Anhaltende, weitreichende kognitive Defizite sind ein wesentliches Hindernis für die funktionelle Rehabilitation von Patienten mit Schizophrenie. Der Mangel an effektiven Behandlungsmöglichkeiten stellt eine erhebliche Lücke in der Therapie der Erkrankung dar. In diesem Symposium werden aktuelle Ergebnisse zur Identifikation neuer pro-kognitiver Interventionen bei Schizophrenie diskutiert. Christoph Mulert berichtet über die zentrale Rolle von Gamma-Band Oszillationen für Kognition und Wahrnehmungsprozesse und deren Störungen bei Schizophrenie. Aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit der Balance von Excitation und Inhibition in kortikalen Netzwerken können Gamma-Band Oszillationen wichtige Informationen für die personalisierten Medizin z. B. durch glutamaterge Modulation oder nichtinvasiver Hirnstimulation geben. Mishal Qubad präsentiert Daten zur neurobiologischen Rationale der Therapie mit intravenösem Erythropoietin (EPO), der aktuellen Evidenz sowie zu klinisch-praktischen Erfahrungen anhand von Kasuistiken. Diese Ergebnisse werden in den Kontext der klar belegten Effektivitität neuroplastizitätsfördernder Strategien gestellt. Hannelore Ehrenreich referiert über Befunde, welche belegen, dass eine Reihe nichtmedikamentöser neuroplastizitätsfördernder Ansätze ihre Wirkung durch funktionelle Hypoxie und die konsekutive Aktivierung des zerebralen EPO-Systems entfalten. Diese Befunde bilden die Grundlage für die Behandlung kognitiver Störungen mittels normobarer Hypoxie. Robert Bittner berichtet über transdiagnostische psychophysische Untersuchungen zu Arbeits- und Aufmerksamkeitsstörungen bei Schizophrenie und bipolarer affektiver Störung, welche Hinweise für erhaltene kognitive Funktionen und das prokognitive Potential von Stimulussalienz und Hinweisreizen geben. Weiterhin präsentiert er bildgebende Befunde, welche eine neuroplastizitätsfördernde Wirkung von Schizophrenie-Resilienzgenen als Grundlage für deren pro-kognitive Effekte nahelegen.
13:30 Uhr
Gamma-Band-Oszillationen und Schizophrenie
C. Mulert (Gießen, DE)
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Autor:in:
C. Mulert (Gießen, DE)
Titel: Gamma-Band-Oszillationen und Schizophrenie
Gamma-Band Oszillationen haben eine wichtige Funktion für Kognition und Wahrnehmungsprozesse und sind gleichzeitig Ausdruck der Balance von Excitation und Inhibition auf der Microcircuit-Ebene mit besonderer Relevanz des glutamatergen NMDA-Rezeptors. Veränderte Gamma-Band-Oszillationen sind ein häufiger Befund bei Patienten mit Schizophrenie und könnten wichtige Information in Richtung einer personalisierten Medizin z.B. mit glutamaterger Modulation oder nichtinvasiver Hirnstimulation geben. Aktuelle Phase-III-Studien mit GlyT1-Inhibitoren zur Behandlung kognitiver Defizite bei Schizophrenie sowie die Entwicklung von transkranieller Wechselstromstimulation im Gamma-Frequenzbereich zur Behandlung von kognitiven Defiziten zeigen die konkreten klinischen Perspektiven. Im Vortrag werden diese Entwicklungen kurz eingeordnet und eigene Studienergebnisse vorgestellt.
13:52 Uhr
Intravenöses Erythropoetin für die Behandlung kognitiver Störungen bei Schizophrenie – Neurobiologie, Evidenz und klinische Erfahrungen
M. Qubad (Frankfurt am Main, DE)
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Autor:in:
M. Qubad (Frankfurt am Main, DE)
Kognitive Störungen sind zentraler und meist unterschätzter Bestandteil schizophrener Psychosen mit wesentlichen Auswirkungen auf den funktionellen Outcome. Kognitive Defizite betreffen u.a. das Arbeitsgedächtnis, exekutive Funktionen und das Langzeitgedächtnis. Die effektive Behandlung kognitiver Störungen stellt nach wie vor eine der größten Herausforderungen in der Schizophrenie-Therapie dar. Klinische Studien belegen eine pro-kognitive Wirksamkeit von intravenösem Erythropoietin (EPO). In diesem Vortrag sollen die neurobiologische Rationale der EPO-Therapie, aktuelle Evidenz sowie klinisch-praktische Erfahrungen anhand von Kasuistiken diskutiert werden. Fünf Patienten mit einer Schizophrenie–Spektrum-Störung erhielten aufgrund anhaltender kognitiver Beeinträchtigungen im Rahmen eines individuellen Heilversuchs intravenöses EPO in einer Dosis von 50000 IE/Woche über einen Zeitraum von 12 Wochen. Mittels standardisierter kognitiver Testbatterien (MCCB, TAP, CKV) wurden wiederholt alle relevanten kognitiven Domänen untersucht. Vor jeder Infusion erfolgte zudem eine körperliche Untersuchung sowie Kontrolle spezifischer Laborparameter. Unsere vorläufigen Ergebnisse bestätigen pro-kognitive Effekte und positive Einflüsse auf das Funktionsniveau. Deskriptiv zeigten sich insbesondere Verbesserungen von Verarbeitungsgeschwindigkeit, Arbeitsgedächtnis und kognitiver Flexibilität. In zwei Fällen war aufgrund eines Hämatokritanstiegs ein Aderlass erforderlich. Andere Nebenwirkungen traten nicht auf. Die Neuroplastizitäts-fördernden Effekte von EPO begründen seine pro-kognitive Wirksamkeit. Bei Patienten mit funktionell relevanten kognitiven Störungen ist EPO eine praktikable und nebenwirkungsarme Therapieoption. Die Verfügbarkeit einer solchen pro-kognitiven Substanz eröffnet neue Chancen für die Verbesserung der funktionellen Outcomes. Es werden eine Reihe von Ansätzen diskutiert, wie eine breitere Verwendung erreicht werden kann.
