Kognitive Verhaltenstherapie und Kognitive Remediation werden mit dem höchsten Evidenz- und Empfehlungsgrad zusätzlich zur Pharmakotherapie bei Menschen mit Psychosen in der aktuellen S3-Leitlinie empfohlen. Im vorliegenden Symposium sollen aktuelle Weiterentwicklungen und Evaluationen dieser Ansätze und verwandter Strategien vorgestellt werden.
Dr. Daniel Müller (Universitäre Psychiatrische Dienste Bern) stellt die Ergebnisse von Kognitiver Remediation und die Effekte des Gruppensettings aus einer großen randomisierten Studie mit über 150 Teilnehmenden dar. Prof Dr. Tania Lincoln (Universität Hamburg) präsentiert einen neun Therapieansatz, der den Aufbau selbstsicherer Interaktionen mit akustischen Halluzinationen, die in Rollenspielen eingeübt werden, evaluiert. Eine kleine Pilotstudie in Großbritannien ergab einen großen Effekt auf halluzinationsbedingte Belastung. Die vorgestellte randomisierte Machbarkeitsstudie an n=75 dient zur Abschätzung des zu erwartenden Effekts für eine prospektive, randomisiert-kontrollierte, multizentrische, Parallelgruppenstudie, die demonstrieren soll, dass der Zusatz eines Relating Moduls (RM) zur Standardbehandlung (Treatment-As-Usual = TAU) einer reinen TAU-Bedingung im Hinblick auf die Reduktion halluzinationsbedingter Belastung überlegen ist. Dr. Dr. Kerem Böge (Charité Universitätsmedizin Berlin) berichtet über Ergebnisse verschiedener Studien zu achtsamkeitsbasierter Therapie bei Menschen mit Psychosen. Hier insbesondere über eine randomisierte Feasibilitystudie mit n=40 Teilnehmenden einer stationären achtsamkeitsbasierten Gruppentherapie. Dr. Felicitas Ehlen (Vivantes Klinikum am Urban und Charité Universitätsmedizin Berlin) berichtet über eine Pilotstudie zur Evaluation der Wirksamkeit eines Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)-basierten Behandlungsprogramms mit stationären gruppentherapeutischen Interventionen bei Patientinnen und Patienten mit Psychosen.
17:15 Uhr
Veränderungen des Erlebens und Verhaltens schizophren Erkrankter in Therapiegruppen verbessern Funktionsfertigkeiten und Symptome: RCT mit 154 ambulanten Patienten unter kognitiver Remediation verglichen mit Standardbehandlung
D. Müller (Bern, CH)
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Autor:innen:
D. Müller (Bern, CH)
R. Müller-Szer (Freiburg, CH)
O. Affentranger (Bern, CH)
N. Tschirren (Bern, CH)
F. Wechsler (Bern, CH)
Heute liegen einige evidenzbasierte gruppenpsychotherapeutische Ansätze für schizophren Erkrankte mit teilweise unterschiedlichen Behandlungszielen vor. Doch bis anhin gibt es nur wenige Daten zum (unspezifischen) Wirkfaktor Gruppe als solches und noch weniger entsprechende Daten für die Behandlung der Schizophrenie. Diese Lücke in der Wirkungsweise von Gruppenpsychotherapie versucht die vorliegende Studie am Beispiel eines Kognitiven Remediationsansatzes zu schliessen.
Methode: Innerhalb eines RCT-Designs wurden 154 ambulante Patient:Innen mit einer Schizophreniediagnose (ICD-10) der von uns entwickelten Integrierten Neurokognitiven Therapie (INT, n=79) zur Verbesserung verschiedener neuro- und sozialkognitiver Funktionen oder einer Standardbehandlung (TAU, n=75) zugewiesen. Der Behandlungszeitraum betrug 15 Wochen mit 2 wöchentlichen INT-Sitzungen. Eine Testerhebung erfolgte vor und nach dem Behandlungszeitraum sowie nach einer 1-jahres Katamnese. Diese umfasste neben Symptom-, kognitiven und sozialen Parametern auch den von uns entwickelte Fragebogen zur „Erfassung des Erlebens und Verhaltens in der Therapiegruppe (EVIT)“.
Ergebnisse: Die INT-Gruppe erzielte signifikant bessere Ergebnisse im EVIT-Outcome während der Therapiephase im Gesamtscore (Summe aller Items: ALM: F=5.42, p < .01) sowie in beiden mittels Faktorenanalyse empirisch hergeleiteten Faktoren „Inaktivität und Angst“ (GLM: F=5.05; p < .01) sowie „Augenkontakt und Aufmerksamkeit in der Kommunikation“ (F=4.02; p=.02). Verbesserungen in diesen EVIT-Scores sind signifikant mit Verbesserungen in kognitiven und sozialen Funktionen und der Negativsymptomatik nach Therapieende assoziiert wie auch mit höherer Therapiemotivation und -teilnahmeraten, aber nicht mit der Medikation oder den Positivsymptomen.
