Raum:
Saal A5 (Stream/on Demand)
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 02: Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, Verhaltenssüchte, F1
Stream/on Demand
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Die Wirksamkeit von Disulfiram kann als gesichert angesehen werden. Unter supervidierter Gabe wurde metaanalytisch eine höhere Effektstärke als bei Naltrexon oder Acamprosat festgestellt. Da die Zulassung in Deutschland 2013 erlosch gibt die aktuelle S3-Leitlinie trotz Evidenzlevel 1b nur eine ‚kann‘-Empfehlung (Empfehlungsgrad 0). Disulfiram kann jedoch legal aus dem europäischen Ausland importiert und verschrieben werden. Um die Qualität dieser Behandlungsform einschließlich Pharmakovigilanz sicherzustellen haben sich 29 deutsche, ein österreichisches und ein dänisches Zentrum zum „Netzwerk alkoholaversive Pharmakotherapie (NAP)“ zusammengeschlossen. Im Symposium werden aktuelle Erfahrungen mit verschiedenen Subgruppen alkoholabhängiger Patienten aus 20 Therapiezentren berichtet.
Prof. Wedekind (Göttingen) wird aktuelle Vorstellungen zu pharmakologischen und psychologischen Wirkmechanismen erläutern sowie neuere Befunde zu Wirkungen gegen Malignome diskutieren.
Prof. Zimmermann (Haar) wird Daten einer Untersuchung zur Qualitätskontrolle im Rahmen des NAP berichten. Dabei werden Patienteneigenschaften, Trinkereignisse, Patientensicherheit, Nebenwirkungen, psychiatrische Komorbidität und begleitende Psycho- sowie Pharmakotherapie von 500 Patienten an 20 Behandlungszentren dargestellt.
Herr Dr. Plickert (Kopenhagen) wird am Beispiel der Stadt Kopenhagen darstellen, welch hohen Stellenwert Disulfiram aktuell im Versorgungssystem für Suchtbehandlung in Dänemark einnimmt und die nationalen dänischen Empfehlungen („Technologiebewertung“) zu Disulfiram vorstellen.
Frau Yvonne Krisam (Mannheim) wird berichten, wie sich die coronabedingten Kontaktbeschränkungen auf die supervidierte Behandlung mit Disulfiram auswirkten. Die daraufhin entwickelten telemedizinischen Möglichkeiten zur supervidierten Einnahme und ärztlichen Beratung der Patienten können künftig auch im Kontext von langen Anfahrtswegen sowie familiären oder beruflichen Verpflichtungen genutzt werden.
08:52 Uhr
Abstinenzverletzungen und Patientensicherheit während Behandlung mit Disulfiram: eine Erhebung an 500 Patienten im Rahmen des Netzwerks alkoholaversive Pharmakotherapie
U. Zimmermann (Haar, DE)
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Autor:innen:
U. Zimmermann (Haar, DE)
M. Spreer (DE)
Hintergrund: Unter supervidierter Gabe wurde für Disulfiram metaanalytisch eine höhere Effektstärke als bei Naltrexon oder Acamprosat festgestellt. Obwohl die Zulassung in Deutschland 2013 kann Disulfiram legal aus dem europäischen Ausland importiert und verschrieben werden.
Zielsetzung: Um die Qualität dieser Behandlungsform einschließlich Pharmakovigilanz sicherzustellen haben sich gegenwärtig 29 deutsche, ein österreichisches und ein dänisches Zentrum zum „Netzwerk alkoholaversive Pharmakotherapie (NAP)“ zusammengeschlossen.
Methode: Das NAP führt seit 2019 jährliche Erhebungen zur Qualitätskontrolle bei der Behandlung mit Disulfiram durch. Dabei werden retrospektiv Daten u.a. zu Patienteneigenschaften, Trinkereignissen und Nebenwirkungen erhoben.
Ergebnisse: Für 2022 wurden aus 20 Zentren Daten zu 493 Patienten berichtet. Bei 18% aller Patienten kam es zu mindestens einem Trinkereignis während Disulfirameinnahme, dies führte in einem Fall zu kurzzeitiger stationärer Überwachung. Häufigste Nebenwirkungen waren Mund-/ Körpergeruch, Transaminasenerhöhung, sexuelle Funktionsstörungen bei Männern, allergische Hautreaktionen, Müdigkeit und Polyneuropathie. Seit 2019 wurde in einem Fall eine lebensbedrohliche NW beobachtet (fulminante Hepatitis ohne Alkoholkonsum). Bei 75% aller Patienten wurde begleitend eine Gruppentherapie durch Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen oder Pflege angeboten. Komorbide psychiatrisch Erkrankungen wurden in 21% mit Antidepressiva, 11% off-label mit sedierenden Neuroleptika, 4% mit Neuroleptika zur Psychosebehandlung, 2% mit Benzodiazepinen, 1% mit Phasenprophylaktika und 2%, mit Stimulanzien behandelt.
