahl an architektonisch anspruchsvollen Beispielen von Psychiatrie-Architektur zeigt die Vielfalt und bauliche Qualität, die in diesem Spannungsfeld möglich ist und welchen Beitrag Architektur für eine qualitätsvolle Versorgung leisten kann.
14:36 Uhr
Vorstellung eines neu entwickelten Architekturkonzepts für Akutstationen
J. Helbeck (Berlin, DE)
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Autor:in:
J. Helbeck (Berlin, DE)
Auf Grundlage eines mehrstufigen, interdisziplinären und einrichtungsübergreifenden Workshops wurde ein Architekturkonzept zur Gestaltung psychiatrischer Akutstationen entwickelt, welches im Rahmen des Symposiums vorgestellt werden soll. Beispielhaft enthält das Konzept konkrete Vorschläge, wie Sicherheit, Nachhaltigkeit und Funktionalität einerseits sowie wohnliche, angenehme Atmosphäre andererseits in Einklang gebracht werden können. Zudem wurden nach Prioritäten kategorisierte Empfehlungen in Form einer Checkliste herausgearbeitet, die für eine moderne architektonische Gestaltung psychiatrischer Akutstationen herangezogen werden kann. Empfehlungen zu den Außen- und Innenbezügen, dem Raumkonzept an sich und raumübergreifende Empfehlungen strukturieren das Konzept. Die konzeptuellen Empfehlungen basieren auf pflegefachlichen und medizinischen Betrachtungen, die dabei die Patientenzentrierung im Mittelpunkt haben. Das Konzept verfolgt das Ziel, eine heilsame Architektur auf allgemeinpsychiatrischen Akutstationen für Patienten, Mitarbeitende und Angehörige sicherzustellen. Die Schaffung optimaler auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Umgebung kann so einen Beitrag zur Vermeidung von Zwang und Gewalt auf Akutstationen leisten.