17:37 Uhr
Selbstsicher mit belastenden Stimmen umgehen – hilft das? Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Pilotstudie zur Wirksamkeit eines „Relating Therapy“-Ansatzes (RELATE Trial)
T. Lincoln (Hamburg, DE)
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Autor:innen:
T. Lincoln (Hamburg, DE)
B. Schlier (Hamburg, DE)
M. Hayward (GB)
C. Mahlke (Hamburg, DE)
J. Gallinat (Hamburg, DE)
U. Gonther (Bremen, DE)
T. Lang (Bremen, DE)
C. Exner (DE)
K. Böge (Berlin, DE)
R. Müller (Hamburg, DE)
M. Pillny (Hamburg, DE)
Es fehlen psychotherapeutische Interventionen für Auditive Halluzinationen (AH), die die halluzinationsbedingte Belastung reduzieren, obwohl dies für Betroffene ein wichtiges Therapieziel ist. Studien zeigen, dass Belastung aus wahrgenommener Dominanz der AH und passiven sowie unterwürfigen Reaktionen der Hörer resultiert. Ein neuer Ansatz zielt deshalb auf den Aufbau selbstsicherer Interaktionen (engl. Relating) mit dem „Stimmen“ ab. Eine Pilotstudie ergab einen großen Effekt auf halluzinationsbedingte Belastung, aber eine unabhängige Multicenterstudie ist notwendig, um die Generalisierbarkeit dieses Effekts zu prüfen. Die vorgestellte DFG-geförderte Machbarkeitsstudie diente zur Abschätzung des zu erwartenden Effekts für eine randomisiert-kontrollierte, multizentrische, Parallelgruppenstudie, die demonstrieren soll, dass der Zusatz eines „Relating Moduls“ (RM) zu „Treatment-As-Usual“ (TAU) einer reinen TAU-Bedingung im Hinblick auf die Reduktion halluzinationsbedingter Belastung überlegen ist. Machbarkeitsfragen zielten ferner auf Rekrutierung, Therapeutentraining und Monitoring in verschiedenen Versorgungseinrichtungen. Randomisiert wurden 85 Patienten mit persistierenden belastenden AH im Rahmen von psychotischen Störungen (ICD-10, F2) in vier Zentren. Patienten erhielten entweder bis zu 16 Sitzungen RM plus TAU oder nur TAU. Erhebungen fanden zu Beginn sowie nach 4 und 9 Monaten (primärer Endpunkt) statt. Die Machbarkeitsziele im Hinblick auf Rekrutierung und manualtreue Durchführung der Intervention wurden erreicht. Die Abbruchquote war niedrig und es gab keine ‚adverse reactions` auf die Therapie. Stimmenbezogene Belastung reduzierte sich nach 9 Monaten in beiden Bedingungen, mit einem Trend zu stärkerer Veränderung in der Therapiegruppe. Die Effektgröße dieses Unterschieds (Cohen*s d = 0,4; n.s.) hielt diversen Sensitivitätsanalysen stand und kann daher als robuste Grundlage für den zu erwartenden Effekt in einer multizentrischen Studie verwendet werden.
17:59 Uhr
Achtsamkeitsbasierte Gruppentherapie bei Psychosen – von Mechanismen, partizipativer Forschung hin zu Augmentationsstrategien
K. Böge (Berlin, DE)
18:21 Uhr
Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) bei stationären Patienten mit Psychosen
f. Ehlen (Berlin, DE)
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Autor:innen:
f. Ehlen (Berlin, DE)
Y. Pößnecker (Berlin, DE)
S. Wagler (Berlin, DE)
A. Bechdolf (Berlin, DE)
Beginnend im Sommer 2022 wurde die allgemeinpsychiatrische Station 23 des Vivantes Klinikum am Urban umstrukturiert, um Menschen mit Psychoseerkrankungen Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) im offenen Akutsetting anzubieten. ACT ist ein evidenzbasiertes, diagnosenunabhängiges Therapieverfahren der dritten Welle der Verhaltenstherapie. Therapeutisches Grundprinzip ist die Kombination werteorientierter Verhaltensaktivierung mit einem bewussten und angenehmen Umgang mit inneren Ereignissen (d.h. Gedanken, Gefühle, Handlungsimpulse, etc.). Entsprechend zeigten internationale Studien Wirksamkeit von ACT nicht nur bei affektive und psychosomatischen Syndromen, sondern auch bei Menschen mit Psychoseerkrankungen. Dabei wurde u.a. eine Senkung der Rehospitalisierungsraten beschrieben.
Um im Rahmen des Versorgungsauftrages für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein spezifisches Therapieangebot für Menschen mit chronischen Psychoseerkrankungen und Komorbiditäten (z.B. Substanzkonsumstörungen) anzubieten, wird ACT als besonders passend eingeschätzt. Zum einen, da die Betroffenen dabei neue Umgangsweisen mit akuten und chronischen Belastungen erfahren, zum anderen, da das Verfahren zur bedarfsgerechten und flexiblen Umsetzung durch alle Berufsgruppen ermuntert. So nutzen wir als multiprofessionelles Team sowohl praktische Übungen im Einzel- und Gruppensetting als auch eine ACT-spezifische therapeutische Haltung bei alltagsrelevanten Interventionen und der Perspektiveinnahme.
Im Symposiumsbeitrag werden die bisherige Entwicklungsschritte bei der ACT-Implementierung inkl. der spezifischen Herausforderungen im Kontext (chronischer) Psychoseerkrankungen und des Akutsettings in einem innerstädtischen Bezirk dargestellt und zwei ACT-spezifische Gruppen („Hier-und-Jetzt-Gruppe“, „Kompass-Gruppe“) vorgestellt. Wir stellen zudem die im Oktober 2023 startende Pilotstudie zur Wirksamkeit von ACT für Menschen mit Psychoseerkrankungen (ASPIRE-Studie) vor.