14:14 Uhr
Die nicht-medikamentöse Aktivierung des zerebralen EPO-Systems – ein neuer Ansatz für kognitive Remediation?
H. Ehrenreich (DE)
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Autor:innen:
H. Ehrenreich (DE)
M. Franta (DE)
S. Mennen (DE)
Hypoxie wird zunehmend anerkannt als wichtiger physiologischer Mediator. Ein ganz spezifisches Transkriptionsprogramm, induziert durch einen Abfall der Sauerstoffverfügbarkeit, beispielsweise durch inspiratorische, hypobare Hypoxie in großer Höhe, erlaubt es Zellen, sich an erniedrigte Sauerstoffkonzentrationen und dadurch reduzierten Energiemetabolismus zu adaptieren. Dieses Transkriptionsprogramm wird teilweise kontrolliert von sogenannten Hypoxie induzierbaren Faktoren (HIF). Bemerkenswert ist, dass das gleiche Transkriptionsprogramm im Gehirn durch intensive motorisch-kognitive Aufgaben induziert wird, welche zu einer relativen Reduktion der Sauerstoffzufuhr im Verhältnis zu dem akut erhöhten Bedarf führen. Wir haben den Begriff ‘funktionelle Hypoxie‘ für diese wichtige, anforderungsabhängige, relative Reduktion der Sauerstoffverfügbarkeit geprägt.
Funktionelle Hypoxie erscheint kritisch wichtig für die andauernde Adaptation an höhere physiologische Anforderungen, indem sie ein substantielles ‘Brain Hardware Upgrade‘ bewirkt, was wiederum einer verbesserten Hirnleistung zu Grunde liegt. Durch die Hypoxie induziertes Erythropoietin im Gehirn spielt vermutlich eine ganz entscheidende Rolle bei diesen Prozessen, welche durch Behandlung mit rekombinantem, humanen Erythropoietin imitiert wird. Dieser Vortrag fasst gegenwärtige Hinweise zusammen, wie inspiratorische Sauerstoffabsenkung möglicherweise zu verbesserter Hirnfunktion beitragen kann. Dadurch ergibt sich eine Basis für die Ausnutzung moderater, normobarer, inspiratorischer plus funktioneller Hypoxie für die Behandlung von Menschen mit neuropsychiatrischen Erkrankungen. Es werden vorläufige Resultate unserer mehrstufigen Pilot-Studie mit gesunden Probanden und ersten Patienten vorgestellt, welche verbesserte Leistung durch motorisch-kognitives Training unter inspiratorischer Hypoxie zum Ziel hat.
14:36 Uhr
Arbeitsgedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen bei Schizophrenie
R. Bittner (Frankfurt am Main, DE)
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Autor:in:
R. Bittner (Frankfurt am Main, DE)
Arbeitsgedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen gehören zu den grundlegenden kognitiven Defiziten bei Schizophrenie und bipolarer affektiver Störung. Bei beiden Erkrankungen scheinen Störungen der Arbeitsgedächtnisenkodierung zu bestehen. Die Rolle der selektiven Aufmerksamkeit für diese Störungen ist jedoch nur unzureichend verstanden. Bei Patienten mit Schizophrenie gibt es Hinweise auf einen Aufmerksamkeitsbias hin zu sehr salienter aber aufgabenirrelevanter Information während der Arbeitsgedächtnisenkodierung. Bei Patienten mit bipolarer Störung ist dies bislang nicht untersucht worden.
Wir untersuchten 66 Patienten mit Schizophrenie und 74 gesunde Kontrollprobanden, die eine räumliche Arbeitsgedächtnisaufgabe bearbeiteten. Während der Enkodierungsphase wurden zwei blinkende und zwei nicht blinkende Gabor Patches mit unterschiedlicher Orientierung präsentiert. Die Versuchsteilnehmer mussten entweder die blinkenden oder die nicht blinkenden Gabor Patches enkodieren. Zuvor wurde ein Hinweisreiz präsentiert, welcher auf die Positionen hinwies, an denen nachfolgend die Garbor Patches präsentiert wurden - entweder auf die Positionen der zwei aufgabenrelevanten Gabor Patches oder auf alle vier Positionen.
Im Vergleich zu Kontrollprobanden zeigten Patienten mit Schizophrenie über alle vier Bedingungen hinweg eine reduzierte Arbeitsgedächtnisleistung. Beide Gruppen waren für die Aufgaben mit prädiktivem Hinweisreiz dazu in der Lage, aufgabenirrelevante Information während der Enkodierung adäquat zu unterdrücken. Bei Aufgaben mit nicht-prädiktivem Hinweisreiz zeigten die Patienten ein selektives Defizit für die Enkodierung von nicht blinkenden Gabor Patches. Bei einer separat untersuchten Gruppe von 63 Patienten mit bipolarer affektiver Störung zeigte sich ein ähnliches aber leichter ausgeprägtes Defizitmuster. Unsere Ergebnisse weisen auf eine stimulusgetriebenen (bottom-up) Aufmerksamkeitsbias schizobipolaren Spektrum hin.