Schlussfolgerung: Die supervidierte Behandlung mit Disulfiram kann auch nach Erlöschen der Zulassung in Deutschland praktikabel und sicher durchgeführt werden. Sie wird überwiegend nicht isoliert, sondern als Bestandteil eines Gesamtbehandlungskonzeptes eingesetzt, das die Behandlung komorbider psychiatrischer Erkrankungen mit einschließt
09:14 Uhr
Stellenwert der Behandlung mit Disulfiram bei Alkoholabhängigkeit in Kopenhagen, Dänemark – Diskrepanz zwischen nationalen Empfehlungen und Behandlungsfrequenz
C. Plickert (Kopenhagen, DK)
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Autor:in:
C. Plickert (Kopenhagen, DK)
In Dänemark ist die Behandlung der Alkoholabhängigkeit kommunale Aufgabe. Der Vortrag beschreibt die Behandlungspraxis in der Kommune Kopenhagen, welche als größte Kommune Dänemarks die Suchtbehandlung in Eigenregie betreibt. Standard ist die ambulante Behandlung.
Obwohl die letzten nationalen dänischen Leitlinien von 2018 anti-craving Präparate als erste Wahl empfehlen und Disulfiram kritisch beurteilen, erhalten die meisten Bürger*innen in der kommunalen Suchtbehandlung in Kopenhagen Disulfiram als medizinische Behandlung bei Alkoholabhängigkeit. Pflegekräfte und Ärzt*innen bemühen sich, alle drei medizinischen Behandlungsoptionen als gleichwertig darzustellen, aber Unterschiede in der Behandlungspraxis verstärken den Trend, dass die Behandlung mit Disulfiram von den Bürger*innen bevorzugt nachgefragt wird.
Die erhobenen Behandlungsdaten im Rahmen der Qualitätskontrolle in 2022 zeigen eine gute Verträglichkeit von Disulfiram und seltene Trinkereignisse. Aktuelle Daten aus dem 2. Quartal 2023 können im November vorgestellt werden. Es erscheint aus ärztlicher Sicht vertretbar, Disulfiram als gleichwertige Behandlungsoption bei Alkoholabhängigkeit anzubieten.
09:36 Uhr
Einsatz telemedizinischer Methoden zur supervidierten Behandlung mit Disulfiram
Y. Krisam (Mannheim, DE)
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Autor:innen:
Y. Krisam (Mannheim, DE)
A. Koopmann (Mannheim, DE)
F. Kiefer (Mannheim, DE)
Hintergrund und Fragestellung
Die Vergabe von Disulfiram erfordert einen hohen zeitlichen Aufwand nicht nur von Seiten der Behandler*innen, sondern auch von Seiten der Patient*innen. Dieser Zeitaufwand führt zu einer Minderversorgung verschiedener Patientengruppen. Lange Anfahrtswege, Ausübung eines Berufes und familiäre Verpflichtungen können Gründe für Patient*innen sein die Einnahme von Disulfiram abzulehnen. Alleinige regelmäßige Telefonkontakte stellen kein ausreichendes Versorgungsangebot dar.
Methoden
Der Einsatz telemedizinischer Möglichkeiten im Rahmen einer Antabussprechstunde soll die Versorgung bisher unterversorgter Patient*innengruppen möglich machen. Ziel dieser Studie ist es ein neuartiges Gerät zur telemedizinischen Supervision zu evaluieren. Der Zenalyser misst in der Atemluft Stoffwechselprodukte des Disulfiram-Stoffwechsel sowie Ethanol. Diese Daten werden über eine automatisierte mail den Behandler*innen zugesandt. Durch die Abgabe einer täglichen Probe ist eine engmaschige Supervision der Patient*innen möglich.
Die Behandler*innen haben zudem die Möglichkeit den Patient*innen Nachrichten per mail oder sms zukommen zu lassen. Setzen die Behandler*innen zudem (video-)telefonische Kontakte ein, können eine engmaschige Supervision mit therapeutischen Interventionen auch über zeitliche und räumliche Distanzen kombiniert werden.
Ergebnisse
Die aktuelle Studie soll die Akzeptanz des Zenalysers bei den Patient*innen untersuchen. Die Regelmäßigkeit der Nutzung durch die Patient*innen, Handling, Behandlungskontinuität und Rückfälle sollen evaluiert werden. Insbesondere erscheint wichtig zu sein, ob Rückfälle zeitnah durch die Behandler*innen erkannt werden und telemedizinische Möglichkeiten ausreichend sind den Patient*innen durch Einleiten verschiedener Interventionen wieder zur Abstinenz zu führen. Zudem soll die Qualität der Kontakte durch die Patient*innen evaluiert werden.