Seit mehreren Jahren ist es möglich, psychisch kranken Menschen Digitale Psychotherapie anzubieten, beispielsweise in Form von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Bislang nutzen nur wenige Betroffene dieses Angebot. Das liegt möglicherweise auch daran, dass die gegenwärtig verfügbaren Interventionen nicht gut integriert sind in die Behandlung im persönlichen Kontakt. Das Ziel von so genannter Blended Therapy ist es, die Behandlung im Persönlichen Kontakt um Angebote der Digitalen Psychotherapie zu erweitern. In diesem Symposium werden vier Studien vorgestellt, die zeigen, wie man die Häufigkeit der Nutzung der Digitalen Psychotherapie erhöht bzw. durch Blended Therapy die Wirksamkeit der Behandlung steigert. Den Anfang machen drei vom Innovationsfonds des G-BA geförderte Studien. Margrit Löbner von der Universität Leipzig untersucht in der ersten dieser drei Studien die Auswirkung einer Implementierungsstrategie für ein bestimmtes Online-Training (moodgym) und zwar nicht nur bei Fachärzten und Psychotherapeuten, sondern auch bei Allgemeinmedizinern. Lena Steubl von der Universität Ulm berichtet von einer multizentrischen cluster-randomisierten Wirksamkeitsstudie, in der untersucht wird, wie Online-Lektionen bestmöglich in die psychotherapeutische Routinebehandlung von Angststörungen und depressiven Störungen integrieren werden können. Auch Carmen Schaeuffele von der Freien Universität stellt eine randomisierten Wirksamkeitsstudie vor. Im Rahmen dieser Studie wurden störungs- und verfahrensübergreifende Module entwickelt, welche Psychotherapeuten gezielt in ihre Behandlung integrieren können, unabhängig davon ob sie psychodynamisch oder verhaltenstherapeutisch arbeiten. Bartosz Zurowski von der Universität zu Lübeck stellt die Ergebnisse einer randomisierten Wirksamkeitsstudie vor, in der Patienten mit einer Angststörung zusätzlich zu einer Behandlung mit einem Therapeuten eine auf virtueller Realität basierende DiGA angeboten wurde.
15:30 Uhr
Aktuelle Trends zum Einsatz von E-Mental-Health-Programmen durch Psychiaterinnen und Psychiater und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Praxis
M. Löbner (Leipzig, DE)
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Autor:innen:
M. Löbner (Leipzig, DE)
E. Weitzel (Leipzig, DE)
M. Schwenke (Leipzig, DE)
S. Riedel-Heller (Leipzig, DE)
Hintergrund: E-Mental-Health-Programme können eine wirksame Unterstützung bei psychischen Erkrankungen darstellen. Im Rahmen der @ktiv_rollout Studie werden aktuelle Trends zum Einsatz von E-Mental-Health-Programmen durch Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen in der Praxis untersucht.
Methodik: Im Rahmen der @ktiv_rollout-Studie wurden N = 318 ambulant tätige Fachärzt:innen der P-Fächer, ambulant tätige Psychotherapeut:innen, sowie im stationären Bereich tätige Klinikärzt:innen und deren Teams schriftlich befragt. Die Baseline-Erhebung fand 2021 statt. 12 Monate später fand eine schriftliche Nachbefragung statt mit einem Rücklauf von N=258 (Response-Rate 81,1%). Untersucht wurde, welche Kenntnisse und Erfahrungen Behandler:innen in Bezug auf E-Mental-Health-Programme besitzen, welche Produkte sie bereits einsetzen, welche Barrieren es gibt und wie sich der Einsatz über die Zeit verändert.
Ergebnisse: Von den Befragten waren 67,9 % weiblich und wiesen ein mittleres Alter von 46,9 (SD = 11,0) Jahren auf. 90,8% hatten zur Baseline bereits von E-Mental-Health-Programmen gehört, gut informiert fühlten sich lediglich 13,7%. Von den Befragten hatten 34,9% zur Baseline ein E-Mental-Health-Programm an Patient:innen empfohlen. Als Barrieren für den Einsatz wurden insbesondere unzureichende Kenntnisse von E-Mental-Health-Programmen (73,2%) und fehlende Informationsmaterialien (44,4%) angegeben. Der praktische Einsatz von E-Mental Health Programmen war nach einem Jahr auf 41,9% gestiegen.
Diskussion: Die Studienergebnisse zeigen einen Zuwachs in der Nutzung von E-Mental-Health-Programmen nach einem Jahr. Dennoch werden deren Potentiale in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen noch selten genutzt. Geeignetes Info-Material, Erklärfilme, Weiterbildungen oder Webinare für den Einsatz von E-Mental-Health könnten den Einsatz für Behandler:innen erleichtern.
15:52 Uhr
Innofonds-Projekt PSYCHOnlineTherapie
M. Denninger (Ulm, DE)
J. Hoffstadt (Ulm, DE)
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Autor:innen:
M. Denninger (Ulm, DE)
J. Hoffstadt (Ulm, DE)
L. Steubl (Ulm, DE)
A. Zarski (DE)
M. Reichert (DE)
H. Baumeister (Ulm, DE)
Die Integration von Internet- und mobilebasierten Interventionen (IMIs) in die psychotherapeutische Routineversorgung (i.e. Blended Therapy oder Verzahnte Psychotherapie) ist trotz vielfach mit ihr in Verbindung gebrachter Vorteile und vielversprechender bisheriger Evidenz ein verhältnismäßig neues Forschungsfeld.
Die drei-armige multizentrische cluster-randomisierte Studie PSYCHOnlineTHERAPIE vergleicht aus diesem Grund zwei verschiedene Implementierungsmöglichkeiten von Blended Therapy mit der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Routineversorgung bei Patient:innen mit depressiven und/oder Angsterkrankungen. Dabei können Patient:innen der Studienbedingungen PSYCHOnlineTHERAPIEfix und PSYCHOnlineTHERAPIEflex im Rahmen ihrer psychotherapeutischen Behandlung über eine geschützte Online-Plattform (eSano; Universität Ulm) auf eine Vielzahl von störungsspezifischen und -übergreifenden Online-Lektionen zugreifen, die ihnen von ihrer:ihrem Psychotherapeut:in zugewiesen wurden. Die Online-Lektionen beinhalten psychoedukative Inhalte, Videos, Audios, Bilder und interaktive Fragen. Untersucht werden dann hauptsächlich die Nicht-Unterlegenheit sowie Kosteneffektivität und Sicherheit der Implementierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus werden potenzielle Mediatoren und Moderatoren erfasst und quantitative und qualitative Daten zu den Studienbedingungen erhoben.
Zum Ende des Rekrutierungszeitraums wurden n = 498 Patient:innen von 75 Psychotherapeut:innen eingeschlossen. Die Behandlung läuft weiterhin. Vorläufige Ergebnisse hinsichtlich der Plattform-Nutzung und aus den qualitativen Interviews sind jedoch bereits vielversprechend und unterstützen die Verzahnung von Internet- und mobile-basierten Interventionen mit der psychotherapeutischen Routineversorgung. Nach Studienende können die Ergebnisse zukünftige Ansätze im Bereich der Blended Therapy unterstützen. Weitere Forschung ist allerdings noch notwendig hinsichtlich anderer Störungsbilder und therapeutischer Schulen.
16:14 Uhr
TONI – eine für alle? Blended Care mit verfahrensübergreifenden und transdiagnostischen Online-Modulen in der ambulanten Psychotherapie
C. Schaeuffele (Berlin, DE)
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Autor:innen:
C. Schaeuffele (Berlin, DE)
F. Fenski (DE)
S. Behr (DE)
L. Hammelrath (DE)
J. Boettcher (DE)
C. Knaevelsrud (DE)
Hintergrund: Mit Einführung der DiGA haben digitale Interventionen endgültig Einzug in die psychotherapeutische Versorgung gehalten. Allerdings fehlen Ansätze, die es erlauben die Online-Inhalte an individuelle Patient*innen anzupassen und außerhalb der KVT anwendbar sind. Ziel der Studie ist die Entwicklung und Überprüfung verfahrensübergreifender und transdiagnostischer Online-Module, die im Sinne eines integrativen Blended Care Ansatzes flexibel in der ambulanten Therapie eingesetzt werden können. In diesem Beitrag wird die Interventionsentwicklung von TONI sowie erste Ergebnisse aus qualitativen Interviews vorgestellt.
Methode: Wir folgten dem IDEAS-Framework, um TONI auf partizipative Weise zu entwickeln. Der mehrstufige Entwicklungsprozess umfasste Interviews (n = 29) und Fokusgruppen mit Psychotherapeut*innen verschiedener Ansätze (n = 10) und mit Patient*innen mit verschiedenen psychischen Störungen (n = 10). TONI wird derzeit in einem RCT mit 1152 Patient*innen in der Versorgung untersucht. Erste teilnehmende Patient*innen und Therapeut*innen wurden zu ihren Erfahrungen in qualitativen Interviews befragt. Die Auswertung erfolgte anhand qualitativer Inhaltsanalysen.
Ergebnisse: Psychotherapeut*innen aller Verfahren unterstrichen die Wichtigkeit einer gemeinsame therapeutische Sprache. Patient*innen und Therapeut*innen betonten Autonomie, Transparenz, sowie eine ressourcenorientierte Ausrichtung der Intervention. Die personalisierte Auswahl einzelner Module wurde als zentral eingestuft. Psychotherapeut*innen und Patient*innen, die TONI im Rahmen der Studie nutzen, berichteten eine gute Akzeptanz und hohe Zufriedenheit.
Diskussion: Mit der Entwicklung von TONI steht ein Blended Care Ansatz zur Verfügung, der auf die Bedürfnisse der ambulanten Psychotherapie abgestimmt ist. Nun gilt es, die tatsächliche Nutzung der Online-Module zu untersuchen, sowie Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung, den therapeutischen Prozess und das Outcome abzuzeichnen.